Bischof Scheuer
"Form von Dummheit und nicht von Eigenverantwortung"

Bischof Manfred Scheuer: "Die Pandemie überwinden wir nicht, indem jeder sagt 'ich weiß selbst, was am besten ist'." | Foto: Diözese Linz/Kraml
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  • Bischof Manfred Scheuer: "Die Pandemie überwinden wir nicht, indem jeder sagt 'ich weiß selbst, was am besten ist'."
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Manfred Scheuer, Bischof der Diözese Linz, im BezirksRundschau-Interview mit Chefredakteur Thomas Winkler über:

  • die Dummheit in Verschwörungstheorien rund um Corona,
  • die Folgen der Pandemie für die Gesellschaft,
  • die Bedeutung der Wissenschaft und ihre Grenzen,
  • die Botschaft fürs heurige Weihnachtsfest und die "Kaffs" Betlehem und Nazareth

BezirksRundschau: Die Corona-Pandemie hat zwar einerseits den Zusammenhalt in der Gesellschaft aufgezeigt, andererseits spaltet sie die Gesellschaft: Befürworter der Maßnahmen auf der einen Seite, Corona-Leugner, Masken-Verweigerer, Impf-Gegner und Verschwörungs-Theoretiker auf der anderen. Wo steht die Kirche in dieser Auseinandersetzung?
Bischof Scheuer: Die Gegensätze in der Gesellschaft werden auch bei uns überdeutlich, weil Kirche eine sehr pluralistische, differenzierte Organisation ist. Es liegt in der eigenen Verantwortung, was zu tun ist, aber es muss der Blick auf die Anderen gerichtet sein. Nächstenliebe und Selbstliebe sind gleich wichtig. Nicht jeder weiß selbst am besten, was in der jeweiligen Situation richtig ist. Was die Verschwörungstheorien rund um Corona betrifft: Diese Leute wollen das Gefühl haben: Ich bin etwas Besonderes, ich bin nicht Mainstream. Deshalb lasse ich mich nicht impfen, widersetze mich den Maßnahmen. Das ist aber eine Form von Dummheit und nicht von Eigenverantwortung. Die Pandemie überwinden wir nicht, indem jeder sagt: "Ich weiß selbst, was am besten ist." Ein zugespitzter Individualismus lässt sich nicht leben, wir sind alle verwoben. Genau deshalb bin ich heilfroh, dass es den Sozialstaat gibt. Es gibt viele Verlierer durch Corona. Die Eigenverantwortung alleine würde das nie bewältigen – niemand kann vollständig alleine und aus eigener Kraft leben. Diese enge Verwobenheit ist gut, aber auch schlecht – weil wir einander anstecken und gefährden können.

"Ich werde mich impfen lassen"

Ist das auch als Aufruf an die Menschen zu verstehen, sich testen und impfen zu lassen?
Ich persönlich war schon zweimal testen und gehe jetzt wieder. Und ich werde mich impfen lassen. Wenn die Bischöfe aber sagen "tut das", dann wäre der Reflex Vieler wohl eher: "Wir tun das nicht." Es wird oft ein Einfluss der Kirche auf die Massen dargestellt, den es nicht mehr gibt. Die wahren Influencer sitzen woanders. Wir wollen aber sehr wohl das klare Signal setzen, dass wir alle Verantwortung für die gesamte Gesellschaft tragen.

Der Trend zur Esoterik scheint sich durch Corona weiter verstärkt haben – was kann die Kirche dem entgegenstellen?
Eine der Hauptaufgaben der Kirche ist die Stärkung und Bildung der Persönlichkeit. Spiritualität, Solidarität und Aufklärung gehören zusammen. Früher hat man ja Aufklärung so verstanden, dass die Frömmigkeit ausgetrieben wird. Aber Aufklärung und Glaube gehören zusammen, wenn es um ein Hineinwachsen in eine gute Gottesbeziehung geht. Ich bin froh über die Wissenschaft, dass sie etwa in der Lage war einen Impfstoff zu entwickeln. Ihre Bedeutung für die Gesellschaft ist zu unterstreichen. Die Pandemie hat aber auch die Endlichkeit und Fehleranfälligkeit von Wissenschaftlern aufgezeigt – und ihre Grenzen: Defizite in der Lebensfreude, in der Zufriedenheit, in der Hoffnung zu lindern oder Trost spenden – das kann die Wissenschaft nicht.

Freude über kleine Öffnungsschritte

Wie sehr leidet die Kirche unter Corona, wie sehr hat die Pandemie die Kirche beschädigt?
Kirche ereignet sich in der Nachbarschaftshilfe, wenn Menschen für Risikogruppen einkaufen, nachfragen "Was brauchst du, wie geht es dir?". Kirche ist Schule, Betrieb, Krankenhaus, Pflegeheim – dort wo Gemeinschaft gelebt wird. Natürlich ist es für Viele wichtig, die Eucharistie zu feiern und es ist schmerzlich, dass das nicht oder nur begrenzt möglich war und ist. Aber ich habe mich über die kleinen Öffnungsschritte gefreut. Es ist wichtig, etwas wach und am Leben zu halten – auch unter schwierigen Bedingungen. Ich sehe das an den Gottesdiensten und den vielen kreativen Formen, Feste zu feiern. Die Firmungen im September und Oktober habe ich sogar inniger erlebt als in normalen Zeiten. So ruhig und gesammelt waren die jungen Leute bislang nie. Ob Corona aber zu einer Intensivierung des Glaubens führt, wage ich nicht zu behaupten. 

Wie soll das Comeback der Kirche nach Corona aussehen?
Wir können derzeit nur Schritt für Schritt machen. Wir sind in einer Übergangszeit, in der wir Übergangslösungen suchen müssen. Die Fragestellung ist jetzt: Wie feiern wir Weihnachten? Und nicht: Wie feiern wir Ostern? Und es geht mir auch nicht um ein Comeback der Kirche, sondern darum, wer jetzt unsere Aufmerksamkeit braucht, wie etwa arbeitslose Menschen. Natürlich überlegen wir auch, wie es mit unseren Strukturen weitergeht. Aber wenn diese Strukturen nicht von lebendigen Menschen belebt werden, dann sind sie für die Katz. Das sieht man etwa jetzt an den fehlenden Pflegekräften. Auch für uns ist die entscheidende Frage: Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

"Keine Alternative zu Strukturreformen"

Weil der Nachwuchs fehlt, haben Sie als Bischof Strukturveränderungen in der Diözese geplant, die für Kritik gesorgt haben und auch in Rom nicht auf volle Zustimmung gestoßen sind.
Die Entwürfe für die Strukturreform sind bei bestimmten Kreisen in der Diözese Linz auf Kritik gestoßen – manche gehen sie zu weit, anderen zu wenig weit. Es ist aber kein fertiges Konzept abgelehnt worden, sondern wir sind in einer Phase der Begutachtung. Ich glaube jedoch, dass es letztendlich gar keine Alternative zu diesen Strukturreformen gibt. Ich verstehe die Emotionen, kann mich aber nicht davon drängen lassen. Das würde ein gemeinsames Handeln verunmöglichen. Meine Aufgabe ist, möglichst Viele auf dem Weg mitzunehmen.

Die "Kaffs" Bethlehem und Nazareth

Was ist die Weihnachtsbotschaft, die Sie den Menschen vermitteln wollen?
Die Zusage Gottes: Ich bin mit dir da – das gilt gerade für diese schwierige und auch schmerzliche Zeit. Gott ist nicht in idealen Verhältnissen Mensch geworden, sondern zwischen Ochs und Esel, auf der Flucht. Die Gewöhnlichkeit des Alltags ist der Ort, wo Gott ankommt. Bethlehem und Nazareth, das waren ja auch richtige Kaffs.

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