Kunstrasendiskussion
Footballer bauen auf "Kork und Kokos"

Statt Gummigranulat sollen auch in Innsbruck für die Kunstrasenplätze alternative Füllstoffe verwendet werden. Den Anfang setzen die Footballer mit "Kork-Kokos"-Granulat. | Foto: Olympiaworld
  • Statt Gummigranulat sollen auch in Innsbruck für die Kunstrasenplätze alternative Füllstoffe verwendet werden. Den Anfang setzen die Footballer mit "Kork-Kokos"-Granulat.
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  • hochgeladen von Georg Herrmann

Die Diskussion über das Mikroplastikverbot durch die EU und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Kunstrasensportflächen trifft die Stadt Innsbruck nicht ganz unvorbereitet.

INNSBRUCK (hege). 2001 verabschiedete sich die Innsbrucker Fußballszene vom legendären Besele Sandplatz. Seitdem wird in Wilten auf Kunstrasen gespielt. Die Sportanlage Wiesengasse hat seit 2003 mit dem Kunstrasen auf dem Platz A eine Ausweich- und Trainingsmöglichkeit für die beiden Wiesenplätze. Auch der Sportplatz in der Reichenau hat nach seiner Geschichte als "roter Platz" und dem durchaus kritisierbaren Rasenplatz seit 2016 einen Kunstrasen. Die drei sind wohl die bekanntesten Kunstrasenplätze in Innsbruck. Außerdem gibt es noch Kunstrasenspielfelder in Hötting-West und den W2 am Tivoli. Außerhalb der städtischen Betreuung gibt es am USI Gelände  drei kleine Kunstrasenfelder und auch die TFV Akademie beim Flughafen ist mit einem Kunstrasenplatz ausgestattet.

Mikroplastik ist noch Thema

Die Stadt Innsbruck hat bei den jeweils nötigen Sanierungsmaßnahmen auf die entsprechende Weiterentwicklung des "Infill"-Materials Rücksicht genommen, Mikroplastik ist aber immer noch zu finden. "Die Haltbarkeit eines Kunstrasens liegt in etwa bei 10 Jahren, natürlich hat das Sportamt bei den Erneuerungen auf die jeweils modernste Füllart zurückgegriffen", erklärt Sportstadträtin Elisabeth Mayr einleitend: "Mit dem Landesregierungsbeschluß im März, nur mehr Kunstrasenplätze ohne Gummigranulat zu fördern, haben sich die Ausgangspositionen sowieso total verändert." Die Kunstrasenplätze in der Reichenau, Wilten und Wiesengasse sind mit SBR-Granulat versehen. Der Kunstrasenplatz in Hötting-West ist unverfüllt und die Varianten für die neuen Plätze sind noch offen.

Footballer greifen zu Kork-Kokos

Die Kunstrasenspielfläche beim neuen Football-Zentrum wird daher mit Kork-Kokos-Granulat befüllt. "Es entstehen zwar etwas höhere Investitionskosten, derzeit scheint das aber die umweltverträglichste Lösung zu sein. Bei höherer Nachfrage wird sich aber auch die Frage der Korkgewinnung stellen", blickt Mayr schon in die Zukunft. Die Lage des Platzes, die geplante Nutzung und natürlich die Nutzungsintensität spielen für Entscheidung eine Rolle, ob die Wahl auf einen Naturrasen oder einen Kunstrasen fällt. Beim Kunstrasen stellt sich dann entsprechend die Frage der Verfüllung. Sobald ein Fußballplatz – etwa mit einer Tiefgarage – unterbaut ist, braucht es die Verfüllung jedenfalls, weil er sonst zu hart ist. Bei intensivem Spielbetrieb ist ein früheres Nachgranulieren erforderlich, weil Kork nicht so verschleißfest ist wie synthetische Stoffe.

Europaweite Diskussion

Die EU-Kommission hat die European Chemicals Agency (ECHA) beauftragt zu prüfen, ob bestimmte Mikroplastiken, die bewusst in die Umwelt freigesetzt werden, nicht mehr zugelassen und insgesamt verboten werden müssen. Die Folge war eine europaweite Diskussion. Elisabeth Mayr. "Maßnahmen zur Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes sind immer zu begrüßen. Wann das Verbot in Kraft tritt und welche Übergangsfristen es geben wird, wissen wir noch nicht. Wenn beim Beselepark in zwei, drei Jahren der Kunstrasen erneuert werden muss, können wir jedenfalls auf eine umweltschonendere Alternative umsetzen.“

Sportanlagen im Brennpunkt

In den vergangenen Jahren haben sich die Diskussionen bei den Sportanlagen nicht nur um den Kunstrasen sondern auch um die Lärmbelastung oder das Flutlicht entwickelt. Elisabeth Mayr. "Wir widmen uns allen Fragen rund um die Sportanlagen sowohl im Sportamt als auch in überregionalen Gremien. Wichtig ist dabei vor allem der Erfahrungsaustausch mit anderen Städten und Gemeinden und die gemeinsame Entwicklung von Strategien." Bei den anstehenden Fußballplatzprojekten in Innsbruck wird dementsprechend gehandelt. "Der neue ASKÖ-Platz am Campagne-Areal, wird in der geplanten Form ein Kunstrasenplatz werden, da angedacht ist, dass sich darunter einer Tiefgarage befinden soll“, stellt Mayr dazu fest. "Der UNION-Platz am Fennerareal sollte sich ursprünglich ebenfalls auf einer Garage – der Bustiefgarage – befinden und hätte somit als verfüllter Kunstrasenplatz errichtet werden soll. Wenn die Bustiefgarage nicht umgesetzt wird, kann die Frage nach dem Rasen - auch gemeinsam mit dem Verein – noch einmal gestellt werden.“

Über was wir diskutieren, die Fakten:

SBR-Recyklat
Dem SBR-Granulat bescheinigt man sehr gute funktionelle Eigenschaften, so unter anderem eine hohe Elastizität. Der Preis ist beim SBR deutlich günstiger als beim EPDM und TPE. SBR besteht zu fast 100 % aus wiederverwerteten Autoreifen. Qualitätsanforderungen, die das Material bei diesem ursprünglichen Verwendungszweck erfüllt, kommen auch im zweiten Lebenszyklus seiner Bestandteile auf dem Sportplatz zur Geltung. So ist es zum Beispiel hoch UV- und wetterbeständig. Das SBR-Einstreugranulat kann heutzutage eine gute, kostengünstige und zudem ressourcenschonende Lösung sein, wenn es aus einer güteüberwachten, dokumentierten Quelle stammt.

PUR-umhülltes SBR (RPU)
Diese Variante des SBR ist mit einer Polyurethan-Schicht ummantelt, die in erster Linie der Einfärbung des ansonsten schwarzen Recycling-Granulats dient. Diese Beschichtung wird durch die hohen mechanischen Belastungen in einem Kunstrasenplatz über die Zeit abgerieben. Dadurch kommt die ursprüngliche schwarze Farbe wieder zum Vorschein, und es herrschen wieder die konventionellen Eigenschaften eines SBR-Einstreugranulats vor. Das umhüllte SBR-Material empfiehlt sich daher weniger für Sportplätze mit intensiver Nutzung oder einen langen Zeitraum.

EPDM
EPDM ist traditionell ein Bestandteil vieler Sportboden-Systeme – in den Elastikschichten und als Bestandteil von Kunststofflaufbahnen. EPDM wird als Neuware produziert und an die besonderen Anforderungen als Einstreugranulat angepasst. So gehören eine gute Elastizität, gepaart mit besonderer Resistenz gegen widrige Wetterbedingungen und chemische Einwirkungen bei der Verwendung von EPDM als Einstreumaterial zu den wesentlichen Merkmalen. Diese sind in besonderem Maße auch bei der Verwendung als Einstreugranulat gefragt; zusätzlich kann das EPDM bei sehr guten ökologischen Werten durch die Beimischung entsprechender Zusätze auf verschiedene Einsatzgebiete und deren Anforderungen eingestellt werden. So ist jede Farbeinstellung möglich und/oder die Steuerung des Flammschutzes. Dennoch ist EPDM nicht gleich EPDM. Peroxidvernetzte EPDM-Einstreugranulate sind in den vergangenen Jahren durch problematische Langzeitstabilität aufgefallen und neigten unter UV-Strahlung und Hitze zum Verklumpen. Schwefelvernetztes EPDM dagegen ist seit mehreren Jahrzehnten in Laufbahnen und seit fast 10 Jahren als Einstreugranulat erprobt und laut Herstellerangaben bewährt im Einsatz.

EPDM-Fasergranulat
Das EPDM-Fasergranulat ist ein neu geformtes Einstreugranulat, das zu 100 % aus einem mit Schwefel vernetzten EPDM-Gummi besteht. Dieses besonders UV-stabile Material wird durch ein neu entwickeltes Fertigungsverfahren in eine, faserige Form gebracht. Die bedeutendste Neuerung dabei ist die organisch ausgestaltete Oberfläche der einzelnen Körner. Dadurch wirkt das Material nicht nur optisch natürlicher, sondern fühlt sich auch auf der Haut angenehmer an.

TPE
TPE-Granulate sind Thermoplastische Elastomere die erst seit einigen Jahren als Einstreugranulate eingesetzt werden. Während es verschiedene TPE-Materialien für den Einsatz bei technischen Produkten gibt, wird als Einstreugranulat aufgrund des Preis-Leistungsverhältnisses momentan nur TPE-S verwendet. Verschiedene Typen von TPE-Granulaten können auf den Verwendungszweck, insbesondere hinsichtlich der Elastizität und des Alterungsverhaltens, zugeschnitten werden. Jedoch ist die Stabilisierung von thermoplastischen Materialien gegen Temperatur und Alterungseinflüsse sehr aufwändig. Dies hat Hersteller dazu bewogen TPE-Granulate nicht für Regionen zu empfehlen, die eine hohe UV-Belastung und hohe Temperaturen aufweisen. Die hochstabilisierten TPE-Granulate haben ihren Preis: TPE ist der teuerste Granulat-Typus.

Kork
Neben den synthetischen Füllstoffen sind auch solche rein natürlichen Ursprungs erhältlich. Der Kork hat sich unter ihnen als gemäß den vielfältigen Anforderungen am besten geeignet erwiesen. Die Anbieter stellen als einen seiner größten Vorteile heraus, dass das aus der Rinde der Korkeiche gewonnene Material vergleichsweise wenig Wärme speichert und leitet. Die der Sommerhitze geschuldeten ungünstigen Eigenschaften chemischer Produkte entfallen damit, hier sammelt das Material auf jeden Fall Sympathie-Punkte. Je nach Qualität haben Kork-Granulate ein unterschiedliches Abriebverhalten; der entstehende Staub jedenfalls ist laut Herstellerangaben umweltneutral. Wegen seiner Wabenstruktur und der naturgegebenen Versiegelung mit Suberin nimmt der Kork kein Wasser auf und ist daher nicht anfällig für biologische Prozesse. Freilich lassen sich sämtliche positiven Eigenschaften in Labortests wie auch in der Verwendung auf dem Sportplatz nur mit einem geringen, nicht verholzten Teil der Korkeichen-Rinde erzielen – und diesem Umstand ist der vergleichsweise hohe Preis dieser Produktart geschuldet. Die gesicherte, spezifische Qualität entsteht ferner durch exakt auf den Verwendungszweck abgestimmte Produktionsverfahren. Der Einsatz beliebigen zerkleinerten Korks, das nicht als Kunstrasen-Infill bestimmt ist, wäre also nicht praktikabel.

Kurzbeschreibungen:
Kryogener SBR : Styrol-Butadien-Kautschuk, granuliert bei sehr niedriger Temperatur für maximale Dichte
Atmosphärischer SBR : Styrol-Butadien-Kautschuk, granuliert bei Raumtemperatur
Verkapselter SBR : Styrol-Butadien-Kautschuk, atmosphärisch beschichtet mit grün oder braun gefärbtem Polyurethan
EPDM LD : Ethylen-Propylen-Dien-Polyéthylen gesättigte niedrige Dichte
Thermoplast ou TPE : Extruded ThermoPlastic Elastomers
TPU : Thermoplastisches Polyurethan
PE : Polyethylen
Kork 100% : 100% natürlicher Kork ohne Behandlung
Kokosfasern und Verschiedenes : Mischung aus Kork-Kokosnussfasern und anderen Zusätzen wie Sand, SBR oder anderen, je nach System

meinbezirk.at Beitrag "Aus für Kunstrasenplätze" finden Sie hier.
Weitere Informationen zum Thema Fußball in Tirol finden Sie hier.

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