Konflikte
Biber – ein großer Förderer, aber auch Störenfried

- Biber sorgen für Artenreichtum in der Natur.
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Biber finden im Bezirk Urfahr-Umgebung wertvollen Lebensraum – sie sorgen dadurch aber immer häufiger für Konflikte.
URFAHR-UMGEBUNG. Mehr als 100 Jahre galt der Biber als ausgestorben in Europa. Seit der Wiederansiedlung in den 1970er-Jahren ist er streng geschützt. Denn durch seine Baukunst – von beeindruckenden Biberburgen bis hin zu kunstvoll errichteten Dämmen – schafft der Nager als tierischer „Landschaftsarchitekt“ Lebensräume für zahlreiche Arten. Er trägt zudem maßgeblich zur Wiederherstellung natürlicher Flusslandschaften bei. Zur Population in Urfahr-Umgebung gibt es wenig offizielle Daten. "Ich selbst kenne etwa zwanzig Reviere im Bezirk, aber da fehlen einige", sagt Fabian Holzinger vom BeaverLab-Team. Bei der letzten OÖ-Kartierung, bei der auch Holzinger mitgearbeitet hat, versuchte man, eine Gesamtschätzung für das Bundesland abzubilden. Das Ergebnis: 2.200 Tiere auf einem Gewässernetz von mehr als 12.000 Kilometern. "Das sind gar nicht so viele. Die Population wird von Menschen oft maßlos überschätzt", so Holzinger.
Boden brach unter Traktor weg
Mit der Ausbreitung der Tiere kommt es aber immer häufiger zu Konflikten. Die Probleme treffen etwa die Landwirte im Bezirk. Bei fünf Feldern von Herbert Lehner aus Walding ist der Biber aktiv. Abgenagte Bäume seien hier das kleinere Thema. "Er frisst auf großen Flächen Zuckerrüben, Mais und Getreide", erzählt der Landwirt. Die erhaltene Entschädigung decke die Ernteeinbußen keineswegs. Vor zwei Jahren kam es zudem zu einer sehr gefährlichen Situation: Lehner brach mit dem Traktor in einen Biberbau ein, der unter der Wiese gegraben und daher nicht sichtbar war. Er zog sich dabei eine Platzwunde zu, als er durch das plötzliche Absacken mit dem Kopf gegen die Kabine der Maschine stieß. "Natürlich hat der Biber seine Berechtigung, aber die Tiere werden momentan einfach zu viel", so Lehner.

- Herbert Lehner brach mit dem Traktor in einem Biberbau ein.
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Lockerung des Schutzstatus erwünscht
Auch im Teich von Alois Hinterhölzl in Zwettl wohnt eine Biberfamilie. Seine Laubbäume in der Nähe haben die Nager bereits abgeholzt. "Sie sind mir dadurch nicht wirklich sympathisch", so der Zwettler. Bezirksbauernobmann Peter Preuer aus Oberneukirchen wünscht sich eine Lockerung des Schutzstatus: "Davon wird schon lange gesprochen. Daher versteht keiner, warum nichts passiert. Es gibt mittlerweile wieder genug Biber." Schutzmaßnahmen, wie etwa Bäume einzuzäunen, würden nicht viel Erfolg bringen. "Das Tier gräbt sich unten durch oder nagt den Zaun ab." Eine Entschädigung zu erhalten, wäre für die Landwirte enorm kompliziert und aufwendig. "Und ist meistens sehr gering in Relation zum Schaden", so Preuer.

- Eine Biberrutsche bei der Rodl in Walding.
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Verletzter Biber musste lange leiden
Auch vor öffentlichen Flächen macht der Nager nicht Halt. In Feldkirchen hat er sich etwa bei den Flutern neben den Badeseen angesiedelt. Für Bürgermeister David Allerstorfer ein heikles Thema. Denn: "Es ist gefährlich, wenn er die Straße untergräbt und diese dann nachgibt, wenn ein Auto fährt." Im vergangenen Sommer kam es im Pesenbachtal zu einem traurigen Vorfall. Wanderer entdeckten einen schwer verletzten Biber und meldeten dies dem Ortschef. "Erst nach langem Hin und Her mit dem Naturschutz durfte der Jagdleiter das Tier erlösen", so Allerstorfer.
Population regelt sich
Warum ein illegales Töten der Nager kontraproduktiv ist, erklärt Fabian Holzinger von BeaverLab: "Biber sind territorial und besiedeln entlang eines Gewässers ein für die kleine Familie – im Durchschnitt 5, 6 Tiere – ausreichend großes Revier, in dem sie meist ihr ganzes Leben verbringen. Lediglich ein bis drei Junge werden pro Jahr geboren und verbringen mindestens zwei Jahre bei den Eltern, bevor sie sich ein eigenes Revier suchen." Sind dann alle möglichen Lebensräume besiedelt, geht die Reproduktionsrate zurück und es bildet sich ein Populationsplateau. "Im Mühlviertel konnte die letzten zehn Jahre gut beobachtet werden, wie sich Biber von der Donau aus bis zur europäischen Wasserscheide ausbreiteten, woraufhin die Population stagniert", so Holzinger. Wird durch ein Entnehmen eines Tiers ein Revier frei, würde dieses bald wieder besiedelt und die Reproduktionsrate dadurch künstlich hochgehalten werden.
Konflikte häufen sich durch Eingreifen
Durch das Eingreifen in den Lebensraum der Biber würden die Konflikte laut Holzinger mehr, statt weniger. Denn die sesshaften, auf Sicherheit bedachten Tiere müssen wieder von vorn anfangen – zerstörte Biberdämme aufbauen, neues Baumaterial und damit mehr Fällungen, etc. "Die Bedürfnisse von Bibern sind im Grunde uns Menschen sehr ähnlich: Sie sind sesshaft, wollen ein sicheres Zuhause, keine Dürre und kein Hochwasser und bauen hierfür ihre eigene Infrastruktur", so Holzinger.
Biber schafft Artenreichtum
Durch ihre Bauten tragen die Biber laut Naturschutzbund Oberösterreich einen ganz wesentlichen Beitrag zur Renaturierung bei: Wasserlebensräume werden vielfältiger und dynamischer, er reaktiviert "alte" Feuchtgebiete und schafft neue, der Strukturreichtum an und in Gewässern steigt und das Totholz nimmt zu. Durch seine rege Bautätigkeit beeinflusst der Nager die Lebensräume anderer Tierarten der Auen. Wo er das Gewässer gestaltet, verbessert er die Lebensbedingungen unter anderem für Schwarzstorch und Eisvogel sowie viele Amphibien- und Libellenarten. Auch MeinBezirk-Leserin Ulrike Plakolm bestätigt das: "Ich bin seit vielen Jahren bei der kleinen Rodl unterwegs. 2020 habe ich dort erstmals einen Eisvogel beobachten können – also erst, seitdem der Biber dort wieder anzutreffen ist und dementsprechend dichte Dämme geschaffen hat."
Ein wertvoller Verbündeter
Kaum ein anderes Tier ist laut Naturschutzbund als „Leitart“ für eine intakte Auenlandschaft besser geeignet. „Wenn der Biber mehr Platz zum Leben bekommt, ist er einer der wertvollsten Verbündeten im Kampf gegen den Artenschwund, bei der Gewässerrenaturierung und beim Hochwasserschutz. Wir sollten die Fähigkeiten des tierischen Landschaftsarchitekten nutzen – er kann es mitunter sogar besser und billiger als so manche menschliche Maßnahme“, so Naturschutzbund-Expertin Carolina Trcka-Rojas.





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