Interview
Zwischen Realität und Wahnsinn: Theater als Spiegel der Zeit
Mit dem Stück "Geträumt wird in Fetzen" widmen sich die Kronberger-Schwestern den Träumen von jungen Schauspielern und Schauspielerinnen.
INNSBRUCK. Wie sagte schon Shakespeare zu seiner Zeit: "Die ganze Welt ist eine Bühne." Kaum verwunderlich also, dass die Grenzen zwischen der Realität und dem Schauspiel häufig verwischen. Bei dem Stück "Geträumt wird in Fetzen" ist dieses Phänomen jedoch auf eine ganz besondere Weise spürbar, denn die beiden Schwestern Alexandra und Philippa Kronberger haben sich dokumentarisch und künstlerisch mit den Träumen von jungen Künstlern und Künstlerinnen auseinandergesetzt und diese für das Publikum aufbereitet. Wie genau?: Das erzählen die Beiden in einem Interview.
MEIN BEZIRK INNSBRUCK: Wie kam es denn zu der Idee, über die Träume von jungen Schauspielern und Schauspielerinnen zu schreiben?
ALEXANDRA KRONBERGER: Angefangen habe ich damit, dass ich generell etwas über Träume schreiben wollte. Welche Zukunftsträume es gibt und was wir tun, um diese zu erreichen. Dieses Thema hat mich schon im Studium begleitet und fasziniert. Dort habe ich dann auch einige Seminare zum dokumentarischen Theater besucht und daraus entstand die Idee, herauszufinden welche Traumrollen Schauspieler und Schauspielerinnen haben und was es mit ihnen macht, wenn sie diese Rolle bekommen oder auch nicht. Auch die Frage, warum man sich nicht selbst seine Traumrolle macht bzw. schreibt, hat sich mir im Laufe des Schreibprozesses des öfteren gestellt.
Euer Stück basiert auf Interviews und Gesprächen. Wen habt ihr dafür herangezogen?
PHILIPPA KRONBERGER: Die Interviews haben wir mit den Schauspielschülern und -schülerinnen geführt, die am Ende auch das Stück gespielt haben bzw. spielen. Es sind ihre persönlichen Träume und Gedanken, die wir in "Geträumt wird in Fetzen" aufbereitet haben und das macht es besonders spannend, vor allem auch dann, wenn sich das Stück im Laufe der Proben partizipativ weiterentwickelt. Es waren also alle irgendwie am Entstehungsprozess beteiligt.
Welche Botschaft war für euch besonders wichtig zu vermitteln?
ALEXANDRA KRONBERGER: Wir haben generell eine sehr kritische Haltung zur Kulturindustrie. Denn hinter jeder Produktion stecken die Fragen: Was kostet mich das, haben wir überhaupt Ressourcen dafür und wer kümmert sich um alles? Es ist ein sehr wirtschaftliches Konstrukt und die Kreativität kommt da häufig zu kurz.
PHILIPPA KRONBERGER: Und viele wissen garnicht welche privaten Opfer und wie viel Arbeit hinter so einer Produktion stecken, sowohl für die Schauspieler und Schauspielerinnen als auch für die Personen hinter der Bühne. Denn das Schauspiel ist stetig in einem Abhängigkeitsverhältnis. Wenn ich als freier Künstler oder freie Künstlerin arbeite bin ich abhängig von Förderungen, bin ich in einem fixen Ensemble, bin ich abhängig vom Schauspielhaus. Und dieses Abhängigkeitsverhältnis macht etwas mit uns.
ALEXANDRA KRONBERGER: In dieser Branche wird man dadurch sehr oft in ein Konkurrenzdenken hineingedrängt. Man kämpft quasi mit den Ellbogen. Dabei wäre es viel klüger, wenn man sich gegenseitig unterstützt und kreativ zusammenarbeitet. Ich glaube das ist unsere Botschaft. Gemeinsam diesem "Kulturzirkus" entgegenzutreten.
"Geträumt wird in Fetzen" ist also ein Stück, das kulturelle Institutionen hinterfragt und auf die Schippe nimmt. Warum habt ihr euch für eine komödiantische Art entschieden?
ALEXANDRA KRONBERGER: Weil wir endmoralisierend sein wollten. Es war unser Ziel, aufzuzeigen, wie es in der Kulturbranche aussieht ohne mit erhobenen Finger auf alles zu zeigen. Wir machen uns daher über vieles lustig und arbeiten mit Klischees. Generell bin ich der Meinung, dass wir lernen müssen mehr Selbstironie zu haben, denn wenn wir das tun, wäre vieles in unserer Gesellschaft viel einfacher. Für die Schauspieler und Schauspielerinnen war das aber auch eine Herausforderung, vor allem weil die Aussagen, die in dem Stück überspitzt dargestellt wurden, ja tatsächlich von ihnen stammen und sie sich so vor dem Publikum quasi entblößt haben. Das stieß zu Anfang auf große Wiederstände, aber mittlerweile sind alle total cool und locker mit ihren Rollen. Und jetzt würde ich sagen "Ein Schmankerl jagt das nächste", so gut gefällt mir das Ergebnis.
Auch wenn das Stück hauptsächlich komisch ist, welche ernsten Themen habt ihr aufgearbeitet?
ALEXANDRA KRONBERGER: Ich glaub der größte Schwerpunkt liegt in dem Konkurrenzdenken das in der Theaterbranche gang und gäbe ist. In unserem Stück gibt es viele Streit-Szenarien und Wettkämpfe, die die Künstler und Künstlerinnen beschäftigen. Aber auch Themen wie Slutshaming, Altersdiskriminierung und das binäre Denkmuster sind Teil unseres Stücks. Besonders gegen Ende des Stücks kommt auch die fehlende Selbstbestimmung in der Kulturbranche zur Sprache.
Welche Schwierigkeiten und Chancen seht ihr für angehende Schauspieler und Schauspielerinnen?
ALEXANDRA KRONBERGER: Ich glaube der klassische Schauspielberuf, wie wir in kennen, ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist nicht mehr so, dass man eine Rolle einstudiert, sich aber von ihr distanzieren kann. Das Schauspiel und seine Formen entwickelt sich rasch weiter und die Künstler und Künstlerinnen müssen immer mehr von sich und ihrer eigenen Persönlichkeit einbringen. Aber in Österreich ist man da eher noch im Rückstand und so ist es auch die Ausbildung. Man lernt nicht, wie man damit umgeht sich selbst zu spielen oder eigene Erfahrungen einzubringen. Ich finde man müsste da einfach etwas freier im Kopf sein.
Wie haben denn die Träume der befragten Schauspieler und Schauspieler ausgesehen, gibt es Trends?
PHILIPPA KRONBERGER: Die Traumrollen und Träume unserer Mitwirkenden waren alle ganz unterschiedlich, doch alle waren sich einig, dass man zwar groß träumen kann, man aber nicht die Realität aus den Augen lassen sollte. Einer sagte zum Beispiel: "Ein Oskar wäre schön. Den nehme ich auch, aber man muss auch realistisch bleiben." Worin sie auch einer Meinung waren, war, dass man seine Träume wenn es sein muss auch über einen unkonventionellen Weg erreichen kann und will. Es ist quasi bei allen ein pragmatischer Ansatz zu erkennen.
ALEXANDRA KRONBERGER: Was vielleicht auch daran liegt, das unsere Schauspielschüler und -schülerinnen an einer berufsbegleitenden Uni studieren und damit quasi schon einen Plan B haben, falls es nicht klappt. Sie sind nicht so abhängig von der Erfüllung des großen Traums.
Wie war die Zusammenarbeit an diesem Stück für euch als Schwestern?
PHILIPPA KRONBERGER: Die war super und das sag ich jetzt überhaupt nicht sarkastisch. Natürlich hat man immer wieder die eine oder andere Auseinandersetzung, aber wir kennen uns sehr gut und wissen wie der andere tickt. Ich weiß zum Beispiel, dass bei Alexandra die Ideen nur so sprudeln, sie sich aber schwer tut, diese Ideen festzuhalten oder zu strukturieren. Da komme ich ins Spiel. Ich versuche ihre Gedanken zu entwirren und zu verschriftlichen. Was auch spannend ist, ist, dass viele Prozesse bei uns telefonisch stattfinden, weil wir nicht am selben Ort wohnen.
Wie würdet ihr euer Stück in wenigen Worten beschreiben?
ALEXANDRA KRONBERGER: Ein kritisches Augenzwinkern mit Herz.
Welche Traumrollen habt ihr selbst?
ALEXANDRA KRONBERGER: Ich würde total gern Dr. Frank N. Furter von The Rocky Horror Picture Show spielen, aber mir ist klar, dass die Umkehrung dieser Rolle in unserer Gesellschaft nicht funktioniert. Daher wird es eine Traumrolle bleiben.
PHILIPPA KRONBERGER: Ich wär gerne Wednesday aus der Adams Family, weil alle sagen, dass es keine passendere Rolle für mich gibt. Ich bin auch manchmal sehr mürrisch und trete Menschen sehr kritisch gegenüber, habe aber ein Herz für die, die mir wichtig sind.
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