Langer-Weninger im Interview (ÖVP)
"Die Moral wird am Supermarktregal abgelegt"
Michaela Langer-Weninger (ÖVP) ist seit 2021 Landesrätin für Landwirtschaft, Gemeinden und Feuerwehrwesen. Im Gespräch mit der BezirksRundSchau spricht sie über die Teuerung bei Lebensmitteln, die Folgen eines Gas-Stopps für die Lebensmittelversorgung und warum sie die lange Übergangszeit bei der Vollspaltbodenhaltung für Schweine unterstützt.
Die Arbeiterkammer OÖ hat vorgerechnet, dass Milchprodukte um 30 Prozent teurer geworden sind. Ähnliche Steigerungen sieht man bei vielen anderen Lebensmitteln. Freuen sich die Bauern also über mehr Marge?
Das ist ein Trugschluss, weil wir bei den landwirtschaftlichen Betrieben ebenso Preissteigerungen haben – bei Energie, Futtermitteln und Betriebsmitteln. Es gibt teilweise eine Verfünffachung der Betriebsmittelkosten und die Bauern brauchen die Mehrerlöse dringend, um das abdecken zu können. Also, die angeführten 30 Prozent sind nicht ein Gewinn, den ein landwirtschaftlicher Betrieb macht, sondern es ist für viele Betriebe momentan trotzdem schwer, die Kosten zu decken.
Aber bleibt den heimischen Bauern irgendwas von den steigenden Preisen, oder fressen die Kosten alles weg?
Das ist sehr unterschiedlich, je nach Betriebsausrichtung – das kann man nicht pauschal sagen. Aber die Produktionskosten sind jedenfalls in allen Bereichen gestiegen. Das ist auch der Grund, warum der Bund das Versorgungssicherheitspaket im Ausmaß von 110 Millionen Euro beschlossen hat.
In den letzten Jahren gab es einen starken Trend in Richtung Bio und Regionalität. Aufgrund der Teuerung greifen Konsumenten aber nun stärker zu billigen Aktionen. Ist die hohe Inflation somit ein weiterer Turbo für das Bauernsterben?
Jeder Griff zu einem landwirtschaftlichen Produkt aus der Region ist ein Produktionsauftrag an die heimische Landwirtschaft. Und ja, in den Premiumsegmenten wird aufgrund der Teuerung weniger zu regionalen Produkten gegriffen. Aber man darf das nicht überbewerten, denn wir sind aktuell etwa auf dem Stand von Vor-Corona. Wir müssen jedenfalls dafür sorgen, die heimische Produktion hochzuhalten. Denn es gibt stetig die Forderung nach mehr Tierwohl und Umweltschutz – jeder will das. Aber dann wird die Moral meist im Supermarktregal abgelegt und das billige Produkt gekauft.
In Zeiten so hoher Inflation ist es schwer den Menschen einen Vorwurf zu machen …
… wir machen niemandem einen Vorwurf. Die Landwirtschaft in Österreich ist so breit aufgestellt, da ist für jeden etwas dabei. Wir produzieren nicht nur im Premiumsegment, man kann auch ein österreichisches, regionales Produkt durchaus „kostengünstig“ einkaufen. Die zweite Frage ist aber, wie sorgsam man mit Lebensmitteln generell umgeht. Es werden sehr viele Lebensmittel weggeworfen, im Durchschnitt 133 Kilo pro Jahr und Haushalt, das sind zwischen 400 und 800 Euro. Das könnte man sich natürlich sparen – im doppelten Wortsinn.
Nochmal zur Inflation: Gefährdet die Teuerung jetzt den Bauer in fünf Jahren, wenn dessen Produkte nicht mehr konkurrenzfähig, weil zu teuer, sind?
Natürlich beschäftigt uns das. Niemand von uns hat eine Kristallkugel und weiß, wie lange diese hohe Inflationsrate anhalten wird – und niemand weiß, was diese noch bewirkt. Wir haben derzeit eine sehr hohe Beschäftigung, aber wir wissen nicht, wie sich das Wirtschaftswachstum entwickeln wird. Von der Bauwirtschaft hört man ja schon, dass es ein bisschen nachlässt. Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung wird sich darauf auswirken, was sich Familien insgesamt leisten können – wo man einkauft, wie man einkauft und das hat dann Auswirkungen auf die Produktion.
Man hat in der Corona-Krise die Bedeutung der Lebensmittelversorgung im Land gesehen, auch aufgrund des Ukraine-Kriegs hat diese einen wichtigen Stellenwert. Wie unabhängig ist Österreich bei der Lebensmittelversorgung eigentlich?
Wir können uns in Österreich durchaus selbst versorgen und die Bevölkerung muss sich keine Sorgen machen, dass wir nicht ausreichend zu essen hätten. Aber wenn wir wollen, dass auch in Zukunft auf den heimischen Flächen produziert wird, müssen wir der Landwirtschaft beim Einkaufen die entsprechende Unterstützung geben. Sonst wird, wenn man es braucht, niemand mehr da sein, der auf diesen Flächen produzieren kann.
Themenwechsel zur Energiekrise: Wie würde sich ein eventueller Gas-Stopp auf die Versorgungssicherheit bei Lebensmitteln auswirken?
Die Landwirtschaft und die Lebensmittelverarbeiter sind als systemrelevant eingestuft, da Milch und Fleisch täglich produziert wird und entsprechend gekühlt, abgeholt und verarbeitet werden muss.
Also Molkereien, Schlachtbetriebe und Co. würden weiterlaufen ...
Ja. Aber für den Fall, dass das Gas wirklich komplett abgedreht würde, erarbeitet das Energieministerium gerade die entsprechenden Verordnungen, die bestimmen, wie das Gas dann verteilt wird.
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) macht ein großes Geheimnis aus den Rationierungsplänen. Wissen Sie da besser Bescheid?
Im Detail wissen wir auch nicht Bescheid, aber wir wissen, dass die Landwirtschaft und die Lebensmittelversorgung als systemrelevant eingestuft sind.
Die Bundesregierung hat angekündigt, dass 2040 ein Verbot von Vollspaltenböden bei der Schweinehaltung kommt. Ein sehr langer Zeithorizont, da gibt es schon früher ein Verbot für den Verbrennungsmotor. Warum kann man die Vollspaltenböden in Österreich nicht schon bis 2030 abschaffen?
Weil die Bauern, wie jeder andere auch, Sicherheit und Investitionsschutz brauchen. Viele Landwirte haben erst vor zwei, drei Jahren einen neuen Stall gebaut und wenn jetzt in fünf Jahren ein Gesetz käme, dass das verbietet, wäre das ein großes Problem. Denn so eine große Investition wird auf 20 oder 25 Jahre gerechnet. Wir müssen außerdem darauf achten, die Versorgungssicherheit nicht zu verlieren. Wir haben momentan 100 Prozent Selbstversorgungsquote im Schweinebereich, aber der Druck in der Branche ist sehr groß. Viele Schweinebauern haben den Eindruck: „Es will mich ja niemand mehr, so wie ich produziere“. Aber die Vollspaltenböden sind eigentlich genau das, was in den meisten europäischen Ländern Standard ist. Und wir haben in Schweden gesehen, das die Vollspaltböden abgeschafft hat, dass sie auf 60 Prozent Selbstversorgungsquote zurückgefallen sind.
Weil das Schweinefleisch teurer wurde?
Ja, und weil die Betriebe gesagt haben: Da mach ich nicht mehr mit. Denn man weiß nach der Umstellung gar nicht, ob man überhaupt noch Abnehmer hat. Wenn wir jetzt die Betriebe umstellen und in neue Ställe investiert wird, kostet das Schwein automatisch mehr, weil der Aufwand viel größer ist. Es muss dann im Regal teurer werden. Aber, was wir derzeit aufgrund der hohen Inflation noch stärker erleben, ist, dass die Bereitschaft dafür zu zahlen nicht da ist. Und darum ist unser Zugang: Ja, die Landwirtschaft ist bereit, sich weiter zu entwicklen, aber wir brauchen auch den Markt dazu.
Aber ist das Argument nicht im Jahr 2040 das gleiche? Wer weiß, ob dann die Konsumenten gewillt sind, das zu bezahlen?
Fakt ist, dass das Ende der Vollspaltenböden jetzt beschlossen wurde. Die Betriebe überlegen sich nun bis 2040, in Zusammenarbeit mit Experten, wie in Zukunft ein gesetzlicher Standard aussehen kann. Und die Betriebe, die in den nächsten Jahren einen neuen Stall bauen, werden ohnehin nicht mehr Vollspalten bauen – da sie keine Förderungen mehr dafür bekommen. Sie werden sich vielmehr anpassen und weiterentwickeln. Aber es muss sich eben auch der Markt mitentwickeln.
Verfolgt man die Diskussion, hat man den Eindruck, dass es einem Schwein in einem Stall mit Vollspaltenböden furchtbar schlecht ginge. Ich nehme an, Sie sehen das anders?
Wenn es einem Schwein so furchtbar schlecht gehen würde, ginge es auch den Bauern schlecht, weil dann hätten sie nur kranke Tiere zuhause und würden nichts verdienen. Aber das Schwierige in der öffentlichen Diskussion ist Folgendes: Jeder will, dass das Schwein im Stroh steht, aber im Supermarkt greift man dann zur Aktion.
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