Zwei Bezirke, nur noch eine Kassenärztin
Gynäkologie-Versorgungskrise im Südburgenland spitzt sich zu

- Doris Ulreich-Laussermayr in Stegersbach ist die einzige verbliebene Kassen-Frauenärztin in den Bezirken Güssing und Jennersdorf.
- Foto: Martin Wurglits
- hochgeladen von Martin Wurglits
Klaus Wohlgenannt ist gerade dabei, das Mobiliar und die Ausstattung seiner Ordination zu versteigern. Der Gynäkologe ist 65 Jahre alt, hat seine Kassenpraxis in Güssing zum Jahresende geschlossen und ist in Pension gegangen. "Eine Nachfolge hat sich bis jetzt nicht trotz Ausschreibung gefunden, und auch mein Angebot ans Land, meine Praxisausstattung kostenlos für eine Übergangspraxis zur Verfügung stellen, wurde abgelehnt", erzählt der Mediziner.
Eine einzige Kassenpraxis
Sein Schritt in die Pension hat die gynäkologische Versorgungsmisere im Südburgenland weiter verschärft. Mit Doris Ulreich-Laussermayr in Stegersbach ordiniert jetzt in den Bezirken Güssing und Jennersdorf nur noch eine einzige Kassen-Frauenärztin. Die Kassenstelle in Güssing ist seit Jahresbeginn 2024 unbesetzt, jene in Jennersdorf seit November 2015. Auch eine Kassenstelle in Großpetersdorf ist vakant.
Immer weniger Ordinationen
Wahlärztin Rosemarie Sattler hat ihre Ordination in Rudersdorf schon vor geraumer Zeit geschlossen, und auch für mindestens acht Kassen- bzw. Wahlarztpraxen in der benachbarten Oststeiermark hat sich keine Nachfolge gefunden. In Betrieb sind noch die Wahlarztpraxen von Kathrin Gibiser in Limbach, von Kurt Resetarits in Güssing und von Gudrun Lorenz-Eberhardt in Heiligenkreuz.
Bis zu 80 Anfragen pro Tag
In der einzigen Kassenpraxis macht sich die Situation massiv bemerkbar. "Ich habe eine unglaubliche Menge an Patientinnen zu betreuen. Wenn ich nicht schon 15 Jahre Berufserfahrung hätte,, würde ich den Ansturm nicht bewältigen", schildert Doris Ulreich-Laussermayr. "Ich habe meine Öffnungszeiten ausgeweitet. Aber die Terminanfragen haben sich seit Jahresbeginn noch weiter verstärkt. Bis zu 80 Anrufe pro Tag kommen bei uns herein." Ihr Kassenvertrag erlaube kaum mehr als zehn Minuten Behandlungszeit pro Patientin. Wahlärzte, die wirtschaftlich kalkulieren können, kämen hingegen auf rund eine halbe Stunde im Schnitt, so Ulreich-Laussermayr.

- Doris Ulreich-Laussermayr in Stegersbach ist die einzige verbliebene Kassen-Frauenärztin in den Bezirken Güssing und Jennersdorf.
- Foto: Martin Wurglits
- hochgeladen von Martin Wurglits
"Bin an der Grenze"
Auch bei ihr habe sich die Situation seit Jahresbeginn zugespitzt, erzählt Wahlarztkollegin Kathrin Gibiser. "Letzten Donnerstag hatte ich beispielsweise 60 Anrufe wegen möglicher Termine. Und obwohl ich seit der Eröffnung sowohl die Ordinationszeiten als auch das Personal aufgestockt habe, bin ich an der Grenze angelangt." Das Ergebnis: Gibiser nimmt keine neuen Patientinnen mehr auf. "Sonst wären die medizinische Qualität und die Machbarkeit nicht mehr gegeben."

- Gynäkologin Kathrin Gibiser hat für ihre Wahlarztpraxis in Limbach einen Aufnahmestopp verfügt.
- Foto: Martin Wurglits
- hochgeladen von Martin Wurglits
Bis Wien und Graz
Zwischen 800 und 1.000 Patientinnenkontakte pro Quartal hatte Klaus Wohlgenannt zuletzt in seiner Praxis. Die sind nun alle auf der Suche nach Ersatz. "Die meisten versuchen, bei Wahlärztinnen oder bei den Kassenärzten im Bezirk Oberwart oder im Bezirk Feldbach unterzukommen. Viele weichen jetzt sogar nach Graz oder Wien aus", berichtet der Mediziner.
Streitpunkt Kassenhonorare
Ein Hauptfaktor für die Misere seien die im Burgenland zu niedrigen Kassenhonorare, sind sich Ulreich-Laussermayr und Wohlgenannt einig. "Wir liegen ein Drittel unter denen in Vorarlberg", so Wohlgenannt. "Zumindest an den Österreich-Schnitt sollten wir angeglichen werden, damit junge Kollegen bereit sind, eine Kassenstelle zu übernehmen", fordert Ulreich-Laussermayr. Der Berufsnachwuchs wolle sich nicht dem Kassensystem unterwerfen und keine "Medizin im Zehn-Minuten-Takt", sondern wolle mehr Zeit für die Patientinnen haben.
ÖGK: "Bieten attraktive Verträge"
Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) macht diesbezüglich wenig Hoffnung. Die Bezirksblatt-Anfrage, ob die Honorare im Burgenland erhöht werden, bleibt unbeantwortet. Es heißt lediglich: "Wir bieten Ärztinnen und Ärzten attraktive Verträge und viel Flexibilität bei der Berufsausübung. Der Kassenvertrag bietet ein hohes Maß an Sicherheit und Gestaltungsspielraum bei der Berufsausübung." Um den Einstieg in die kassenärztliche Tätigkeit einfacher zu machen, setze die ÖGK auf neue Services wie das "Sorglos-Paket" und einen "Startbonus" für länger unbesetzte Stellen.
Zur Sache
Kassenärzte rechnen ihre Kosten direkt mit der Kasse ab. Bei Wahlärzten übernimmt die Kasse 80 % der Honorarsätze. Die restlichen 20 % sowie die Differenz zur Höhe der Arztrechnung müssen die Patientinnen selbst bezahlen.
Wie zufrieden sind Sie mit der gynäkologischen Versorgung im Südburgenland? Welche Erfahrungen machen Sie? Senden Sie Ihre Leserbriefe an guessing@regionalmedien.at.
Was unsere Leserinnen meinen:


Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.