Jung von Demenz betroffen
Friederike de Maeyer über das Leben als Angehörige

Friederike de Maeyers Mann ist jung von Demenz betroffen. Im Interview berichtet sie von den Schwierigkeiten und Herausforderungen ihres Alltags und welches Angebot sie für andere Betroffene schaffen möchte. | Foto: MeinBezirk.at
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Friederike de Maeyer berichtet MeinBezirk.at aus dem Leben und den Schwierigkeiten einer Angehörigen eines jung von Demenz betroffenen Menschen. Gemeinsam mit Salz - Steirische Alzheimerhilfe stellt sie nun eine Gesprächsrunde für andere Angehörige. 

GRAZ. Als Friederike de Maeyers Ehemann Christian Genschel die Diagnose Demenz erhielt, war er 56 Jahre alt. Erste Symptome, wie Schmerzen, Schwindel und Gereiztheit, hatten sich schon etwa drei Jahre davor bemerkbar gemacht. Damit ist Genschel ein Jung-Betroffener von Demenz, was nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Frau und seiner drei Kindern auf den Kopf stellte. "Alzheimer trifft die ganze Familie: Das war einer der ersten Sätze, die mir gesagt wurden und das stimmt.", berichtet Friederike de Maeyer.

Vor seiner Diagnose war Genschel als erfolgreicher Bauingenieur weltweit tätig unter anderem in Kanada, China und Katar. Immer an seiner Seite war seine Frau. "2018 haben wir gemerkt, dass es nicht mehr geht und ihn davon abgehalten weiter zu arbeiten", erzählt de Maeyer, "Ich habe damals schon vermutet, dass er an Demenz erkrankt sein könnte und hatte ihn deswegen zur Untersuchung geschickt. Es hatte damals einen Verdacht auf eine demenzielle Entwicklung gegeben, das wurde aber wieder revidiert." Ein Fehler, wie sich herausstellte. Die Diagnose wurde schließlich von einem Psychiater gestellt und an der Nuklearmedizin am LKH Graz bestätigt.

Demenz stellt nicht nur für die betroffene Person vor große Herausforderungen, sondern die ganze Familie, wie de Maeyer weiß. | Foto: Haun
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Wie ein Labyrinth

In der Folge musste sich de Maeyer mit zahlreichen Fragen und Aufgaben auseinander setzen. "Man fragt sich, wie spreche ich über diese Krankheit mit den Nachbarn, der Firma oder unseren Kindern? Unsere älteste Tochter war gerade mit dem Studium fertig, unsere anderen beiden noch mitten drin.", berichtet Friederike de Maeyer, "Dann gilt es sich über dutzende Dinge zu informieren, eine adäquate Pflege zu finden und Ansuchen zu stellen. Das hat Jahre gedauert, da kommt man sich vor, wie in einem Labyrinth. Da mein Mann lange im Ausland gearbeitet hat, waren bei uns viele Anträge potenziert hoch zehn."

De Maeyer, die beim Zentrum für Ausbildungsmanagement (ZAM) beschäftigt ist, hat nach sechs Monaten Pflegeteilzeit im vergangenen Jahr ihre Arbeitszeit auf 20 Stunden reduziert. "Ich liebe meinen Job, aber kann nur noch Teilzeit arbeiten, weil ich nicht ständig Freizeitassistenten bezahlen kann.", so de Maeyer. Dazu kommt die psychische Belastung für ihren Mann. "Er hat sich immer sehr identifiziert mit seiner Arbeit", weiß de Maeyer, "Anfangs war er froh, dass er nicht mehr arbeiten musste. Mittlerweile aber leidet er unglaublich darunter." Eine Coronainfektion im vergangenen Jahr brachte zudem eine rapide gesundheitliche Verschlechterung, seitdem ist Genschel in seinen Bewegungsabläufen enorm eingeschränkt ist.

Kostenintensiv

"Das Problem ist: Demenz muss man sich leisten können.", stellt de Maeyer fest. Sie beschäftigt mittlerweile zwei Freizeitassistenten für ihren Mann. "Es gäbe darüber hinaus geeignete Therapien, wie Logopädie, Kunsttherapie oder Musiktherapie. Das müsste ich aber alles selbst bezahlen. Man bekommt in Österreich über Krankenkassen medizinische Unterstützung in Form von Medikamenten, aber das psychologische, therapeutische Angebot fehlt" so de Maeyer, "Ich finde es ganz wichtig, dass Angehörige und Betroffene gleichermaßen therapeutisch betreut werden. Wir haben eine tolle Psychiaterin, die sehr vernetzt denkt, und auch Psychotherapie anbietet. Aber auch das ist eine Wahlärztin."

Demenz wird immer noch als "Krankheit der alten Leute" wahrgenommen. Wenn es um jung Betroffene geht, bräuchte es mehr gesellschaftliche Öffnung, meint Friederike de Maeyer. | Foto: LightField Studios/Shutterstock.com
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Engagement für Verbesserung

Um die Situation von jung an Demenz Erkrankten zu verbessern, bräuchte es mehr gesellschaftliche Öffnung sowohl in der Pflege als auch in der gesellschaftliche Teilhabe, ist Friederike de Maeyer überzeugt. "Bei manchen Früh-Betroffenen gibt es sicher Möglichkeiten, dass sie noch im Job bleiben können, etwa mit einer anderen Aufgabe.", erklärt de Maeyer, "Das dürfte nicht so tabuisiert werden." Auch die Schaffung einer Demenz-WG für Betroffene, wie es sie teilweise in Deutschland gibt, fände de Mayer gut, sowie generell ein größeres Angebot für Betroffene selbst. 

"Ich fände es gut, wenn Betroffene bei Angeboten nicht immer mit den Angehörigen aufscheinen, sondern wo ihnen das Gefühl gegeben wird: Das kann ich selbstständig für mich machen."
Friederike de Maeyer

Sie selbst leitet nun eine Austauschgruppe für Angehörige von Jung-Betroffenen. Die Treffen finden jeden dritten Dienstag im Monat von 17 bis 19 Uhr im Sozialmedizinischen- und Stadtteilzentrum Jakomini (Conrad-von-Hötendorf-Straße 55) statt. Darüberhinaus soll eine Checkliste für Angehörige entstehen. "Diese Checkliste wird sehr genau sein.", erklärt de Maeyer, "Es gibt eine Liste von der AK, aber die ist meiner Meinung nach zu unpräzise und der Teufel steckt im Detail." Die Checkliste soll dann aufliegen, wo die Diagnosen erstellt werden.

Mehr über Salz - Steirische Alzheimerhilfe berichtet Claudia Knopper:

"Bei Demenzerkrankungen ist Zeit der wichtigste Faktor"


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