Insolvenzwelle
Tirol mit + 309,5 Prozent an Firmeninsolvenzen, Maßnahmen sind überfällig

Insolvenzen steigen wieder an, Christian Huber fordert rasche Gegenmaßnahmen. | Foto: MeinBezirk/Lunke
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Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen bei den Firmeninsolvenzen für das 1. Quartal 2022 in Österreich analysiert. Sind die Firmeninsolvenzen seit Beginn der Pandemie auf den niedrigsten Stand seit 1990 gesunken, hat sich die im Herbst 2021 eingesetzte Trendwende im 1. Quartal 2022 weiter verstärkt. Den stärksten Zuwachs verzeichneten Tirol mit +309,5%. FW-Huber fordert rasche Gegenmaßnahmen: „Staatliche Zahlungsverpflichtungen müssen an die dramatische Situation angepasst werden“.

INNSBRUCK. Die Firmeninsolvenzen sind österreichweit um 111% auf 1.055 Verfahren angestiegen und erreichen damit fast das Vorkrisen-Niveau. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 89,8% auf 611 gestiegen. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen haben sich gar um 150% auf 444 erhöht – ein Alarmzeichen für alle Gläubiger. Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform, sieht als Hauptursache dafür das Auslaufen der staatlichen Hilfen. Ebenso sind die öffentlichen Gläubiger (Finanz, GKK) wieder im Normalbetrieb und stellen vermehrt Insolvenzanträge. Bei vielen Unternehmern ist der Umsatz nach den zahlreichen Lockdowns und Corona-Maßnahmen nicht in dem erwarteten Umfang zurückgekommen, sodass sie Probleme bei der Bedienung von Ratenvereinbarungen haben. Auch zerrt das ständige Auf und Zu an den unternehmerischen Nerven und zwingt zum Aufgeben. Die überwiegende Anzahl an Insolvenzen hat Klein- und Kleinstunternehmen betroffen. Die Insolvenzpassiva belaufen sich auf rund 205 Mio. Euro. 3.000 Arbeitsplätze waren betroffen.

Schaden für Wirtschaftsstandort

Nach der wirtschaftlichen Krise während der Coronapandemie sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer von der enormen Teuerungswelle extrem betroffen, Christian Huber, FW-Tirol-Obmannstellvertreter warnt in einer Aussendung vor den eormen Schaden der bereits eingesetzten Exekutionswelle für den Wirtschaftsstandort Innsbruck. „Niemand möchte sich von seinen Zahlungsverpflichtungen drücken, aber die aktuelle Situation fordert nicht nur Härtefälle, sondern zieht weitreichende Kreise.“ Vor allem bei staatlichen Forderungen erwartet Huber ein rasches Handeln von politischer Seite.

 Insolvenzen 1. Quartal 2022 | Foto: Creditreform
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Teuerungswelle

„Egal ob Unternehmer, Arbeiter oder Angestellter, ein Festhalten des Staates bei Zahlungsvereinbarungen auf gesetzlich vorgeschriebene Termine und Zahlungshöhen ist aktuell unverantwortbar.“ Die Teuerungswelle ist in allen Lebensbereichen spürbar, entsprechende Gegenmaßnahmen fehlen immer noch. „Stattdessen werden von staatlichen Stellen Exekutionen angedroht bzw. vollzogen“ und "fast schon" sittenwidrige Verzugszinsen verrechnet, schildert Huber den derzeitigen Alltag. „Die Betroffenen wehren sich keineswegs gegen die Zahlungen, aber sie sind aufgrund der aktuellen Ereignisse einfach nicht zu stemmen.“ Eine Exekutionswelle und daraus resultierende Insolvenzen können weder im Interesse der Sozialversicherung, des Finanzamtes noch des Staates sein, ist der Innsbrucker Unternehmer überzeugt. Huber bringt auch praktische Beispiele "bürokratischer Flexibilität und individueller zeitlicher Abfolge". Rund um die Coronaförderungen gibt es zahllose Unternehmer, die zwar terminmäßig genau ihre Unterlagen übermitteln mussten, aber immer noch keine Auszahlung der Förderungen bekommen haben", informiert Huber. "Ich spreche dabei nicht von Wochen, sondern von Monaten", führt Huber weiter aus. "Hier zeigt sich deutlich, dass eine Flexibilität bei der Bürokratie, wenn es um den eigenen Vorteil geht, vorhanden ist. Im Falle der Einbringung von Forderungen beharren diese Institutionen jedoch wieder penibel auf Fristen." Fairerweise muss man aber sagen, dass diese Institutionen nichts dafürkönnen, sondern lediglich "Befehlsempfänger" der in letzter Zeit immer kurzfristiger verantwortlichen Politiker in den Ministerien sind, die "oftmals" an der Realität vorbei Leben und vergessen, dass genau diese Unternehmen mit Ihren Mitarbeitern, die seit fast zwei Jahren von der Politik "terrorisiert" werden, für den Wohlstand Österreichs verantwortlich sind!

Gegenmaßnahmen

„Die Verantwortlichen sollten endlich rasch reagieren und sozial angepasste Lösungen vorlegen. Eine automatisierte Abhandlung eines Zahlungsbefehles gehört da eben nicht dazu, sondern man muss auch von Seiten der SVA oder des Finanzamtes eine individuelle Behandlung erwarten können“, fordert Huber eine klare Vorgangsweise der Politik. Huber wünscht sich auch, dass sich die Sozialpartner dieser Problematik annehmen. „Die Teuerungswelle trifft jeden aus unserer Gesellschaft, ebenso wie Zahlungsverpflichtungen. Egal ob Landwirt, Industriller, Unternehmer, Arbeiter oder Angestellter“, erklärt Huber: „Die Politik muss sich der dramatischen Situation endlich bewusst werden.“

Ausblick

„In postnormalen Zeiten der Krisenpermanenz, in denen zahlreiche Krisen zeitgleich auf Unternehmen hereinstürmen, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Insolvenzen massiv ansteigen“, fasst Gerhard Weinhofer die aktuelle Lage zusammen. Neben den nach wie vor bestehenden Auswirkungen der Corona-Pandemie beschäftigen Klimawandel (Stichwort CO²-Steuer), Digitalisierung, Fachkräftemangel, Inflation und Lieferkettenprobleme die heimische Wirtschaft. Vom Ukraine-Krieg und einem vielleicht kalten Winter gar nicht zu sprechen. Dank einer weiterhin guten Eigenkapitalausstattung – mehr als 42% der Unternehmen verfügen über eine Eigenkapitalquote von über 30% - und einer starken Krisenresilienz haben zumindest die Mittel- und Großbetriebe diese Herausforderungen bislang gut gemeistert. Kleinere Unternehmen haben nicht die Finanzkraft, die Manpower oder schlichtweg die Möglichkeit, höhere Einkaufspreise an die Kunden weiterzureichen und sind daher gezwungen Insolvenz anzumelden.

Privatinsolvenzen

Allgemein liegen die Insolvenzursachen in einem Zusammentreffen vieler Faktoren, die sich über einen längeren Zeitraum aufgebaut haben: im Verlust des Arbeitsplatzes, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie generell im zu sorglosen Umgang mit Geld. Auslöser sind dann oftmals zusätzliche Faktoren wie Krankheit und Scheidung. Gut ein Drittel der Schuldner sind gescheiterte Selbständige. Die Durchschnittsverschulden liegt bei rund 60.000 Euro. Der Bundesländer-Vergleich zeigt den stärksten Zuwachs in Tirol (+103,9%), gefolgt von Niederösterreich (+48,2%) und der Steiermark (+31,8%).

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