Sophie Wotschke, Neos
"Pensionen? Man kann natürlich sagen, das ist wurscht"

Sophie Wotschke: Für mich ist das Pensionsthema sehr wichtig, Wenn wir da jetzt nichts ändern, wird sich das auf Dauer nicht ausgehen. | Foto: Martin Baumgartner
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  • Sophie Wotschke: Für mich ist das Pensionsthema sehr wichtig, Wenn wir da jetzt nichts ändern, wird sich das auf Dauer nicht ausgehen.
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Die jüngste weibliche Mandatarin im neuen Parlament, Sophie Wotschke (Neos), über "Parteisoldaten" sowie Chancen und Herausforderungen für die neue Regierungsarbeit. 

ÖSTERREICH. Erstmals in Österreichs Geschichte könnte eine Dreierkoalition auf Bundesebene regieren, und es sieht auch nach einer Premiere für die Neos aus. MeinBezirk sprach mit der jüngsten weiblichen Abgeordneten im Nationalrat, die auch Vorsitzende der 'Jungen Neos' (Junos) ist. 

MeinBezirk: Sie sind mit 26 Jahren die jüngste weibliche Abgeordnete im neuen Nationalrat. Muss man sich da anders behaupten?  
Sophie Wotschke: Ich finde, das ist ein zweischneidiges Schwert. Ist man jünger, so wird man etwas kritischer beäugt. Man hat aber auf der anderen Seite auch mehr Aufmerksamkeit, um seine Themen in den Vordergrund zu stellen. Positiv ist auch, dass man jungen Menschen Fehler eher verzeiht und Raum gibt noch zu wachsen. Da kann man sich manchmal mehr erlauben als Ältere. Für mich ist das Pensionsthema sehr wichtig. Wenn wir da jetzt nichts ändern, wird sich das auf Dauer nicht ausgehen. Das bestätigt auch der Rechnungshof. Trotzdem trauen sich das die Meisten nicht anzusprechen. Vielleicht tut man sich da als junger Mensch leichter. Also ich glaube, das junge Alter hat mehr Vorteile als Nachteile. 

Sie haben Jus und Volkswirtschaft studiert und sind auch JUNOS-Bundesvorsitzende. Warum sind Sie in die Politik gegangen, wo dieser Beruf immer unbeliebter wird? Und wie kann man der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegenwirken? 
Weil ich gerne mit Menschen diskutiere und mich austausche. Ich habe mich dann 2018 bei den NEOS beworben, weil ich neugierig war, wie das Tagesgeschäft in der Politik läuft. Also, was abseits der Elefantenrunden passiert, wie das tatsächliche Handwerk aussieht. Den Praktikumsplatz habe ich zwar nicht bekommen, aber ich wurde an die Jugendorganisation, die JUNOS, weiter verwiesen und das war mein großes Glück. Da hat es mir sehr gefallen, weil wir einen sehr offenen Diskurs pflegen. Hier sind verschiedene Meinungen nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Wir haben nicht diese klassischen Parteisoldaten. Denn das hat mich immer abgeschreckt. 

Was verstehen Sie unter einem "klassischen Parteisoldat"?
Eine Person, die gefühlt alle seine Meinungen aufgegeben hat und nur noch Parteimeinungen vertritt. Und der die Partei verteidigt, egal ob sie gerade gute oder schlechte Dinge macht. Bei uns ist das anders. Wir sind eine große Summe an Individuen, die sich eigene Meinungen bilden. Das fand ich schön, da bin ich eigentlich weiter reingerutscht, als das geplant gewesen wäre. Wenn man aber die Chance bekommt, politisch etwas zu gestalten über ein Mandat, dann sollte man die Chance ergreifen, weil so oft bekommt man die nicht. 

Sie haben schon angesprochen, welches Thema Ihnen besonders am Herzen liegt. Interessanterweise haben Sie da die Pensionistinnen und Pensionisten angesprochen, und nicht die Jungen.
Das gesamte Pensionsthema betrifft ja primär die Jungen. Wir dürfen den jetzigen Reformunwillen ausbaden. Denn so wie das System jetzt aufgebaut ist, ist nicht sicher, dass alle, die jetzt noch arbeiten, später auch eine gute Pension bekommen. Tatsächlich fließt vom gesamten Budget, das wir als Bund haben, ein Drittel in Pensionsbeiträge und Zinsen für Schulden. Man kann natürlich sagen, das ist wurscht, aber in Wahrheit können wir uns dieses System jetzt schon nicht leisten und müssen Schulden aufnehmen. Ganz zu schweigen davon, dass uns dieses Geld für Bildung, Forschung, Innovation, Klimaschutz, etc. dann fehlt. Dieses System sollten wir ändern, bevor es zu spät ist. 

Gibt es weitere Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Chancengerechtigkeit in der Bildung. Im aktuellen System ist für den Schulerfolg primär entscheidend, wie gut die Eltern gestellt sind. Wir sehen, dass jeder Vierte mit 15 Jahren nicht sinnerfassend lesen kann. Und trotzdem entlassen wir diese Kinder aus der Schule. Denn die Schulpflicht endet nach neun Jahren. Das finde ich unverantwortlich, weil da viele Perspektiven verloren und Karrierewege verbaut werden. Unser Ansatz ist, eine mittlere Reife einzuführen, wo man Kompetenzen wie Lesen, Rechnen, Schreiben abprüft. Und nur, wenn Kinder diese Kompetenzen fürs Leben haben, erst dann entlassen wir sie aus der Schule. 

Mit der neuen Regierung ist der Anteil der Frauen im Nationalrat auf 36 Prozent gesunken. Nur mehr 67 der 183 Sitze werden mit Frauen gesetzt sein. Die FPÖ stellt mit 13 von 57 Mandatarinnen den geringsten Frauenanteil, also nur 23 Prozent. Bei den Neos sind es 44 Prozent, also acht von 18 Mandatarinnen sind weiblich. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
Ich glaube, dass wir viele Dinge als selbstverständlich erachten, die es nicht sind. Eines davon ist die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Der heutige Tag ist der 106. Jahrestag des Wahlrechts für Frauen. Das heißt, am 12. November 1918 wurde beschlossen, dass alle Frauen Stimmrecht bei Nationalratswahlen haben. Das war davor nicht der Fall. Und seitdem ist viel weitergegangen, aber zwischendurch gibt es auch Rückschläge. Der FPÖ ist das klar kein wichtiges Anliegen und den Wählerinnen und Wählern war das scheinbar kein primäres Anliegen. Und da stelle ich mir die Frage, was unsere Prioritäten sind, weil wir schon den Anspruch haben sollten, dass im Nationalrat verschiedene Perspektiven eingebracht werden – Frauen und Männer haben oft unterschiedliche Lebensrealitäten, etwa wenn es um die Kindererziehung oder den Beruf geht, diese sollten auch ebenbürtig abgebildet sein. 

Was wünschen Sie sich als Neos-Abgeordnete in einer Regierungsrolle? 
Ich wünsche mir vor allem Reformen im Bildungs-, Migrations- und im Pensionsbereich, der jahrzehntelang nicht angefasst wurde, aber auch im Justizbereich. Wir haben ein Justizsystem, das sich über hohe Prozesskosten selbst finanziert, wo wir aber trotzdem nicht ausreichend Richterinnen neu einstellen. Also es gibt viele Bereiche, wo es in Österreich Reformen braucht, wo wir etwas weiterbringen wollen. Die Grundlage dessen ist ein ausgeglichenes Budget. Dafür ist auch gute Standortpolitik zentral und hier wollen wir mehr Freiheit für die Wirtschaft, dass man auch dereguliert. Kaum ein Land ist so bürokratisch wie Österreich. Was wir nicht wollen, sind neue Steuern und eine noch stärkere Belastung der Bürger. 

Der Erste Nationalratspräsident, Walter Rosenkranz, hat als ersten Gast Ungarns demokratiepolitisch umstrittenen Staatschef Victor Orban empfangen. Wie denken Sie darüber?
Auch ein ziemliches Statement. Wenn man sich ansieht, was für eine Politik Orban macht, der mit Ungarn innerhalb der EU nicht solidarisch ist, der ein 60er-Jahre-Familienbild verfolgt. Auf der anderen Seite ist Ungarn ein wichtiger Partner für Österreich, unabhängig davon, wer gerade in der Regierung ist. Wichtig ist, dass wir als Österreich unseren Protest inhaltlich kundtun. Aber, ob das in den Gesprächen zwischen Orban und Rosenkranz Thema war, bezweifle ich. 

Dann hat sich die Israelitische Kultusgemeinde geweigert, gemeinsam mit Rosenkranz der österreichischen Opfer der Shoa zu gedenken. Gibt das nicht zu denken, dass Österreichs zweithöchstes Amt im Staat von jemandem besetzt ist, der einer deutsch-nationalen Burschenschaft angehört? 
Es muss zu denken geben. Noch mehr gibt zu denken, dass 28 Prozent in Österreich die FPÖ wählen. Und ich glaube nicht, dass sie das tun, weil sie deutschnationales Gedankengut gut finden. Ich glaube, sie tun das aus Protest. Weil die FPÖ am klarsten die Migrationsfrage besetzt hat, weil die Freiheitlichen die Einzigen sind, die sagen, sie sind pro Russland und nicht klar für die Ukraine und so auch ziemlichen Populismus betreiben mit der Inflation. Und weil die FPÖ die Corona-Zeit für sich genutzt hat. Und die wesentliche Frage für alle anderen Parteien ist, wie machen wir bessere Politik, wie kommunizieren wir besser, um so von der FPÖ wieder Stimmen und Wähler zurückzuholen. Anders wird das nicht gehen. Wir müssen schon auch anerkennen, dass in Österreich die FPÖ tatsächlich den ersten Platz belegt hat. Es kann eben nur ein Auftrag an alle anderen sein, dass man besser wird.

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