(Nicht) Barrierefrei
Randstein des Anstoßes bei Innsbrucker Praxis

Keine Rettungszufahrt in Sicht. Stattdessen ein hoher Randsteig direkt vor der Praxis. Eine barrierefreie Praxis ist nicht barrierefrei zugänglich. | Foto: Königer
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  • Keine Rettungszufahrt in Sicht. Stattdessen ein hoher Randsteig direkt vor der Praxis. Eine barrierefreie Praxis ist nicht barrierefrei zugänglich.
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Die Situation ist fast schon bizarr: Dr. Christina Engelhardt mietet im Fürstenweg in Innsbruck komplett barrierefrei ausgebaute Praxisräume, doch für beeinträchtigte Personen ist der Zugang zur Praxis trotzdem erschwert. Der wortwörtliche Stein des Anstoßes: Der Randstein zur Straße.

INNSBRUCK. Erschreckend ist das Innsbrucker Beispiel unter anderem, da es in Tirol wohl kein Einzelfall ist. Erst kürzlich konnte für die Stadt Schwaz ein nüchternes Ergebnis eingefahren werden: Von den 59 Arztpraxen in der Stadt Schwaz sind nur 25 barrierefrei erreichbar. Doch zurück zum Fall im Fürstenweg.

"Haus im Leben" 

Dr. Engelhardts Arztpraxis befindet sich im sogenannten "Haus im Leben". Grundsätzlich ein löbliches Konzept: "Privatsphäre genießen - Gemeinschaft leben" ist das Motto. Ein „Haus im Leben“ soll leistbares, betreutes Wohnen und ein Zusammenleben in einer einzigartigen Form ermöglichen. Dazu wurde 2020 der Komplex in Innsbruck, unter anderem am Fürstenweg gebaut. Mit 96 Wohnungen von 45 – 100qm, 2 Gästewohnungen 30qm, mehreren Gemeinschaftsräumen und Gemeinschaftsgärten wird einiges geboten. Im Erdgeschoss findet man eine Zahnarztpraxis, Physiotherapie, eine Kinderkrippe und unter anderem die Praxis von Dr. Engelhardt.

Vom Bauträger für die Planung der 2. Baustufe wurde das Architekten-Büro Gsottbauer beauftragt. 

"Die Einreichung dieses Projektes erfolgte Anfang 2018, also vor mehr als sieben Jahren. Die Einreichung wurde nach den Vorgaben des Bauträgers bzw. im Vorfeld in Abstimmung mit dem Gestaltungsbeirat der Stadt Innsbruck konzipiert. Die Kfz-Verkehrserschließung erfolgt entsprechend den Vorgaben der Stadt Innsbruck über den Fischerhäuslweg im Westen entsprechend den Richtlinien der Stadt Innsbruck („Grundsätze für die Anlage von Grundstückszufahrten, Garagen und Parkplätze mit Anbindung an das öffentliche Straßennetz“). Zum gegenständlichen Bauvorhaben gab es auch ein vom Bauträger beauftragtes „Verkehrstechnisches Gutachten“.",

so Gsottbauer auf Nachfrage von MeinBezirk. 

Perfekte Barrierefreiheit innerhalb der Praxis

Die gemieteten Räumlichkeiten wurden mit allen barrierefreien architektonischen Bedingungen ausgestattet, wie Dr. Engelhardt beim MeinBezirk-Lokalaugenschein veranschaulicht. Die Glastüren haben einen vorgeschriebenen Anlaufschutz (Transparente Flächen wie Glastüren und große Glasflächen sind leicht zu übersehen sind daher mit Kontraststreifen laut ÖNORM B1600 zu versehen um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden), die Türen selbst haben einen Einklemmschutz und alle Räume und Gänge sind Rollstuhlgerecht abgemessen.

Einklemm- und Anlaufschutz bei den Praxistüren. | Foto: Königer
  • Einklemm- und Anlaufschutz bei den Praxistüren.
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Für sehbeeinträchtigte Personen führt außen ein taktiles Bodenleitsystem vor die Türschwelle der Praxis. Man könnte meinen, das Haus im Leben ist ein Paradies für Teilhabe und Barrierefreiheit. 

Ein taktiles Bodenleitsystem führt zur Arztpraxis. | Foto: Königer
  • Ein taktiles Bodenleitsystem führt zur Arztpraxis.
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Der (Rand-)Stein des Anstoßes

Als Dr. Engelhardt angeboten wurde, die Praxisräume im Fürstenweg zu mieten, war sie laut eigenen Aussagen der Meinung, dass dies selbstverständlich mit einer Rettungszufahrt oder einer Taxizufahrt einhergehen würde. Unter den fast 8.000 Patientinnen und Patienten der Allgemeinärztin gibt es einige Personen, die auf einen schnellen und kurzen Zugang zur Praxis angewiesen sind. 
Bei Nachfrage des Architekten gab es folgende Antwort:

"Die Arztpraxis ist unmittelbar und barrierefrei an den naheliegenden Gehsteig, der direkt sowohl zum Fischerhäuslweg wie auch zur Daneygasse führt, und auch zur Tiefgarage, wo sich die der Arztpraxis zugeordneten Parkplätze befinden, angebunden. In der Phase der Projekterrichtung wurden zwar Sonderwünsche von der Mieterin Frau Dr. Engelhardt über den Bauträger an uns weitergeleitet, doch keine, die eine Rettungszufahrt zum Inhalt hatten."

Die Situation ist absurd, bedenkt man, dass sich das "Haus im Leben" als ein soziales Konzept versteht, die Praxisräume vorbildlich ausgestattet sind, der Zugang für beeinträchtigte Personen sich aber derart schwer gestaltet. Die Politik ist allerdings schon länger informiert. Damals noch Vizebürgermeister Johannes Anzengruber hatte sich vor Ort ein Bild gemacht, ebenso Ex-SPÖ-Politiker Buchacher, der lange für eine Besserung der Situation kämpfte, am Ende allerdings doch kapitulieren musste. Grüne Politikerin Schwarzl war ebenfalls zuversichtlich, dass man etwas in Gang setzen könnte. Letztendlich, erzählt Dr. Engelhardt, kam nichts dabei heraus, außer, dass man ihr sagte, eine nötige Randsteinabschrägung oder eine Rettungszufahrt "wurde nicht eingereicht". Hinzu kommt, dass vor circa zwei Jahren die Straße am Fürstenweg in mehreren Phasen aufgerissen und wieder erneuert wurde. Warum man in diesem Zusammenhang keine Randsteinabsenkung vornehmen konnte, bleibt Dr. Engelhardt schleierhaft.

Amt für Tiefbau erläutert die Situation

Bei Nachfrage beim Amt für Tiefbau wird erläutert, warum die Situation derart "verzwickt" ist:

"Die Arztpraxis befindet sich im Erdgeschoss von Haus Nr. 126 und ist über den Gehsteig am Fürstenweg und das private Fußwegenetz auf dem Grundstück 1678/251 erschlossen. Der an den Gehsteig anschließende, ca. 3,50 m breite Zugangsweg (Fußweg) stellt keine geplante und baurechtlich beantragte und damit auch keine genehmigte Zufahrt dar. Damit ist am Gehsteigrand auch kein Auffahrtskeil bzw. keine Randsteinabschrägung ausgeführt. Der Fußweg direkt vor der Arztpraxis ist im Bestand nicht für eine Zufahrt geeignet."

Der Wunsch nach Herstellung einer eigenen Praxis-Zufahrt bzw. einer Haltemöglichkeit für Rettungsdienste wäre dem Amt bereits länger bekannt. Es hätte sogar ein Gespräch vor Ort, unter anderem mit der Ärztin, am 19. Juni 2023 gegeben, bei dem Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt worden wären. 

"Wesentlich ist, dass eine Zufahrts- und eine Haltemöglichkeit auf dem Grundstück 1678/251, in welchem die Arztpraxis untergebracht ist, errichtet wird. Dies ist bislang nicht der Fall und obliegt dies ausschließlich der Grundstückseigentümerin. Derzeit besteht nur ein Fußweg, welcher nicht als Zufahrt und Parkplatz geeignet ist. Seitens des Straßenverwalters der Stadt Innsbruck (Amt Tiefbau) wurde im Juni 2023 bereits aufgezeigt, dass eine Zufahrt unter Schaffung einer befestigten Aufstell- und Reversierfläche sowie ggfls. auch mit Versetzung eines Baumes möglich ist. Eine entsprechende Kennzeichnung der Haltemöglichkeit ausschließlich für Spezialkrankentransporte wäre zudem anzubringen."

Eine derartige Änderung an der Außenanlage einzureichen, wie auch zu errichten, obliegt allerdings der Liegenschaftseigentümerin. 

"Es mangelt daher nicht an einem Auffahrtskeil von der Fahrbahn des Fürstenweges aus, sondern am Bereitstellen einer Halte- und Zufahrtsmöglichkeit am Privatgrundstück durch die Grundeigentümerin. Wenn diese Halte- und Zufahrtsmöglichkeit neben dem Fußweg errichtet wird, kann in Einem auch der Auffahrtskeil von der Fahrbahn aus hergestellt werden."

FPÖ-Antrag im Stadtsenat

Der Ärztin selbst fehlte irgendwann die Kraft, gegen Windmühlen zu kämpfen, sosehr sie die Situation für ihre Patientinnen und Patienten auch verbessern möchte. FPÖ-Gemeinderätin Marlene Trinkl, bringt am 27. Februar einen Antrag für eine Randsteinabschrägung im Gemeinderat ein. Anschließend wird es zur Abstimmung kommen, ob der Stadtsenat sich mit der Thematik beschäftigt. 

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