Reitbetriebe
"Wollen beim Personen- und Tierschutz nicht wegschauen"

In einem Exklusivgespräch gewährt die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe im Fachverband Freizeit- und Sportbetriebe in der Wirtschaftskammer (WKO), Rafaela Kamper, MeinBezirk.at Einblicke in ihre Branche, und erläutert dabei auch Problemstellungen, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht. | Foto: Unsplash / Lucia Macedo xX
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  • In einem Exklusivgespräch gewährt die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe im Fachverband Freizeit- und Sportbetriebe in der Wirtschaftskammer (WKO), Rafaela Kamper, MeinBezirk.at Einblicke in ihre Branche, und erläutert dabei auch Problemstellungen, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht.
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Immer mehr Familien verbringen ihren Sommerurlaub am Reiterhof, manche Menschen stellen ihre Vierbeiner in einem Stall ein und wieder andere nutzen Pferde für die Therapie. Die Tiere sind daher hierzulande nicht nur ein beliebter Freizeit-, sondern auch ein großer Wirtschaftsfaktor. In einem Exklusivgespräch gewährt die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe im Fachverband Freizeit- und Sportbetriebe in der Wirtschaftskammer (WKO), Rafaela Kamper, MeinBezirk.at Einblicke in ihre Branche, und erläutert dabei auch Problemstellungen, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht.

ÖSTERREICH. "Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde" – nach diesem altbekannten Sprichwort lebt Rafaela Kamper, die das "Horse Resort am Sonnenhof" in Hart bei Graz leitet. Hier finden Pferdebesitzer einen Platz, um ihre Lieblinge das ganze Jahr über einstellen, versorgen und pflegen zu lassen. Mit ihrem Ressort zählt Kamper daher zu den gewerblichen Reitbetrieben; eine Branche, die sich nicht so einfach definieren lässt. Die Pferde-Expertin:

"Das ist recht breit gefächert. Ein Reitbetrieb kann ein Einstellbetrieb sein, wo man von fremden Personen Pferde bei sich einstellt und versorgt. Man übernimmt die Pflege von den Pferden und zum Teil auch die Ausbildung. Das geht natürlich über zu Betrieben, die in der Zucht tätig sind; so wie die Lipizzaner und dergleichen. Es gibt Betriebe, die Reitschulen anbieten oder Reitercamps."

Zudem gebe es etwa auch das therapeutische Reiten oder den Kutschenbetrieb. Pferdebetriebe decken demnach eine breite Palette ab, gemeinsam haben sie alle den Faktor Pferd. 

Reitbetriebe lassen sich nur schwer definieren. | Foto: Unsplash /  Anna Kaminova
  • Reitbetriebe lassen sich nur schwer definieren.
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Mehr als 23.000 Arbeitsplätze dank Pferden

Aufgrund dieser Vielfalt sind die Tiere auch ein wichtiger Faktor für die österreichische Volkswirtschaft. Laut Untersuchungen des Industriewissenschaftlichen Institutes aus dem Jahr 2019 generiert der Tourismus- und Freizeitfaktor "Pferd" eine jährliche Wertschöpfung von knapp 1,11 Milliarden Euro. Unter der Annahme, dass 120.000 der Tiere in Österreich leben, bedeutet dies, dass jedes Pferd im Durchschnitt eine Wertschöpfung in Höhe von rund 9.100 Euro auslöst. Zudem zeigt die Erhebung, dass die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Tourismus- und Freizeitfaktor Pferd 23.700 bis 24.800 Arbeitsplätze schaffen. Diese Zahlen verdeutlichen den wirtschaftlichen Faktor der Pferdebetriebe, so die Bundesbrachensprecherin.

Ausgleich zum Smartphone und der Schule

Gerade in den letzten Jahren haben diese Betriebe einen neuen Aufschwung erlebt. So seien Urlaube auf Reiterhöfen und Sommercamps bei Familien, Kindern und Jugendlichen immer beliebter geworden. Gerade für die Jüngsten sei die Zeit mit dem Pferd ein wichtiger Ausgleich zum elektronischen Alltag, wie Kamper ausführt:

"Es ist eigentlich eine der wenigen Sportarten, wo man mit einem Lebewesen, also mit einem Vierbeiner, zu tun hat. Und zu Zeiten von Handy, Tablet und Co., wo alles per Knopfdruck funktioniert, ist das Pferd natürlich etwas Anderes. Deswegen finden wir, dass es eine extrem schöne Sportart und eine ganz tolle Freizeitbeschäftigung ist."

Die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe sieht den Umgang mit Pferden als Bereicherung für Kinder an. | Foto: Shutterstock / Altrendo Images
  • Die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe sieht den Umgang mit Pferden als Bereicherung für Kinder an.
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Zudem können Kinder und Jugendliche auch einen Abstand vom
schulischen Alltag gewinnen. So kommen auf den Reiterhöfen oftmals Kinder in unterschiedlichen Altersgruppen zusammen und können sich altersübergreifend kennenlernen. Dadurch entstehen Freundschaften abseits der Schule. "Unabhängig davon, ob man ein(e) super SchülerIn oder ein(e) schlechte(r) SchülerIn ist. Das ist eigentlich völlig egal, weil man mit dem Pferd und den anderen Freundinnen und Freunden Zeit verbringt", so Kamper.

Aber auch für hyperaktive Kinder sei die Zeit mit Pferden ein guter Umgang, so die Bundesbranchensprecherin. So müsse im Zusammenhang mit den Tieren Ruhe einkehren, weil man sonst gar nicht mit einem Pferd arbeiten könne. Dabei gehe es nicht nur um das Reiten an sich, sondern vielmehr um das Drumherum. So müssen die Kinder lernen, sich um ein anderes Wesen zu kümmern und dieses zu pflegen.

Corona und Teuerungen

Besonders während der Corona-Pandemie haben die Reitbetriebe einen regelrechten Boom erlebt, wie die Branchensprecherin erzählt. Zu Beginn habe sie "wilde Befürchtungen" gehabt und eine Katastrophe erwartet, "das Gegenteil war der Fall". So haben viele die Zeit in der Natur und mit ihrem Pferd genutzt, um dem tristen Alltag und dem Lockdown entfliehen zu können.

Aktuell dämpfe die Teuerung aber den Aufschwung der Branche. So können sich viele die Einstallung ihres Vierbeiners nicht mehr leisten. "Die Tendenz ist ganz ehrlich so, dass sich aufgrund dieser Preissteigerung viele das natürlich nicht mehr leisten können und in günstigere Betriebe abwandern", so Kamper.

Landwirtschaftliche vs. gewerbliche Betriebe

Das Spannungsfeld zwischen landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben sei schon länger Thema in der Branche, da viele Menschen mit ihren Pferden auf landwirtschaftliche Betriebe ausweichen. Diese dürfen je Hektar maximal zwei Großvieheinheiten (GVE) einstellen, wobei in Summe nicht mehr als 25 Pferde pro Betrieb erlaubt sind. Besitzt ein landwirtschaftlicher Betrieb also eine Fläche von zehn Hektar, dürfen höchstens 20 Pferde gehalten werden. Möchte ein Betrieb nun mehr Pferde einstallen, so müsste er zu einem gewerblichen Reitbetrieb umgewandelt werden. Diese Regulierung hat die Landwirtschaftskammer (LK) erst im Juni hinterfragt, wobei sie insbesondere gegen die Obergrenze von 25 Tieren vorgehen möchte.

Landwirtschaftliche Betriebe dürfen aktuell maximal 25 Pferde bzw. zwei Großvieheinheiten (GVE) pro Hektar unterbringen.  | Foto: pixabay.com
  • Landwirtschaftliche Betriebe dürfen aktuell maximal 25 Pferde bzw. zwei Großvieheinheiten (GVE) pro Hektar unterbringen.
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Die Bundesbranchensprecherin der gewerblichen Reitbetriebe sieht dies äußerst kritisch und vermutet, dass die Dunkelziffer der landwirtschaftlichen Betriebe, die mehr Pferde als die erlaubte Höchstgrenze einstellen, ohnehin bereits sehr hoch liege. Aktuell gibt es 328 aktive gewerbliche Reitbetriebe im Fachverband Freizeit- und Sportbetriebe und "in Wirklichkeit liegt die Zahl aber wahrscheinlich weit darüber." Problematisch daran sei, dass landwirtschaftliche Betriebe nicht denselben Kontrollen und Überprüfungen unterliegen wie Gewerbebetriebe. So erklärt Kamper:

"Die Gewerbebetriebe sind in der Gewerbeordnung verpflichtet, alle drei bis fünf Jahre eine Überprüfung der gesamten Anlage zu machen, der ganzen Fahrzeuge zu tätigen und dergleichen. Das heißt, sie müssen immer am aktuellen Stand auch in Bezug auf Elektroatteste, Brandschutz-Angelegenheiten und dergleichen sein. Und diese Überprüfungen finden bei landwirtschaftlichen Betrieben nicht statt."

"Bei Personen- und Tierschutz nicht mehr wegschauen"

Die Bundesbranchensprecherin bezeichnete es gegenüber MeinBezirk.at als "mehr als fraglich", dass landwirtschaftliche Betriebe, die Pferde beherbergen, nicht ähnlich überprüft werden. Schließlich sammeln sich dort viele Menschen - vor allem Kinder – an, weshalb der Personenschutz äußerst wichtig sei. Aus diesem Grund ist es der Wunsch der Branche, dass landwirtschaftliche Betriebe, sobald hier ein Kundenverkehr im Sinne eines Betriebes stattfindet, "dieselben Standards zum Wohle der Menschen und Tiere aufweisen" müssen wie die gewerblichen. Eine Ausnahme stelle hier lediglich die Zucht dar.

Auch wenn bisher nichts Tragisches passiert ist, so könne man nicht erwarten, dass das immer so bleibt, wie Kamper ausführt:

"Stellen Sie sich vor, sie haben da einen Betrieb und dort brennt es. Und dann gibt es da einfach keine Fluchtwegbeleuchtung, weil das bei landwirtschaftlichen Betrieben nicht vorgeschrieben ist, und dann sind dort Kinder in dem Gebäude. Die kriegen Panik; die wissen nicht, wie sie reagieren sollen und dann passiert etwas. Das sind schon ganz kritische Themen, wo wir von der Wirtschaftskammer sagen: 'Wir wollen da nicht wegschauen'."

Es sei "einfach nicht in Ordnung", dass etwa Maschinen, die in der Nähe von Kindern sind, Feuerlöscher oder Blitzschutzanlagen, nicht regelmäßig überprüft werden, so die Bundesbranchensprecherin weiter.

Findest du es in Ordnung, dass landwirtschaftliche Betriebe nicht im selben Ausmaß kontrolliert werden?

Der wichtigste Aspekt in dieser Debatte sei für Kamper der Schutz von Personen - insbesondere von Schutzbedürftigen wie Kinder. Dennoch dürfe auch das Tierwohl nicht außer Acht gelassen werden. So gebe es in Österreich noch genug Stallungen, wo etwa die Belichtung, die Größe, oder die Auslauffläche für die Pferde nur unzureichend gegeben sei.

Gespräche mit der Landwirtschaftskammer werden gesucht

Wie Kamper erklärt, gehe es bei der Debatte keineswegs darum, dass landwirtschaftliche Betriebe der Wirtschaftskammer beitreten sollen. Aber es müsse einfach Gleichstellung herrschen, da es sich hierbei "natürlich auch" um eine Wettbewerbsverzerrung handle. So könnten landwirtschaftliche Betriebe ihre Preise deutlich besser positionieren, da für sie die Kosten für Überprüfungen und Erneuerungen wegfallen.

So habe die Branchensprecherin etwa selbst erst im vergangenen Jahr "auf einen Schlag gleich mal 8.900 Euro" für Elektroatteste und die Erneuerung ihrer Anlage zahlen müssen. Das sei zwar eine Menge Geld, aber "diese Anforderungen gibt es ja nicht zum Spaß. Das macht schon Sinn." Aus diesem Grund möchte der Fachverband Freizeitbetriebe im Herbst Gespräche mit der LK suchen, um in der Angelegenheit eine Einigung zu finden. Denn schlussendlich dürfe man hier nicht mehr wegschauen. "Es ist so wichtig, dass Kinder und Jugendliche in sicherer Umgebung mit Pferden arbeiten können oder auch Erwachsene ihre Freizeit mit den Tieren unbekümmert verbringen können. Deswegen möchten wir die Sicherheitsaspekte auf diesen Betrieben verbessern", so Kamper abschließend. 

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