Wechsel in den Verbund-Vorstand
Standort-Landesrat Michael Strugl: Endgültiger Abschied aus der Politik
Oberösterreichs Standort-Landesrat Michael Strugl wechselt zu Jahresende in den Vorstand des Energieversorgers Verbund. Im Interview mit der BezirksRundschau zieht er Bilanz und prognostiziert noch eine längere Wachstumsphase der Wirtschaft. Die Arbeit der Bundesregierung sieht er grundsätzlich positiv. Heftige Kritik übt er jedoch daran, dass die tägliche Bewegungsstunde für Schulkinder nicht vorangetrieben und dem Thema zu wenig Bedeutung zugemessen wird.
Was bleibt vom Politiker Michael Strugl in Oberösterreich?
Zusammengefasst, dass wir als Standort und wirtschaftlich wieder auf die Überholspur zurückgekehrt sind. Ich habe am 8. April 2013 das Amt übernommen, damals waren die Ausläufer der Wirtschaftskrise noch stark spürbar. Wir hatten praktisch kein Wachstum und eine Stagnation bei den Investitionen, eine ständig steigende Arbeitslosigkeit – das war eine schwierige Zeit. Ich war noch gar nicht richtig im Amt, als eine Serie von Großinsolvenzen Oberösterreich richtig durchgebeutelt hat, angefangen bei der Alpine mit 1000 Leuten, die über Nacht auf der Straße gestanden sind. Es ist Schlag auf Schlag gegangen und binnen kürzester Zeit waren 2200 Leute arbeitslos. Wir haben rasch reagieren müssen und das war die erste Bewährungsprobe. Am Ende des Jahres waren von den 2200 Leuten nur mehr 104 noch ohne Arbeit.
Nicht die einzige Herausforderung 2013 ...
Ja, kurz darauf kam das gewaltige Hochwasser, das uns gleich einmal die Sommersaison im Tourismus zerstört hat. Ich bin zu den Betrieben gefahren, die waren am Boden zerstört, im wahrsten Sinne des Wortes. Und viele sagten, dass sie gar nicht mehr weitermachen wollen. Wir haben es geschafft, zusammengeholfen, dass die Betriebe innerhalb kürzester Zeit wieder super dagestanden sind. Wir haben mit einer eigenen Kampagne in den Herkunftsländern unserer Gäste geworben, dass sie jetzt wieder kommen können, dass alles zusammengeräumt ist – und haben damit eigentlich die Sommersaison gerettet. Womit wir damals sehr gekämpft haben, war, dass überhaupt nix investiert worden ist. Ich habe eine Wachstumsinitiative gestartet, eine Task Force Investitionen eingesetzt.
Niedrigster Arbeitslosigkeit,
höchstes Wachstum
An Investitionen mangelt es derzeit nicht ...
Jetzt im ausgehenden Jahr 2018 haben wir mit 4,4 Prozent wieder die niedrigste Arbeitslosigkeit in Österreich, mit 3,2 Prozent das höchste Wachstum in Österreich, mit fast vier Prozent ein signifikantes Wachstum bei Investitionen. Wir sind also wieder auf der Erfolgsspur. Und wir haben natürlich versucht, für die Standortpolitik die Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Wir haben ein Standortressort geschaffen, das in seiner Konzeption ein USP in Österreich ist, weil wir alle wesentlichen Standortkompetenzen in ein Ressort gebündelt haben – und ich glaube, das hat sich sehr bewährt. Und wir haben mit der Schuldenbremse in der Finanzpolitik die Voraussetzung geschaffen, dass wir wirklich die Spielräume bekommen, um zu investieren. Wir haben 100 Millionen in den Breitbandausbau gesteckt, nur Landesgeld. Gleichzeitig hat Oberösterreich die meisten Mittel aus der Breitbandmilliarde des Bundes abgeholt. Wir haben Forschungsleuchttürme errichtet, Silicon Austria nach Oberösterreich geholt, die LIT Factory bekommen, mit Symbiotics Mechatronics ein Spitzenforschungsinstitut in Mechatronik gestartet. Wir haben mit dem Sepp Hochreiter eine wirkliche Koryphäe am Standort halten können – mit einem eigenen Artificial Intelligence-Lab am neuen LIT. Wir haben die Linzer Uni massiv unterstützt und dort die Entwicklung vorangetrieben. Wir haben acht neue Studiengänge an der Fachhochschule mit MINT-Fächern und Digitalisierungsthemen. Wir haben echt geschaut, dass das Innovationssystem am Standort weiterkommt. Und ich glaube, wir sind auf einem richtigen Weg. Wir wollen von einem guten Mittelfeldplatz wieder an die Spitze. Dort sind wir noch nicht. Aber wir haben große Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht. In einzelnen Bereichen, etwa der digitalen Readyness liegen wir, wenn man Oberösterreich mit den 28 EU-Staaten vergleicht, auf Platz sieben. Bei der Logistik sind wir schon eine der führenden Regionen geworden, in der Forschung inzwischen auf einem Spitzenplatz.
Champions League ist das Ziel
Kommt Oberösterreich jemals in die Champions League?
Es ist jedenfalls unser Ziel. Beim LASK hat niemand daran geglaubt, dass der Verein jemals wieder an die Spitze kommt, als wir in Schwanenstadt auf der Tribüne gesessen sind und Regionalliga gespielt haben. Jetzt sind wir Zweiter und spielen international. Genauso wird es mit dem Standort sein, wenn man diese Bemühungen konsequent vorantreibt, wird das möglich sein.
Sie sprechen immer noch von "unserem Ziel", obwohl der Wechsel in die Privatwirtschaft kurz bevorsteht – wie läuft die Abnabelung von der politischen Rolle?
Aus der Politik scheide ich aus, werde nicht mehr tätig sein oder die Politik kommentieren. Aber ich leiste meinen Beitrag an anderer Stelle, dass Österreich und auch Oberösterreich diese Stärke und Wettbewerbsfähigkeit auch in der Zukunft haben soll. Die Energiepolitik ist eine Schlüsselfrage in der Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes. Und da kann man im größten Energieversorgungsunternehmen Österreichs, das in Oberösterreich mit Kraftwerksstandorten sehr prominent vertreten ist, auch was tun.
Will ein Verbund-Vorstand Michael Strugl Verbund und Energie AG auch wieder näher zusammenführen – nach dem Vorbild der österreichischen Stromlösung, die im Jahr 2000 angestrebt wurde?
Bevor ich nicht in meine Funktion eintrete, möchte ich mich dazu nicht äußern. Aber Faktum ist: Der Verbund ist ja an der Energie AG beteiligt, hat mit einer Reihe von Standorten eine Verbindung nach Oberösterreich, hat mit der Netzgesellschaft im Übertragungsbereich wesentliche Aufgaben in Oberösterreich. Daher wird man immer eine gute Zusammenarbeit brauchen und haben. Wie sich das konkret ausgestaltet, wird man sehen. Oberösterreich ist jedenfalls auch in der Elektrizitätswirtschaft ein ganz, ganz wichtiger Standort.
Endgültiger Abschied aus der Politik
Ist der Abschied aus der Politik ein endgültiger?
In meiner Lebensplanung ist das ein endgültiger Abschied.
Gäbe es kein politisches Amt, das Sie noch reizt?
Nein, mein Plan ist, dass ich in dem Unternehmen meine ganze Kapazität einbringe.
Zenit erreicht, aber Wachstumsphase hält an
Noch sind Sie für den Standort Oberösterreich politisch verantwortlich – wie wird sich die Wirtschaft entwickeln?
Generell rechnet man mit einer leichten Abschwächung des Wachstums, hauptsächlich durch internationale Risikofaktoren – der Handelskonflikt zwischen China und den USA oder der Brexit. Trotzdem gehe ich davon aus, dass wir noch eine längere Wachstumsphase haben. Jetzt war sicher einmal der Zenit erreicht. Aber es ist eine einigermaßen stabile Entwicklung. Und besonders erfreulich ist: Österreich liegt dabei vorne, und Oberösterreich hat in Österreich eine führende Rolle. Das zeigt: Man kann regionalpolitisch etwas tun, um Effekte zu verstärken, wenn man seine Hausaufgaben macht – und ich glaube, die haben wir gut gemacht. Deshalb bin ich relativ zuversichtlich für die nächsten Jahre.
Man kann es in der Politik nicht allen Recht machen und ich bin der Meinung, dass man das auch gar nicht soll.
Was wird Ihnen beim Wechsel aus der Politik in die Privatwirtschaft nicht abgehen?
Manche parteipolitische Streitereien, die eigentlich kontraproduktiv sind. Und was mich immer geärgert hat: Wenn es in der Politik einen Opportunismus und Populismus gibt, der nicht die Sache im Auge hat, sondern wo populistisch argumentiert wird. Ich habe mich immer bemüht, zu sagen was Sache ist – auch wenn es nicht populär war. Damit macht man sich nicht immer und überall beliebt. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass man es in der Politik nicht allen Recht machen kann und bin auch der Meinung, dass man das gar nicht soll.
Und was werden Sie vermissen?
Neben den vielen Begegnungen auf menschlicher Ebene und den spannenden Erlebnissen in fachlicher und sachlicher Hinsicht, wird mir die große Bandbreite dieses Standortressorts abgehen. Wir haben von Wirtschaft über Arbeitsmarkt, Forschung, Wissenschaft, Energie, Tourismus, Regionalentwicklung, Raumordnung, Beteiligungsmanagement des Landes bis hin zum Sport eine unglaubliche Bandbreite – und das hat Freude gemacht. Und das gibt es sonst nirgends – auch nicht in meinem neuen Job, obwohl der auch sehr spannend und interessant ist.
Zwischen sechs und acht Millionen gibt das Sportministerium aus – was für mich ein bissl eine Chuzpe ist. Denn eigentlich gehört das ins Gesundheitsministerium oder ins Bildungsressort und nicht ins Sportressort.
Strugl zum Stopp der Ausweitung der Bewegungsstunde in den Schulen.
Sport ist ja ein Herzensanliegen, speziell die tägliche Turnstunde, deren Umsetzung jetzt allerdings ins Stocken gekommen ist ...
Das ist eins der Dinge, bei denen ich mir mehr erhofft habe. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass unsere Kinder das brauchen. Ich halte es für dramatisch, wenn wir es nicht schaffen, im schulischen und vorschulischen Bereich ein ausreichendes Bewegungsangebot zu verankern – in einer Zeit, in der ohnehin eine Bewegungsarmut die motorische Entwicklung unserer Kinder bremst. Auf Bundesebene sagt man, die ursprünglich geplante Ausweitung ist jetzt gestoppt, man fährt auf dem Niveau auch budgetär weiter. Zwischen sechs und acht Millionen gibt das Sportministerium aus – was für mich ein bissl eine Chuzpe ist. Denn eigentlich gehört das ins Gesundheitsministerium oder ins Bildungsressort und nicht ins Sportressort. Aber ok, vielleicht findet man noch einen Weg auf Bundesebene. Für die Kinder wäre es sehr wichtig. Wir wissen, dass die motorische Entwicklung mit der intellektuellen Entwicklung einhergeht. Wir wissen, dass das nicht nur ein Gesundheitsthema ist sondern auch eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung. Und ich kann nur hoffen und appellieren, dass man auf Bundesebene wieder einen Weg findet, dass man das unterstützt. Wir selbst haben im Land Oberösterreich sportmotorische Tests an Volksschulen gemacht, das kommt super an. Am Anfang hieß es: Das geht nicht, wird schwierig. Aber gleich im ersten Jahr hatten wir 190 Volksschulen dabei, im zweiten 280. Wir testen 12.000 Kinder im Jahr. Das ist eine wirkliche Erfolgsstory und deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass wir das mit der Bewegungsstunde nicht hinkriegen.
Gute Noten für die Bundesregierung
Ein Kritikpunkt an der Bundesregierung – wie sehen Sie insgesamt die Performance?
Diese Bundesregierung hat im Gegensatz zur Vorgängerregierung gezeigt, dass man Reformen angehen kann – auch wenn es Widerstände gibt. Es ist nicht leicht in einem Staat wie Österreich, der föderal und zentral gleichzeitig ist, wo es sehr viele Akteure und Stakeholder gibt, dass man einen gemeinsamen Nenner findet. Aber so wie es bisher war, dass der gemeinsame Nenner gleichzeitig der kleinste Nenner ist, das ist zu wenig und führt zu Stillstand. Da hat die aktuelle Regierung Biss gezeigt und macht das meiner Meinung nach gut. Das mit der täglichen Bewegungsstunde schmerzt mich, aber daran würde ich nicht die Regierung messen wollen.
In die Politik soll man hineingehen können und man soll wieder hinausgehen können. Und das ist ein bisschen ein Problem in Österreich – und zwar nur in Österreich.
Gerade zu Beginn gab es in Richtung der ÖVP die Kritik, dass die Regierungsmitglieder wenig oder gar nicht politikerfahren seien.
Jetzt sind sie Politiker. Und ich finde, dass es gut ist, wenn Politik ein durchlässiges System ist. Man soll hineingehen können, man soll wieder hinausgehen können. Und das ist ein bisschen ein Problem in Österreich – und zwar nur in Österreich. Es bringt was, wenn man diese Durchlässigkeit sichert. Sonst wird die Politik eine Blase, wenn wir am Ende des Tages nur noch Berufspolitiker haben, die das ein Leben lang machen. Es gibt Ausnahmen: Bei einem Landeshauptmann macht das schon Sinn. Aber alles, was darunter ist, sollte eine Mischung und einem Wechsel ausgesetzt sein. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht: Wenn man wieder rausgeht, wird einem das auch nicht leicht gemacht. Da gibt es dann eine Diskussion, ob das überhaupt geht. Das halte ich für problematisch.
Normenflut und Niederregulierung durch Juristen und Verfassungsrechtler
Mit der einen oder anderen Gesetzesvorlage hat die Regierung aber nicht unbedingt ein gutes Bild abgegeben – Stichwort Standortentwicklungsgesetz mit dem Genehmigungsautomatismus.
Es war sicher überschießend und ist ja auch korrigiert worden. Es ist aber auch geradezu systemtypisch, wie mit sowas umgegangen worden sind. Wer waren die Bedenkenträger in der ersten Reihe: Es waren die Juristen und Verfassungsrechtler – diejenigen, die dafür sorgen, dass der Staat mit einer Normenflut alles und jedes niederreguliert. Auf einen groben Klotz gehört manchmal auch ein grober Keil – auch wenn es absehbar war, dass man mit so einer Regelung nicht durchkommt. Es ist aber auch nicht schlecht, wenn man sich einmal grundsätzlich darüber unterhält, ob denn das alles noch gescheit ist, was wir im System hat. Und da hat die Regierung meiner Meinung nach richtigerweise gesagt: Überlegen wir uns was. Und dieses Standortsicherungsgesetz war nicht in allen Details der Weisheit letzter Schluss. Aber der Ansatz, zu sagen, irgendwann muss man mal gegen diese Überregulierung gegensteuern. Wie heute ein Projekt wegen überzogener Verfahren verzögert wird, über Jahre und sogar Jahrzehnte, da muss ich sagen: Da stimmt was nicht im Staate Österreich. Deshalb: Der Gedanke war richtig, die Ausführung vielleicht nicht in allen Details gescheit, aber insgesamt sehe ich es positiv.
Bis jetzt bin ich der Meinung, sie machen eindeutig mehr richtig als falsch.
Strugl zur Performance der Bundesregierung
Das heißt, die Entwicklung auf Bundesebene geht für Sie in die richtige Richtung?
Ich glaube, dass es notwendig war, dass man was anders macht auf Bundesregierungsebene. Jede Regierung hat natürlich ihre Kritiker. Für mich ist immer interessant, was unterm Strich steht: Machen Sie mehr falsch als richtig oder machen sie mehr richtig als falsch. Und bis jetzt bin ich der Meinung, sie machen eindeutig mehr richtig als falsch. Daher finde ich die Regierung grundsätzlich gut. Da kann man sich noch darüber unterhalten, ob mir alles im Detail gefällt. Da gibt es auch aus der oberösterreichischen Perspektive Kritikpunkte, das haben wir erlebt im vergangenen Jahr. Auch das gehört dazu. Aber in der Summe ist es kein Zufall, dass grosso modo die Bevölkerung dem Agieren der Regierung mehrheitlich zustimmt. Und das war nicht immer so.
Werden Sie künftig weniger arbeiten müssen?
Ich gehe davon aus, dass es auch in der neuen Aufgabe keine 40-Stunden-Woche wird. Was vielleicht der Unterschied ist: Man ist von den Terminen nicht so fremdbestimmt wie in der Politik. Damit kann man auch seine Lebensqualität verbessern. Aber weniger Arbeit werde ich, glaube ich, nicht haben.
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