Strafen bis zu 80.000 Euro
Barrierefreiheitsgesetz für Produkte kommt
Für Menschen mit Behinderung als wichtig eingestufte Produkte und Dienstleistungen müssen auch europaweit einheitlich barrierefrei sein. Das sieht der 2019 beschlossenen "European Accessibility Act" vor. In Österreich wurde am 12. November einstimmig für den Entwurf eines Barrierefreiheitsgesetzes gestimmt, das genau das in Österreich gesetzlich sicherstellen soll. Bei Verstößen drohen Strafen bis 80.000 Euro.
ÖSTERREICH. Die Barrierefreiheit betrifft beispielsweise PCs, Smartphones, Modems, E-Reader, Smart-TV-Geräte, Spielkonsolen, Bankomaten und Fahrkartenautomaten. Auch Dienstleistungen wie E-Banking, E-Commerce, E-Ticketing, Videotelefonie, Online-Messenger-Dienste, E-Books und SMS-Dienste sollen zugänglich sein. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat am Dienstag einstimmig grünes Licht für den von der Regierung vorgelegten Entwurf eines eigenen Barrierefreiheitsgesetzes gegeben.
Opposition wünscht mehr
Der Gesetzesentwurf wurde von allen Fraktionen begrüßt. Für ÖVP, NEOS und FPÖ geht das Barrierefreiheitsgesetz nicht weit genug, sei aber ein guter Anfang. Den Fortschritt des Gesetzes hob auch Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hervor. Die Regierung sei zudem bemüht, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung zu erleichtern sowie die Gleichberechtigung und die Inklusion insgesamt voranzutreiben. Aktuell seien etwa Neuregelungen bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit geplant. Damit würden junge Menschen mit Behinderung bis zum 25. Lebensjahr Zugang zu Ressourcen des AMS erhalten. Die Studie zum Thema Lohn statt Taschengeld in integrativen Werkstätten soll Rauch zufolge im September 2025 vorliegen.
Im Ausschuss wurden außerdem der Tätigkeitsbericht der Behindertenanwaltschaft 2022 sowie verschiedene Oppositionsanträge behandelt. SPÖ und FPÖ fordern etwa, dass Menschen, die in integrativen Werkstätten beschäftigt sind, fair entlohnt werden. Die NEOS vermissen Umsetzungsberichte, was den aktuellen Nationalen Aktionsplan Behinderung und seinen Vorgänger betrifft.
Unternehmen müssen Barrierefreiheit umsetzen
Ab 28. Juni 2025 sind Unternehmen mit einer Größe über zehn Mitarbeitenden und ab einer Jahresbilanzsumme von zwei Mio. Euro dazu verpflichtet, nur noch barrierefreie Produkte auf den Markt zu bringen. Vorgabe ist eine EU-Richtlinie, die Produkte mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationstechnologie umfasst. Ausnahmen gelten dann, wenn die Barrierefreiheit bedeutet, ein Produkt grundlegend verändern zu müssen. Der Hersteller ist selbst dafür verantwortlich, dass seine Produkte die Anforderungen erfüllen und muss gegebenenfalls begründen, warum die geforderte Barrierefreiheit nicht in allen Punkten erreicht werden kann. Ähnliche Pflichten sollen für Importeure gelten.
Reisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln soll für Menschen mit Behinderung ebenfalls verbessert werden. Somit werden Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste interaktive Selbstbedienungsterminals barrierefrei umrüsten müssen bzw. den Online-Ticketverkauf barrierefrei gestalten müssen. Im Bankdienstleistungsbereich haben unter anderem Identifizierungsmethoden und elektronische Signaturen barrierefrei zugänglich zu sein. Bei Kartendiensten, die der Navigation dienen, sollen barrierefreie Alternativen zu komplexen Funktionen mit Basisinformationen angeboten werden.
Um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Selbstbedienungsterminals wie Fahrkartenautomaten, Bankomaten oder Check-In-Automaten zu erleichtern, müssen die Betreibenden der Geräte künftig überdies Informationen über die bauliche Umwelt – etwa via Website – bereitstellen. Das betrifft etwa den Zugang, die Gerätehöhe, Wendebereiche oder vorhandene Orientierungssysteme.
Saftige Strafen bei Verstößen
Für die Marktüberwachung wird das Sozialministeriumservice verantwortlich sein. Je nach Unternehmensgröße und Art des Verstoßes kann es Verwaltungsstrafen von bis zu 80.000 € verhängen. Hersteller, Dienstleister und Importeure sollen jedoch zunächst aufgefordert werden, Maßnahmen zur Sicherstellung der Gesetzeskonformität ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu ergreifen. Als letzte Maßnahme wären ein Produktrückruf oder die Verpflichtung zur Einstellung der Dienstleistung möglich. Betroffene Unternehmen können gegen Bescheide des Sozialministeriumsservice beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen.
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