Höttinger Bach
Der schlafende Riese – so steht's um die Verbauung

Höttinger Bach – der schlafende Riese | Foto: Ricarda Stengg
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INNSBRUCK. Auf den ersten Blick schön und idyllisch, birgt der Höttinger Bach so einige Gefahren in sich: Erhöhte Wassermengen, Lawinen oder Muren können hier jederzeit herunterkommen.

Der Winter hat auch in Innsbruck bereits seit einigen Wochen Einzug gehalten und somit beginnt vor allem im oberen Teil Höttings neben dem Höttinger Bach aufgrund der Lawinen- und Murengefahr wieder eine Zeit der Ungewissheit. Den Bewohnern aus Hötting ist die Angst förmlich ins Gesicht geschrieben, wenn sie darüber berichten, welche Katastrophen sich bereits in den vergangenen Jahren (Lawinenabgang 1967/68; Starkes Gewitter 1995, uvm.) ereignet haben und welche Gefahr auch heute noch besteht, falls es zu stärkeren Niederschlagereignissen kommen sollte. Der hinausgezögerte Bau eines Hochwasserschutzes in Hallein, der eine verheerende Flutkatastrophe zur Folge hatte, hat bereits gezeigt, was passieren kann, wenn die unberechenbare Gewalt der Natur ihren Lauf nimmt.

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Riskante Umstände

Das Projekt ist bekanntlich seit mehreren Jahren im Gespräch. Seit 2016 sind die kommissionierten Gefahrenzonenpläne (gelbe und rote Zonen) öffentlich einsehbar und stecken somit den Rahmen des Projektes ab. „Seit über 10 Jahren warten wir schon auf die versprochene Verbauung des Höttinger Baches. Bis heute ist jedoch nichts passiert, obwohl der Plan fertig ist und es anscheinend nur noch um Detailfragen geht“, hebt ein Bewohner aus Hötting verärgert hervor. Das Einzugsgebiet des Höttinger Baches (Frau Hitt bis Brandjoch) beträgt laut Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) etwa 6,5 km². Das Problem: Das Einzugsgebiet ist nur mäßig bis mittel bewaldet und die Speicherfähigkeit der Böden ist gering. Eine Schiebesperre beim Höttinger Bach wurde um 1924 zwar errichtet, bietet im Falle eines Unwetters jedoch nur geringen Schutz für die an den Bach angrenzenden Häuser. „Hinzu kommt, dass Anrisse (Geschiebeerde) vorhanden sind und, dass das Bachbett ein großes abgelagertes Geschiebepotenzial aufweist. Bei Eintreten eines Niederschlagsereignisses mit großer Jährlichkeit kann ein Abfluss von größer als 20,6 Kubikmeter pro Sekunde auftreten“, erklärt der Bewohner weiter, der sich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

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Statements aus der Politik

„Über die Staubeckenkommission der WLV wurde ich damals darüber informiert, dass die Idee des Projektes seit 2010 besteht. Eines ist ganz klar: Vom sicherheitstechnischen Aspekt, muss der Verbauung des Höttinger Bachs allerhöchste Priorität eingeräumt werden, da hier jederzeit was passieren kann. Eine Lawine in diesem Bereich ist schon schlimm genug, doch wenn eine Mure kommt und das Einzugsgebiet den Notstau nicht mehr aufnehmen kann, dann dringt diese bis zum Inn vor“

, betont Vizebürgermeister Johannes Anzengruber, der für die Bereiche Sicherheit, Wald und Natur zuständig ist.

„Das Vorhaben befindet sich noch im Bewilligungsstadium, in ein laufendes Verfahren kann und will ich nicht eingreifen bzw. will ich hier nicht vorgreifen. Wie die Vergangenheit aber gezeigt hat, haben auch Winter mit sehr viel Schnee und Sommer mit Starkregen im betroffenen Oberlaufbereich des Höttinger Baches zu keinen größeren Problemen geführt“

, hebt Bürgermeister Georg Willi zum Projekt hervor.

"Es dauert zu lange"

„Tritt der Bach im oberen Bereich (Durchlass bei Straßenbrücke in der Dorfgasse) aus, das ist im Falle einer Verklausung sehr wahrscheinlich, so kann das aus dem Bach ausgetretene Wasser nur zum Teil wieder in das Bachbett zurückfinden. Der größere Teil dürfte über die Dorfgasse, Schneeburggasse, Höttinger Gasse, Kirschentalgasse auch über Frau Hitt- und Brandjochstraße nach Maria Hilf (St. Nikolaus) abschließen – und das mit einer Menge von mehr als 20 Kubikmetern pro Sekunde. Das ist nur eine Abflussbetrachtung des reinen Niederschlags mit geschichtlichen Niederschlagswerten und Ereignismodellen. Aktuelle Anpassungen an die Niederschlagsereignisse auf der nördlichen Halbkugel sind hierbei nicht berücksichtigt. Meines Erachtens muss die Verbauung des Höttinger Baches endlich umgesetzt werden“, betont der Bewohner aus Hötting.

"Technische Einwände sind lösbar"

Projektierungs- und Bewilligungsdauer dauern laut dem Anrainer trotz des Bewusstseins des Gefahrenpotentials viel zu lange: „Die technischen Einwendungen der Sachverständiger sind lösbar. Der periodisch-erforderliche Wartungsaufwand ist groß, daher ist eine robustere Lösung mit reduzierten beweglichen Teilen eventuell ohne Stauklappe anzustreben. Eine solche Sperre ist aus betrieblicher Sicht nicht vergleichbar mit einer Sperre eines Wasserkraftwerkes, bei welchem eine permanente Betriebsmannschaft verfügbar ist.“

Der Höttinger Bach fliest genau neben der Dorfgasse entlang hinab in Richtung Altstadt. | Foto: Ricarda Stengg
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Unzählige Häuser stehen direkt neben dem idyllisch-wirkenden Bach. | Foto: Ricarda Stengg
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„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert“, so ein Bewohner aus Hötting. | Foto: Ricarda Stengg
  • „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis etwas Schlimmes passiert“, so ein Bewohner aus Hötting.
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Der Plan

„Ein konkretes Projekt verfolgen wir seit 2016 anhand der Gefahrenzonenpläne. Wir gehen von einer Finanzierungsmenge von ca. 10 Millionen Euro oder mehr aus. Der Höttinger Bach besteht zwar aus einem Gerinne, nur reicht das Gerinne von der Kapazität her nicht aus, um ein 150-jährliches „Bemessungsereignis“ (statistischer Wert) abzuführen. Es kommen also deutlich mehr Wassermengen, als das bestehende Gerinne im Ereignisfall aufnehmen kann und dieses würde nur oberflächlich abrinnen“, erklärt Projekt-Leiter Karl-Heinz Reckziegel vom Referat für Brücken- und Wasserbau. „Insgesamt ist das Projekt in zwei Teile geteilt, die einander bedingen: Oberhalb der Dorfgasse ist nahe der Zimmerei Heiss ein Geschiebebecken geplant, das die Steine des Einzugsgebiets der Nordkette vom Wasser trennt. Anschließend wird eine Retentionsanlage errichtet, wo das Wasser dann zurückgehalten und aufgestaut werden soll. Die Retentionsanlage wird eine Dammhöhe von 28 m haben und kann/muss im Bedarfsfall eine Menge von 40.000 Kubikmeter Wasser "retentieren". Dies erfordert natürlich eine zeitaufwändige Überzeugungsarbeit mit den Eigentümern, die im Interesse der Öffentlichkeit den Grund abgeben müssen, womit wir bereits im Sommer diesen Jahres begonnen haben. Außerdem gibt es auch den Unterlauf des Baches, der instand gesetzt werden soll. Dieser ist allerdings in gutem Zustand“, so der Projekt-Leiter weiter.

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Kosten- und Zeitaufwändig

„Am Projekt beteiligt ist auch ein Teil der Staubeckenkommission (Expertenteam von Geologen, Wasserbautechiker, usw.), weil es sich dabei laut Definition um eine Talsperre (hohe Sicherheitsanforderungen) handelt. In Tirol gibt es zwar einige Talsperren vor allem im Kraftwerksbereich, in Innsbruck allerdings noch nicht. Somit wäre dies also die erste. Die Idee, 40.000 Kubikmeter Wasser mittels Retentionsbecken aufzufangen, birgt eine große Gefahr mit sich, weswegen auch die Entwicklungszeiten sehr viel höher sind als jene, bei einem Hochschutzbauprojekt. Immerhin ist der rein technischen Ansatz, der besagt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass auch solche Bauwerke versagen könnten, vorhanden. Daher wird hier höchster Wert auf Sicherheit gelegt, da man sicherstellen will, dass sich solch große Wassermengen nicht über die Siedlungen ergießen. Ein Bericht von der Staubeckenkomission zum Retentionsbecken formuliert weitere 97 Auflagen, die wir erfüllen müssen. Eine davon ist, dass wir noch einen Modellversuch für das Geschiebebecken benötigen: Das Ganze muss hydraulisch nachgebaut und getestet werden (Universität oder Versuchsanstalt). Alle technischen Risikofaktoren müssen abgedeckt werden“, hebt Reckziegel hervor.

Zudem werden direkt neben dem Bach momentan neue Wohnungen gebaut. | Foto: Ricarda Stengg
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Die Umsetzung

„Da sich das offene Gerinne im unteren Bereich auf Eigengrund der Republik befindet, gibt es auch hier bereits konkrete Pläne für die Umsetzung. Beim anderen Teil des Projektes befinden wir uns mitten drinnen: Ein Retentionsbecken ist deutlich aufwändiger umzusetzen. Was die Talsperre betrifft, da sind wir mit der WLV in guter Zusammenarbeit, einen Modellversuch auf die Beine zu stellen. Dieser wird dann zeigen, wieviel Energie durch den Wasserstau abgebaut wird. Die Stufe eins wurde also gezündet. Die Stufe zwei benötigt noch Vorarbeiten im Interesse aller. In etwa ein bis zwei Jahren, wenn die rechtliche Genehmigung erfolgt ist, kann alles im Detail geplant und ausgeschrieben werden. Bei Stufe zwei ist die Zeit der Umsetzung aufgrund von 97 zu erfüllenden Auflagen nur schwer festzustellen. Da wir unter anderen Umständen gewiss noch den ein oder anderen Punkt finden, der herausfordernd ist. Die Dringlichkeit der Sicherung des Gefahrenzonenplans ist uns durchaus bewusst, aber man möchte ein nachhaltiges dauerhaftes Produkt haben, es muss die Instandhaltung geklärt werden und es muss einen Talsperrenverantwortlichen geben. gar nicht einfach, in Tirol gibt es nicht viele, wer macht das rund um die Uhr? Im Bezug auf das zeitnahe Projekt bringt es keinem was, wenn man vorher nicht alle kritischen Fragen abgearbeitet hat, Wir sind auf einem guten Weg, alle Details abzuklären und Sachverständiger ins Boot zu holen“, so der Projekt-Zuständige abschließend. 

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