Leben am Limit
Jeder zehnte in Niederösterreich von Armut betroffen

Über 200.000 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher sind von Armut betroffen.n | Foto: pixabay (Symbolfoto)
5Bilder
  • Über 200.000 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher sind von Armut betroffen.n
  • Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • hochgeladen von Sandra Schütz

14 Prozent der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher, das ist jede zehnte Person oder 236.000 Menschen, sind von Armut betroffen. 

NÖ. Knapp ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher ist armuts- oder zumindest ausgrenzungsgfährdet. In Niederösterreich sind davon etwa 236.000 Menschen betroffen. Wer als "Single" lebt, nagt mit einem Netto-Einkommen von 1.392 Euro an der Armutsgrenze, bei Alleinerziehenden mit einem Kind erhöht sich das Netto-Haushaltseinkommen auf 1.810 Euro. Besonders betroffen von Armut oder ihren Folgen sind Kinder, Frauen im Alter, Alleinerziehende oder Langzeitarbeitslose.

Armut grenzt aus

Mittags schnell auf ein Menü zum Wirten ums Eck oder nach der Arbeit mit den Kollegen auf einen Absacker ins Café – für manche ist das nicht leistbar. Die Folge ist sozialer Rückzug. Vor allem Kinder, die in einkommensschwachen Familien aufwachsen, in denen jeder Cent zweimal umgedreht werden muss, bekommen als Folge der Armut auch Ausgrenzung zu spüren.

"Meine Tochter geht jetzt in die Mittelschule und da haben viele Markenklamotten an. Als sie eines Tages nach Hause gekommen ist, sind ihr die Tränen übers Gesicht gelaufen. Sie wurde von ihren Schulfreundinnen gehänselt, weil sie keine Marken-Jeans und No-Name Sportschuhe trägt. Das hat mir das Herz gebrochen",

erzählt Manuela, eine Mama aus dem Weinviertel.

Norman Schmid ist Leiter des Berufsverbandes der Psychologinnen und Psychologen, Landesgruppe Niederösterreich. Sein Tipp: ehrlich sein und Wege suchen, am sozialen Leben auch ohne viel Geld teilhaben zu können. | Foto: Schmid
  • Norman Schmid ist Leiter des Berufsverbandes der Psychologinnen und Psychologen, Landesgruppe Niederösterreich. Sein Tipp: ehrlich sein und Wege suchen, am sozialen Leben auch ohne viel Geld teilhaben zu können.
  • Foto: Schmid
  • hochgeladen von Sandra Schütz

So wie Manuela geht es vielen Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern. Aber wie kann man in einer solchen Situation richtig reagieren und wie kann man die eigenen Kinder unterstützen und stärken?

"Wenn Eltern mitbekommen, dass ihre Kinder gehänselt werden, sollten sie das am besten beim Lehrer ansprechen. Der wiederum kann im Unterricht das Thema behandeln",

rät Norman Schmid, Leiter der Landesgruppe NÖ des Berufsverbandes der Psychologinnen und Psychologen. In solchen Situationen sei es wichtig, den Kindern zu vermitteln, wie man wertschätzend miteinander umgehe und andere nicht auf ökonomische Details reduziere.

"Auf den Menschen kommt es an, nicht auf die Kleidung, die er trägt. Das müssen Kinder lernen."

Stärken können auch die Eltern ihren Nachwuchs. Wie das genau geht? Psychologe Schmid hat einen Tipp:

"Machen Sie ihren Kindern bewusst, dass das nicht ihr Problem, sondern das Problem der anderen ist. Andere zu hänseln zeugt nicht von gutem Charakter und es ist traurig, wenn man das ’nötig hat’. Zudem kann man den Kindern auch ein paar Sprüche oder Antworten mitgeben, falls sie wieder in eine solche Situation kommen. Und ich empfehle auch Filme zu schauen, in denen genau diese Problem behandelt wird. Wenn der ’Unterdrückte’ sich wehrt und Erfolg dabei hat, kann das für die Kinder als Vorbild wirken – übrigens auch für Erwachsene",

erklärt Norman Schmid.

Wenn das Börsel leer ist, gibt es keinen Spielraum für "Extra-Unternehmungen". | Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • Wenn das Börsel leer ist, gibt es keinen Spielraum für "Extra-Unternehmungen".
  • Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • hochgeladen von Sandra Schütz

Macht Armut einsam?

Finanzielle Probleme können sich auf die psychische Gesundheit auswirken. Sie können der Auslöser für psychische Störungen sein. Meist sind es Depressionen, die betroffenen Menschen rutschen ab.

"Die Sorgen nagen an den Menschen. Sie beginnen, sich mit anderen zu vergleichen und haben das Gefühl, auf Grund ihrer finanziellen Probleme minderwertig zu sein. Das Selbstbewusstsein rutscht in den Keller",

erklärt Schmid. Dann beginne sich die Spirale zu drehen. Denn wer sich ausgeschlossen fühlt, zieht sich zurück und rutscht somit womöglich weiter in die Depression ab, was sich wiederum negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt.

"Darum ist finanzielle Absicherung so wichtig, etwa in Form von Arbeitslosengeld oder sozialen Unterstützungen. Die Diskussion, diese einzusparen, halte ich für falsch. Denn die Zahl derjenigen, die System ausnützen, ist verschwindend gering."

Ehrlich sagen: ich hab kein Geld für einen Kaffee. Für viele undenkbar, die Scham ist viel zu groß. Die Folge: sozialer Rückzug. | Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • Ehrlich sagen: ich hab kein Geld für einen Kaffee. Für viele undenkbar, die Scham ist viel zu groß. Die Folge: sozialer Rückzug.
  • Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • hochgeladen von Sandra Schütz

"Schämen Sie sich nicht"

Das große Problem der von Armut betroffenen Menschen sei Schamgefühl, wie Norman Schmid erklärt.

"Dabei ist das nicht angebracht. Wenig Geld zu haben, ist kein Grund, sich zu schämen."

Außerdem sei die soziale Teilnahme keine finanzielle Frage, ist der Psychologe überzeugt.

"Wichtig ist es, ehrlich zu sein. So mancher wird überrascht sein, wenn der Freund oder Kollege dann auf einen Kaffee einlädt, weil er eben gerne mit dem Betroffenen Zeit verbringen will. Oder man macht ein Picknick im Park aus, da kann man von zuhause etwas mitnehmen und muss es nicht teuer kaufen. Nutzen Sie den öffentlichen Raum, dafür ist er gedacht."

Und wer seine sozialen Kontakte pflegt, pflegt gleichzeitig seine psychische Gesundheit und das wiederum macht fit für Arbeit und Beruf.

"Ziehen Sie sich nicht zurück, sondern ergreifen Sie die Initiative für Unternehmungen, die nichts oder wenig kosten. Bleiben sie offen, mutig und ehrlich und laden Sie auch mal jemanden zu sich nach Hause auf einen Kaffee und eine Plauderei ein. Sozialkontakte sind keine Frage des Geldes!"

Statt ins teure Lokal doch lieber zum Picknick auf die Wiese - da kann man sich von zu Hause etwas mitnehmen. | Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • Statt ins teure Lokal doch lieber zum Picknick auf die Wiese - da kann man sich von zu Hause etwas mitnehmen.
  • Foto: pixabay (Symbolfoto)
  • hochgeladen von Sandra Schütz

Mehr zum Thema "Leben am Limit" lesen Sie HIER!
Lesen Sie weiter: 

Rund 15 Prozent der Bevölkerung sind armutsgefährdet
Schuldnerberatung in Niederösterreich boomt

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

5:29

Horoskop
Blickt mit uns in die Sterne – so wird der Dezember 2024

Der Duft von gebratenen Maroni liegt in der Luft, Punsch dampft aus unseren Häferln – ja, und was uns das Christkind unter den Baum legen wird, das weiß Astrologe Wilfried Weiland. Unser "Promi des Monats" ist übrigens diesmal mit "Mr. Ferrari" Heribert Kasper auch ein waschechtes Dezember-Geburtstagskind. ÖSTERREICH. Die Adventzeit liegt vor uns und da wollen wir natürlich wissen, was der Dezember für uns bereithält. So viel sei vorab verraten: die "Glückskinder" des Dezembers sind die...

Hier findest du die billigsten Tankstellen in Niederösterreich.
4

Benzin- und Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen in Niederösterreich

Hier erfährst du täglich, wo die billigsten Tankstellen in Niederösterreich sind, wie man günstig tankt und auch, wie man am Besten Sprit sparen kann. NÖ. In ganz Österreich ist es am günstigsten Vormittags zu tanken, da die Tankstellen nur einmal täglich, um 12 Uhr, die Spritpreise erhöhen dürfen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit und in unbegrenztem Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen in Niederösterreich täglich mit den aktuell gültigen Preisen. Die...

Anzeige
Robert Nagele (BILLA Vorstand) im Gespräch mit Eva Kimmes (Unternehmenskooperationen und Veranstaltungen des Österreichischen Roten Kreuz) und Manfred Kumer (Leiter der Abteilung Philanthropie und Unternehmenskooperationen im Österreichischen Roten Kreuz) | Foto: BILLA AG / Robert Harson
Video 2

Zeichen gegen Armut
BILLA-Spendenaktion „Eine Spende, die satt macht“

Der Startschuss ist gefallen für die österreichweite BILLA-Spendenaktion „Eine Spende, die satt macht“. Zum dritten Mal setzt BILLA damit ein kraftvolles Zeichen im Kampf gegen Armut. Die Spendengelder kommen Menschen, die von Armut betroffen sind, zugute, indem sie für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln sowie Hygieneprodukten verwendet werden.  ÖSTERREICH. Armut in Österreich ist eine Herausforderung, die uns alle betrifft. Über 1,3 Millionen Menschen in Österreich seien von Armut...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Niederösterreich auf MeinBezirk.at/Niederösterreich

Neuigkeiten aus Niederösterreich als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Niederösterreich

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Niederösterreich und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.