Vivatis-Chef Hackl
115 Lieferanten für einen Müsliriegel

Vivatis-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl: Gute Grundideen bei Green Deal und Renaturierungsgesetz, aber durch Regulierungen und Dokumentationsvorschriften zerstöre die EU die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.  | Foto: MeinBezirk Oberösterreich/Siegl
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Gerald Hackl ist Vorstandschef des Lebensmittelkonzerns Vivatis, zu dem bekannte Marken wie Maresi, Inzersdorfer Knabernossi gehören, und dessen Tochter Gourmet auch Marktführer in der Gemeinschaftsverpflegung in Kindergärten, Schulen, Unternehmen oder Spitälern ist.  Im Interview mit MeinBezirk Oberösterreich-Chefredakteur Thomas Winkler sprach Hackl über die Entwicklung der Lebensmittelpreise, die Trends in der Branche und übte heftige Kritik an den Regulierungen und Dokumentationsvorschriften der EU. 

MeinBezirk Oberösterreich: Wie entwickelt sich das Geschäft nach den sicher schwierigen vergangenen Jahren?
Gerald Hackl: Wir sind zufrieden, obwohl es eine Riesenherausforderung ist. Wir werden heuer 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro Umsatz machen. Man erinnert sich ja gar nicht mehr an die Covid-Krise, mit den Hamsterkäufen im Lebensmittelhandel, derentwegen wir Tag und Nacht produzieren mussten, um die Regale zu füllen. Und auf der anderen Seite sind uns wegen der Schließungen von Schulen, der Gastronomie und Hotellerie ganze Geschäftsmodelle vollkommen weggebrochen. Wir haben in dieser Zeit 200 bis 300 Millionen Euro Umsatz verloren. Dann hatten wir Covid im Griff, und es wurde dieser furchtbare Krieg begonnen, der uns im Nachhinein gesehen noch mehr getroffen hat, als Covid. Plötzlich waren Rohstoffe nicht mehr verfügbar, und wenn, zu nicht darstellbaren Preisen. Ein Beispiel: Wir brauchen ja sehr viel Speiseöl – und die Ukraine ist einer der größten Sonnenblumenölproduzenten. Wegen des Kriegs hatten wir plötzlich 20 Millionen Euro Mehrkosten nur für Speiseöl. 2020 waren wir als Lebensmittelproduzenten die Heros, bei denen sich der Bundeskanzler im Fernsehen bedankt hat, und dann auf einmal die Bösen, die Inflationstreiber. Dabei fußen alle Teuerungen auf den Energiepreisen, die sich zum Teil verzehnfacht haben. Wir Lebensmittelproduzenten haben deutlich weniger verdient, der Handel hat weniger verdient, die Landwirtschaft hat weniger verdient.

Wo liegen die Kosten heute im Vergleich zum Niveau vor dem Krieg?
Immer noch um 30 bis 40 Prozent darüber, manche Rohstoffe sogar um 50 Prozent. Es sind ja auch die Energiepreise immer noch deutlich höher, als davor. 

Mehr Geld für Alk, Tschick, Zeitschriften und Lotto

Vivatis-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl: "Es wird in Österreich mehr ausgegeben für Alkohol, Tabak, Zeitschriften und Lotterie als für Lebensmittel." | Foto: MeinBezirk Oberösterreich/Siegl
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Die stark gestiegenen Lebensmittelpreise haben für heftige Kritik gesorgt.
Ja, die Lebensmittelpreise sind gestiegen, zum Teil massiv. Aber schauen wir uns auch an, wofür Geld ausgegeben wird: Das meiste fürs Wohnen, an Stelle zwei kommt die Mobilität, das Auto. An dritter Stelle liegen schon Freizeit und Urlaub. Und erst auf Platz vier liegen mit 10 bis 12 Prozent des Haushaltseinkommens die Lebensmittel. Es wird in Österreich mehr ausgegeben für Alkohol, Tabak, Zeitschriften und Lotterie als für Lebensmittel. Die Kritik an uns als Lebensmittelproduzenten hat insofern weh getan, als wir in Österreich produzieren, wir verarbeiten mehr als 100.000 Tonnen an österreichischen Rohstoffen – egal ob Fleisch, Milch, Obst und Gemüse. Wir haben die Wertschöpfung in Österreich, wir zahlen hier Steuern, wir zahlen unsere 4.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen auch vor allem jene in den unteren Einkommensschichten schwer von der Teuerung betroffen waren. Wir haben deshalb gezielt an sie Teuerungsprämien ausbezahlt, jedes Jahr weit über eine Million Euro. 

Von manchen Seiten heißt es, dass Lebensmittel zu billig seien, angesichts dessen, was weggeschmissen wird.
Es ist fast eine Million Tonnen im Jahr, die an Lebensmitteln weggeschmissen wird. Da reden wir von einem Lkw-Zug von Wien bis Zürich. Damit könnte man die Menschen, die sich Lebensmittel nicht mehr leisten können, leicht versorgen. Wir machen als Vivatis in dieser Hinsicht viel, haben zuletzt wieder 100.000 Euro an Sozialmärkte gespendet. 

Lebensmittelpreise werden teils noch steigen

Vivatis-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl: Preise für Lebensmittel werden insgesamt nicht mehr sinken. Milchprodukte könnten billiger werden, einzelne Erzeugnisse aber auch teurer, weil die Kostensteigerungen bisher nicht weitergegeben wurden. | Foto: MeinBezirk Oberösterreich/Siegl
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Wie geht es mit den Lebensmittelpreisen weiter?
Das Niveau wird nicht wieder massiv sinken, es wird nur punktuelle Senkungen, etwa im Molkerei-Bereich geben. Auf der anderen Seite wird es Preissteigerungen brauchen, wir haben noch nicht alles an höheren Kosten weitergeben können. Wir hatten im letzten Jahr 170 Millionen Euro an Mehrkosten, von denen rund 30 Millionen bei uns hängen geblieben sind. Natürlich muss man effizienter werden, einsparen – aber irgendwann ist die Luft draußen, und man muss das weitergeben. Wir müssen ja auch Geld verdienen, um wieder in neue Anlagen, Personal, Technologie, Innovation investieren zu können.

Die Arbeiterkammer kritisiert immer wieder das in Österreich im Vergleich zu Deutschland höhere Preisniveau bei Lebensmitteln.
Man vergleicht da Äpfel mit Birnen, weil wir in Österreich ganz andere Voraussetzungen haben. Angefangen bei höheren Steuern, höheren Gehältern. Dazu haben wir eine andere Topografie – und selbst der hinterste Teil wird von einem Lebensmittelmarkt versorgt. 40 Prozent der Lebensmittel in Österreich werden in Aktion verkauft – in Deutschland sind es nur 10 Prozent. Das wird bei den Preisvergleichen aber nicht berücksichtigt. 

Aus der Landwirtschaft heißt es, dass durch die Teuerungen wieder der Preis die Faktoren Bio und Regionalität in den Schatten stellt.
Bio ist bei uns relativ stabil, in der Gemeinschaftsverpflegung für Schulen, Kindergärten, Unternehmen hat der Bio-Anteil stark zugenommen, da liegen wir weit über 50 Prozent, ebenso bei der Regionalität. Massiv zugelegt hat der Trend zur Eigen- oder Diskontmarke im Lebensmittelhandel. 

Vivatis-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl: "Fertigprodukte werden auch in der Gastronomie wichtiger, weil die Köche fehlen." | Foto: MeinBezirk Oberösterreich/Siegl
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Fertigprodukt schlägt frisch Zubereitetes

Hält der Trend zu Fertigprodukten weiter an?
Ja. Trotz aller Kochrunden und ähnlichem sind Fertig- und Convenience-Produkte im Trend. Weil sich bei der Qualität viel getan hat. Heute kannst du nicht mehr irgendwas mit E-Nummern und Konservierungsstoffen produzieren. Das sind hochwertige Produkte, die auch in der Gastronomie eine immer wichtigere Rolle spielen, weil dort die Köche fehlen. Es ist nicht anders, als wenn die Mutter zu Hause vorkocht und das Ganze dann einfriert oder kühlt. Wir produzieren mit Toni Kaiser 16 Millionen Germknödel im Jahr, hauptsächlich für Skihütten. Oder Kaiserschmarren. Und wir gewinnen damit viele Blindverkostungen auch gegen frisch Zubereitetes. Wir haben in unseren Produkten nur österreichische Zutaten – außer das, was es bei uns halt nicht gibt. Etwa zu 100 Prozent österreichisches Huhn. Wir sind ein großer Partner der österreichischen Landwirtschaft. 

Wie wichtig sind vegetarische und vegane Produkte?
Das ist ein Trend, hatte in den Krisenzeiten aber ein bisschen einen Einbruch. Es wird vom Lebensmittelhandel massiv getrieben. Der Hype bei Fleischersatzprodukten ist aber vorbei, die hat der Konsument nicht angenommen.

So bald keine Insektenburger

Eine "Enkeltochter" der Vivatis erzeugt Proteinpulver für Futtermittel aus Insektenlarven. Wird auch am Einsatz von Insekten in Lebensmitteln für Menschen gearbeitet?
Wir tun das derzeit gar nicht, absolut nicht. Ich glaube, dass unsere Kultur noch nicht so weit ist, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre etwa Insektenburger die breite Masse ansprechen. Die "Enkeltochter", Ecofly, ist aber ein faszinierendes Kreislaufwirtschafts-Unternehmen. Es steht für hunderprozentige Nachhaltigkeit. Biertrebern, Erdäpfelschalen von Efko oder Weizenkleie werden dort an schwarze Soldatenfliegen verfüttert. Die vermehren sich, verzehntausendfachen dabei innerhalb von zwei Wochen ihr Gewicht und liefern hochwertiges Protein. Wir wollen heuer 2000 Tonnen davon produzieren, bis 2026 dann 10.000 Tonnen. Das Einzige, was in dem Prozess übrig bleibt, ist ein Substrat, das als Biodünger in der Landwirtschaft verwendet werden kann. 

Vivatis-Vorstandsvorsitzender Gerald Hackl im Gespräch mit MeinBezirk Oberösterreich-Chefredakteur Thomas Winkler:  "Ich habe gerade wieder einen Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens mit 236 Seiten auf den Tisch bekommen. Das schaut sich doch niemand an, und davon werden Tausende produziert und dann weggeschmissen. Was ist daran sinnvoll?" | Foto: MeinBezirk Oberösterreich/Siegl
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"Fast immer mit einem Fuß im Häfn"

Das Renaturierungsgesetz hat in Österreich für eine heftige politische Auseinandersetzung gesorgt. Ein Argument dagegen war eine angebliche Gefährdung der Lebensmittelversorgung in Österreich. Ist das nachvollziehbar?
Ich traue mir dazu kein Urteil zu, das können Experten besser einschätzen. Die Grundidee, egal ob beim Green Deal oder beim Renaturierungsgesetz, ist gut. Das Problem sind die vielen Regulierungen und Dokumentationsvorschriften, die immer vom Staat auf die Unternehmen abgeschoben werden. Ich habe gerade wieder einen Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens mit 236 Seiten auf den Tisch bekommen. Das schaut sich doch niemand an, und davon werden Tausende produziert und dann weggeschmissen. Was ist daran sinnvoll?
Europa macht hier einen Riesenfehler, das ist wirklich Wahnsinn. Man kann zu Amerika stehen, wie man will, sie sind auch beim Umweltschutz weit hinten, aber sie machen einfach. Wir sind das andere Extrem. "Zweng und zvü is Narrn-Zü", hat meine Mutter immer gesagt. Wir verkaufen kein Stück mehr, verlieren nur an Wettbewerbsfähigkeit. Und heute dürftest du ja nicht mal mehr Unternehmer sein. Wurst, was du machst, du sitzt ja fast immer mit einem Fuß im Häfn. Das Lieferkettengesetz ist einer der Höhepunkte: Wir dokumentieren eh schon viel. Woher Fleisch und Milch herkommen, ist alles durchdokumentiert und rückverfolgbar. Aber schätzen Sie mal, wie viele Lieferanten ein normaler Müsli-Riegel hat?

115 Lieferanten für einen Müsliriegel

Vielleicht 20?
Es sind 115 Lieferanten, von den Rohstoffen bis zur Verpackung. Und jetzt stellen Sie sich vor, was das Lieferkettengesetz bei den tausenden Artikeln, die wir herstellen, für uns heißt. Wir sind Gott sei Dank in Österreich einer der größten Lebensmittelproduzenten, wenn auch international klein. Wir kommen da schon irgendwie durch. Aber auf der Agenda unserer Vorstandsitzung stehen jeden Montag Themen wie Nachhaltigkeit, Dokumentation oder Ähnliches. Das besprechen wir durch, aber wir reden nicht über Zukunftsprojekte. Damit verlieren wir an Wettbewerbsfähigkeit, weil wir uns mit zig Regularien beschäftigen müssen. Das bekommen viele Bürgerinnen und Bürger nicht mit. Europa wird sich damit immer mehr schwächen, und deshalb hoffe ich auf die nächste Legislaturperiode auf europäischer Ebene. Die Politiker müssten eine Vorgabe bekommen, dass sie 30 Prozent der Vorschriften wegbringen müssen.


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