Coronavirus
Kinder wenig ansteckend: Kinderärzte und Studien

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Zuerst war angenommen worden, Kinder seien mit Coronavirus genauso ansteckend wie mit Grippe. Doch rasch stellte sich durch einige Studien heraus, dass das Gegenteil der Fall ist. Am Donnerstag machte ein Team um den deutschen Virologen Christian Drosten Schlagzeilen: "Kinder wohl so ansteckend wie Erwachsene" - so lautete das Zwischenfazit einer Studie. Dagegen gibt es viel Kritik, auch von Kinderärzten.
Kritik von Fachärzten
So wendet sich Prof. Matthias Keller, Chefarzt der Kinderklinik Dritter Orden in Passau und Vorstand der Süddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (SGKJ), in einem gemeinsamen Statement der Klinik und der SGKJ an die Öffentlichkeit. Die Kritik begründet er vor allem darin, dass die Studie keine Aussage über die Ansteckung, sondern nur über die Viruslast zulasse - dies aber anders kommuniziert worden sei.
"Wir wissen, dass die Infektionsgefahr von Kindern 70 Prozent weniger ist, als bei Erwachsenen", bezieht sich Keller in einer Video-Botschaft auf eine neue Studie aus China. Weil die Datenlage auch zeige, dass Kinder weniger an Covid-19 erkranken, sei unter Abwägung ethischer Gesichtspunkte eine "weitere absolute Schließung von Grundschulen und Kindertagesstätten nicht gerechtfertigt", heißt es in der Stellungnahme der SGKJ.
Die Studie aus China schätzt zumindest das Ansteckungsrisiko kleiner ein. Sie besagt, dass Kinder bis 14 Jahren nur ein Drittel so hohes Risiko hätten wie Erwachsene, sich anzustecken. Hingegen haben Senioren ab 65 Jahren ein um fast die Hälfte höheres Risiko sich anzustecken als die mittlere Generation. Die chinesischen Forscher testeten dazu alle Kinder und Erwachsenen in der Provinz Hunan während 14 Tagen, von denen bekannt war, dass sie einen engen Kontakte mit an Covid-19-Erkrankten gehabt hatten.
Dieses Ergebnis relativiert laut den Forschern den Nutzen von Schulschließungen und Sperren von Kinderspielplätzen. Allgemein striktes Abstand halten wie in den chinesischen Städten praktiziert sei wirksamer.
Kritik vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit BAG
In dieselbe Richtung argumentiert am Donnerstag auch Daniel Koch vom BAG vor den Medien in Zürich: "Die Studie hat keinen Einfluss auf die angekündigte Öffnung der Schulen." Kinder seien selten infiziert und daher nicht Treiber des Virus. Laut Koch zeigt das auch ein Blick auf andere Länder, wo die Schulen nicht geschlossen wurden.
Diese Meinung vertrat Daniel Koch seit längerem: Kinder steckten sich seltener an. Die Frage ist, ob sie, wenn sie erkrankt sind, das Virus auch seltener übertragen - und das Risiko deshalb vertretbar ist, wenn Großeltern Kinder umarmen. Hier sieht Daniel Koch die Gefahr bei unter 10-Jährigen gleich null.
Ähnlich äußert sich Prof. Detlev Krüger, der 27 Jahre die Virologie an der Charité Berlin geleitet hatte, bevor Drosten 2016 sein Nachfolger wurde, im Interview: "Es wird ja gesagt, dass die Großeltern meist keine Gefahr für ihre Kinder sind, sondern andersrum Kinder eine Gefahr für Oma und Opa seien. Wenn die Großeltern aber bereit sind, die normalen Hygieneregeln einzuhalten und dieses Restrisiko zu tragen, sehe ich nicht, warum Sie die Großeltern zu deren vermeintlichem Schutz aus der Familie ausschließen sollten."
Mehr Studien attestieren Kindern geringere Infektiosität
Aber auch früher kommunizierte Studien machen deutlich, dass das Risiko, das von Kindern ausgeht, sehr gering ist. Eine australische Studie in 15 Schulen mit 863 Kindern und Bediensteten, die Kontakt hatten je 9 infizierten Schülern und Lehrern, fand nur zwei Übertragungen auf Kinder aber keine auf Lehrer. Mehr dazu hier.
Laut einer Modellierung des Imperial College London haben in Großbritannien Schulschließungen die Zahl der COVID-19-Todesfälle um nur 2–4% gesenkt. In einer am 6. April in 'The Lancet Child&Adolscent Health' veröffentlichten systematischen Überprüfung durch Russell Viner und Kollegen wurden die Ergebnisse von 16 Studien bewertet, in denen die Auswirkungen von Schulschließungen auf Coronavirus-Ausbrüche in China, Hongkong und Singapur untersucht wurden. Die Studie findet wenig Nutzen von Schulschließungen. Mehr dazu hier.
Eine Metananalyse (Zhu et al, MedRxiv, 26.3.20) hat versucht, die Rolle der Kinder für die Ausbreitung der Epidemie zu erfassen. Die Autoren haben insgesamt 31 publizierte kleine Krankheitsausbrüche in Familien untersucht. Sie entdeckten, dass bei weniger als 10% dieser Ausbrüche (3/31) ein Kind die Quelle der Covid-19 Übertragungen war.
Eine weitere Arbeit wurde von Davies et al auch im MedRxiv am 27.3.20 publiziert. Diese Autoren haben die Folge der deutlich reduzierten Symptomrate bei Kindern untersucht. Während sich die Ausbreitung von Influenza durch das Schließen von Schulen deutlich verzögern lässt, ist ein solcher Effekt bei Covid-19 nur noch marginal nachweisbar. Mehr dazu hier.
Coronavirus: Kinder selten infiziert und verbreiten Virus kaum
Nutzen von Schulschließungen bei Bekämpfung der Coronakrise gering
Rasche Schulöffnung vermeidet weitere Schäden für Kinder
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