Pflegeheime in NÖ
Pflegekräfte erheben Vorwürfe gegen SeneCura
In mehreren SeneCura-Heimen sollen Einsparungen zu Engpässen bei Versorgung und Pflegeprodukten führen. Der Betreiber bestreitet die Vorwürfe, doch die Stimmen aus dem Personal häufen sich.
NÖ. In Niederösterreich betreibt SeneCura mehrere Sozialzentren, die eine breite Palette von Dienstleistungen für ältere Menschen anbieten. Diese Einrichtungen sind in ganz Niederösterreich angesiedelt, unter anderem in Städten wie Krems an der Donau, Pressbaum und Traiskirchen. Darüber hinaus sind die Rehazentren in Prein an der Rax, Kleinzell, Perchtoldsdorf und Wiener Neustadt darauf spezialisiert, Patienten nach Erkrankungen oder Operationen eine umfassende Rehabilitation zu ermöglichen.
Anonyme Berichte aus dem Pflegepersonal gegenüber "ORF Niederösterreich" deuten auf Sparmaßnahmen hin, die möglicherweise die Qualität der Versorgung gefährden. So soll es in mehreren Einrichtungen zu Engpässen bei Pflegeprodukten und Verpflegung gekommen sein – eine Entwicklung, die laut Aussagen in den vergangenen Jahren zugenommen habe. SeneCura weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Zweifel am Leitspruch
SeneCura, das sich dem Leitsatz „Näher am Menschen“ verpflichtet sieht, gerät in die Kritik. Mitarbeiterinnen schildern dem "ORF Niederösterreich", dass es seit der Übernahme durch Orpea in den Sozial- und Rehazentren zu einem stetigen Personalmangel und deutlichem Spardruck gekommen sei.
Anonym berichten Pflegekräfte, dass notwendige Geräte für die Pflege nicht rechtzeitig ersetzt oder repariert wurden. „Auch beim Essen hat man versucht, so günstig wie möglich zu kalkulieren“, schildert eine Pflegekraft. Angehörige würden teilweise Essen für die Bewohnerinnen und Bewohner mitbringen, um Defizite auszugleichen.
Pflegeprodukte wie Windelhosen und Bettwäsche seien stark begrenzt, berichtet eine junge Frau aus einer anderen SeneCura-Einrichtung. Sie beschreibt, dass Bewohnerinnen und Bewohner oft mit verschmutzten Windelhosen zurückgelassen werden, wenn die festgelegte Tagesmenge aufgebraucht ist. Auch Handtücher und Waschlappen seien häufig Mangelware, sodass teilweise improvisiert werden müsse, indem mit der eigenen Kleidung der Bewohnerinnen gewaschen werden müsse.
Systematischer Spardruck seit der Übernahme?
Als systematisch beschreibt die Investigativjournalistin Julia Herrnböck die Zustände. Herrnböck recherchierte für das Medium "Dossier" ein Jahr lang zu SeneCura. Insbesondere nach der Übernahme durch den französischen Konzern Orpea, der heute emeis heißt, habe sich seit 2015 vieles verändert.
Sie berichtet, dass Betten auch bei Personalknappheit unmittelbar nachbesetzt wurden, um Einnahmen zu sichern. Da Pflegeheime nur für belegte Betten finanzielle Mittel erhalten und mit steigender Pflegestufe mehr Geld, habe man während der Coronavirus-Pandemie versucht, die Einrichtungen so voll wie möglich zu halten, berichten auch Mitarbeiterinnen gegenüber "ORF Niederösterreich".
Engpässe als „Pandemie-bedingte Ausnahme“
SeneCura entgegnet, dass die vollständige Belegung in dieser Zeit eine „völlige Ausnahmesituation“ darstellte und aus der Notwendigkeit heraus entstand, das Gesundheitssystem zu unterstützen. SeneCura-Sprecher Johannes Wallner betont gegenüber dem "ORF Niederösterreich", dass Aufnahmen stets nur dann erfolgten, wenn genügend Personal verfügbar war.
Wallner widerspricht vehement den Vorwürfen, dass bei Essen oder Pflegeprodukten gespart würde. Laut seiner Aussage seien Windelhosen eine Leistung der Krankenkasse und würden vom Heim rechtzeitig bestellt, weshalb Einsparungen in diesem Bereich nicht möglich seien.
Engpässe bei der Wäsche seien ein Ausnahmefall während der Pandemie gewesen, der durch einmalige Lieferschwierigkeiten entstand. Damals sei kurzfristig auf Einmal-Waschhandschuhe oder Handtücher ausgewichen worden, erklärt Wallner und bezeichnet die Kritik als „lächerlich“.
SeneCura weist Vorwürfe zurück
Im Frühjahr 2022 verlor die Orpea-Aktie nach Medienberichten über erhebliche Missstände in französischen Pflegeheimen Milliarden an Wert. Laut Journalistin Julia Herrnböck habe sich das auch auf Österreich ausgewirkt: SeneCura Österreich, eines der kleineren jedoch erfolgreichen Länder im Konzern, musste demnach vorletztes Jahr 170 Millionen Euro abschreiben.
Dieser finanzielle Druck sei, so Herrnböck, bis in die einzelnen Heime durchgesickert. Eine Pflegerin berichtet, dass auch in Niederösterreich offen darüber gesprochen wurde, „dass hohe Schulden bestehen und dies ein Grund ist, warum überall gespart werden muss.“
SeneCura weist dies entschieden zurück. Unternehmenssprecher Johannes Wallner betont, dass Orpea seit der Übernahme „mehr Geld an SeneCura überwiesen hat als umgekehrt“, um den Ausbau der Einrichtungen zu finanzieren – sei es durch Neubauten oder Zukäufe. Die zurückgezahlten Beträge seien lediglich die Bedienung der Darlehen.
Zahnlose Kontrollen und Pflegenotstand
Insider betonen, dass Spardruck in der Pflegebranche weitverbreitet sei und Kontrollen durch Behörden oft wenig Wirkung hätten, da diese selten und meist angekündigt erfolgen. Die Länder stünden aufgrund der steigenden Nachfrage unter Druck, jeden verfügbaren Pflegeplatz zu nutzen, was der Wirtschaftlichkeit Vorrang vor der Pflegequalität gebe.
Trotz vereinzelter Verbesserungen beklagen viele Pflegekräfte eine schwierige Situation, die nicht selten zur beruflichen Neuorientierung führt. Eine Mitarbeiterin, die den Pflegeberuf verlassen möchte, erklärt: „Wenn man wirklich in die Pflege will und Leute unterstützen will, ist das nicht schön zum Anschauen.“
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