Interview Stefan Lazar von Bio Oil
Mit Pommes-Öl in den Urlaub fahren

Bio Oil Gründer Stefan Lazar: Der Vorteil bei der Produktion von Bio-Diesel ist, man bekommt eine Ausbeute von nahezu 100 Prozent. | Foto: Bio Oil
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Der gute alte Verbrennungsmotor hat wohl doch noch nicht ausgedient. Interview mit dem Niederösterreicher Stefan Lazar, Gründer von Bio Oil - ein Unternehmen, das erfolgreich aus Altöl Kraftstoffe produziert.

ÖSTERREICH. "Elektromobilität ist ein Spielzeug für die Reichen." Mit dieser Aussage ließ der Wiener "Motorenpapst" Fritz Indra kürzlich in einem Interview mit der "Zeit" aufhorchen. Indra glaubt, dass der Strom, den wir für E-Autos brauchen, noch lange aus konventionellen Kraftwerken kommen wird, und bemängelt, dass die "riesigen" CO₂-Mengen, die bei der Batterieherstellung entstehen, gar nicht in die Umweltbilanz eingerechnet würden.

Einer, der erfolgreich Alternativen aufzeigt, ist Stefan Lazar, gelernter Jurist und Gründer von "Bio Oil". Ende 2006 hat der Niederösterreicher mit zwei Freunden das Startup "Bio Oil" gegründet und macht inzwischen einen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Euro mit der Produktion von Treibstoff aus Altspeiseöl, das in der Gastronomie und in privaten Haushalten als Abfallprodukt anfällt. 

RegionalMedien Austria: Sie haben ursprünglich Rechtswissenschaften studiert. Wie sind Sie dann in diese Branche gekommen?
Stefan Lazar: Ich wollte immer etwas machen, das mir Spaß und Freude bereitet, und nicht nur des Geldes wegen arbeiten. Die Juristerei hat mir im Studium Spaß gemacht. Und als ich dann in die Praxis kam, dachte ich mir, dass man hier nur mit negativer Energie konfrontiert ist. Während der Doktorarbeit war für mich klar, ich begebe mich auf die Suche nach dem, wo ich hingehöre, wo ich mich entfalten will. Ich habe gerne mit Pferden gearbeitet, aber da war die Leidenschaft größer als der wirtschaftliche Erfolg. Ich habe es zumindest probiert.

Ein Bekannter hat mich dann im Sommer 2006 darauf hingewiesen: ‚Bio-Diesel aus Abfall, das ist die Zukunft“. Da kam die Idee mit Bio-Oil. Die Idee aus Abfall, aus Pflanzenöl, Treibstoffe zu produzieren, hat mich motiviert. Ich habe am selben Tag noch den Laptop genommen und zum Googlen angefangen. Das war der Beginn. Ende des Jahres habe ich mit meinen zwei besten Freunden die erste Gesellschaft gegründet. Wir hatten nicht die Taschen voller Geld, und deswegen hatten wir nur die Chance, Bio-Diesel-Anlagen zu kaufen, die schon im Konkurs oder kurz vor dem Konkurs waren. Umso mehr ich in die Materie eingetaucht bin, desto mehr hat mich das Ganze fasziniert und umso mehr Energie habe ich dann auch hineingesteckt. Aus einer kleinen Idee in Kroatien am Meer ist dann eine große Firma entstanden.

Ihre Firma „Bio-Oil“ gilt ja als größter Hersteller von Abfall basierten Biodiesel aus 100 Prozent Alt-Speiseöl in der EU. Wie genau funktioniert Ihre Produktion?
In zwei Teilen. Die Frage ist ja: Wie entsorgt man sachgerecht aus der Gastronomie den Abfall, ohne dass er in den Kanal geschüttet wird und dort zu Verstopfungen bzw Umweltbelastungen führt? Man muss den Abfall in der Gastronomie oder Food Industrie einsammeln, dann wird er gereinigt. Es wird unter hoher Temperatur einfach Wasser und Schmutz vom Altspeiseöl getrennt. Teils durch Filtersysteme und teils in dem man die Schwerkraft arbeiten lässt. Das ist der erste Teil. Im zweiten Teil wird für die Bio-Diesel Produktion dieser aufbereitete Rohstoff mit Alkohol, Säuren und Katalysatoren vermischt. Dadurch kommt es zu einer chemischen Reaktion und man hat eigentlich schon Bio-Diesel. Der wird dann noch gereinigt, und es gibt davor und danach auch noch viele kleine Schritte. Danach gibt es strenge Qualitätskontrollen, und dann kann das „fahrtaugliche“ Produkt ausgeliefert werden.

Und was passiert dann mit dem restlichen, tatsächlich verunreinigten Material?
Der Vorteil bei der Produktion von Bio-Diesel ist, man bekommt eine Ausbeute von nahezu 100 Prozent. Man verliert das Wasser, das noch in dem Rohstoff enthalten ist, und den Schmutz, der im Prozess herausgewaschen wird. Dieser Reststoff kann jedoch wiederum für Biogasanlagen Verwendung finden, wo er noch einmal aufbereitet und einer Wertschöpfungskette zugeführt wird. Im Zuge der Biodieselproduktion werden also nahezu keine Abfälle mehr produziert. Dies gilt beispielsweise auch für den Reststrom Glycerin, welcher in unterschiedlichen Gebieten als Rohstoff zur Anwendung kommt, wie beispielsweise in der Biogasproduktion. .Glycerin kennt man auch zum Beispiel aus der Pharmaindustrie. Da wird es etwa für die Herstellung von Zahnpasta verwendet. Man findet es auch in technischen Bereichen, also zur Herstellung von Frostschutzmittel, bei der Lack-Herstellung. Und künftig sehe ich den ReststromGlycerin auch als Rohstoff, um wieder einen Treibstoff herzustellen, der zu einem jetzt vorhandenen fossilen Treibstoff einfach dazu gemischt werden kann.

Wie viel CO2-Ausstoß hat Ihr Bio-Diesel im Vergleich zum herkömmlichen Diesel? Oder produziert er gar keinen?
Im Vergleich zu klassischem fossilem Treibstoff bekommt man eine 90-prozentige CO2-Einsparung. Das heißt, wir sind nahezu klimaneutral. Der nächste Schritt wäre dann, man stellt den Strom mit Windrädern her, ein weiterer ist, dass das Gas aus Bio-Gas ist, das Methanol, also der Alkohol, den man für die Produktion verwendet, ist nicht hergestellt aus fossilen Trägerstoffen, sondern aus biologischen Trägerstoffen. Alles zusammengerechnet kommt man auf eine Einsparung, die über 100 Prozent sein wird und man klimaneutral sein kann. Die Diskussion zu klimaneutralen Kraftstoffen sollte bei Verbrennungsmotoren nach 2035 kommen.

Wie viele Betriebe in Österreich bedienen Sie?
Wir haben beim Gastroservice, wo man das Alt-Speiseöl von der Gastronomie abholt, rund 4.000 Gastro-Partner, bei denen wir die Abfallstoffe entsorgen. Europaweit haben wir über 20.000 Gastro-Partner. Im Bereich der Abnehmer des Endprodukts Biodiesel haben wir noch die klassische Mineralöl-Industrie, also die großen Konzerne. Dazu kommen noch zahlreiche Speditionsunternehmen. LKW-Flotten sind vor einigen Jahren mit 100 Prozent Biodiesel gefahren, als Bio-Diesel noch günstiger war als fossiler Diesel. Da haben wir in Österreich einen signifikanten Beitrag dazu geleistet, die LKWs auf der Straße mit Bio-Diesel zu versorgen. Und das kommt jetzt wieder.

Wie hoch ist der Anteil der Mobilität in Österreich durch dieses Bio-Oil-Verfahren?
Mit den Produktionskapazitäten, die wir generell in allen Anlagen europaweit haben, sparen wir jährlich ca. 1 Mio. Tonne CO2 ein und in Österreich allein sind wir ca. bei einer Viertel-Mio. Tonnen Einsparung.

Und wie hoch ist der Anteil an Bio-Diesel in einem Tank?
Der klassische Markt, wo der Biodiesel landet, ist die Mineralölindustrie, wo sieben Prozent Biodiesel zum fossilen Diesel gemischt werden müssen. Das ist ein Bereich, über den man versuchen will, CO2 einzusparen und die Treibhausgasziele zu erreichen.

Könnte man prinzipiell auch nur mit Biodiesel fahren, also ohne Durchmischung?
Ja, das ist ein ganz spannender Punk. Wir sprechen viel über Dekarbonisierung im Straßenverkehr und über Verkehr der Zukunft, und haben als Lösungsziel Nummer Eins auserkoren: die Elektromobilität. Aber das ist ja noch ein Zukunftsszenario. Hier und jetzt könnte man über den Weg des Bio-Diesels die Beimischungs-Verpflichtung an den Tankstellen erhöhen und sofort grosse Schritte zu einer signifikant höheren Dekarbonisierung des Strassenverkehrs setzen.

Warum wird das nicht gemacht?

Im Moment sind das an der Tankstelle nur sieben Prozent. Am Zapfhahn wird mit der Aufschrift B7 (also 7 Prozent Bio) darauf hingewiesen. Aus diesem B7 könnte man sofort B10, B20 oder B30 machen. Die Motoren unserer Autos könnten solche Mischungen auch problemlos verfahren. Die Antwort darauf liegt bei der Politik. Es gibt auf EU-Seite Vorgaben, dass man das auf nationaler Ebene umsetzen darf. Aber momentan wird in Österreich die Elektromobilität extrem gefördert.

Man hat aber das Verbot des Verbrennermotors EU-weit im heurigen Frühling abgewendet. Das Thema Elektro hat für den Kleinverkehr, und hier vor allem für den Stadtverkehr, durchaus seine Berechtigung. Aber den Güterverkehr, der ja den Großteil des Straßenverkehrs ausmacht, der ja die meisten CO2-Emissionen auf die Straße bringt auf Elektromobilität umzustellen, wird schwer sein. Zum Glück hat man in Österreich und anderen Ländern eingesehen, dass der Verbrennungsmotor so böse gar nicht ist, wie er politisch dargestellt wurde und, dass der Verbrennungsmotor treibstoffseitig sehr viel Potenzial hat, CO2 zu reduzieren, und, dass er vielleicht sogar umweltfreundlicher sein wird als ein Elektromotor, Stichwort: „Wo kommt der Strom her? Wie beschaffe und entsorge ich die Batterie?“ usw.

Es gibt ja Alt-Öl Sammlungen privater Haushalte. Sammeln Sie diese auch?
Ja, teilweise. In Belgien funktioniert das am besten, und zwar über kommune Sammelsysteme. Man bringt das Alt-Öl zum Altstoffsammelzentrum, wie anderen Abfall auch. Bei uns in Österreich ist das ein bisschen strukturierter gehandhabt, da gibt es den „WÖLI“ in Wien, den „NÖLI“ in Niederösterreich und den „ÖLI“ in Oberösterreich und anderen Bundesländern sowie den Fetty im Burgenland. Das sind gelbe oder orange Kübel, je nach Bundesland. Da kann man zu Hause nach dem Frittieren oder Braten in der Pfanne das Öl in den Kübel hineinleeren und dann zum Altstoffsammelzentrum bringen. Und von dort kann es zu uns kommen und auch zu anderen Betrieben, wo es aufbereitet wird. Und dann kommt es wieder zur Bio-Diesel Produktion.

Anmerkung aus dem Umweltministerium:
Es gibt in Österreich grundsätzlich keine Verbot Diesel mit einem höheren Biodiesel-Angebot zu verkaufen. Diese muss jedoch gekennzeichnet werden, da nicht alle Autos mit einem höheren Biodiesel auch funktionieren. Genau aus diesem Grund gibt es auch keine gesetzliche Vorschrift. Denn wer tankt, muss sich natürlich darauf verlassen können, dass das eigene Auto damit auch funktioniert. Außerdem ist klar: Beim Auto gehört die Zukunft der Elektromobilität. Biokraftstoffe können einen Beitrag zur Reduktion von klimaschädlichen Emissionen leisten – dabei müssen wir jedoch Acht geben, dass wir nicht wertvolle landwirtschaftliche Flächen nützen, die wir eigentlich zur Lebensmittelproduktion brauchen.

OMV plant starken Einsatz von "Co-Processing-Technologie"

Auf Anfrage hieß es von der OMV, der Einsatz von Pflanzen- und Altspeiseöl sowie anderen Abfällen und fortschrittlichen Rohstoffen sei in Planung – unter Verwendung einer eigenen Technologie: Konkret plant die OMV die Verwendung der "Co-Processing-Technologie". Bei diesem Verfahren wird der biogene Rohstoff während der Kraftstofferzeugung zugeführt – im Unterschied zur herkömmlichen Methode, bei der der biogene Anteil dem Kraftstoff erst nach der Produktion zugesetzt wird. Mit Co-Processing können in den bestehenden OMV Raffinerieanlagen Kraftstoffe aus verschiedenen Arten von biogenen Rohstoffen hergestellt werden. Bereits im Jahr 2023 will man in Schwechat mit der Mitverarbeitung von nachhaltigen Rohstoffen im Ausmaß von rund 200 kt/J starten. 

Aus Abfallprodukt Glycerin Kraftstoffe herstellen

Auch eine eigene Glycerin2-Propanol-Anlage ist geplant: Sie werde auf der neu patentierten Prozesstechnologie basieren, mit der ab 2023 Propanol aus dem niederwertigen Ausgangsmaterial Rohglycerin hergestellt werden soll. In der Anlage wird mithilfe eines von der OMV selbst entwickelten Katalysators das aus biogenen Abfällen gewonnene Rohglycerin in einen sogenannten fortschrittlichen Bioalkohol (Propanol) umgewandelt. Damit wird die Anlage fortschrittliche Biokraftstoffe erzeugen, die nicht mit Nahrungsmitteln konkurrieren und als Kraftstoffzusatz die CO2-Emissionen von Benzin reduzieren.

Während Glycerin als Neben- bzw. Abfallprodukt bei der Produktion von Biodiesel und bei der Herstellung von Waschmitteln und Seife anfällt, gilt es als fortschrittlicher Einsatzstoff gemäß der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II der Europäischen Union. Das so erzeugte Propanol wird dann als fortschrittlicher Biozusatzstoff für Benzin verwendet. Es kann aber auch als nachhaltiger Rohstoff am Chemiemarkt zum Einsatz kommen, um aus fossilen Brennstoffen erzeugtes Propanol zu ersetzen.

Biokraftstoffe in zehn Jahren verzehnfachen

Die OMV wird rund 30 Millionen Euro in den Ausbau dieses Projekts investieren, wovon rund acht Millionen Euro durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und die Corona-Hilfen finanziert werden. Die Kapazität der Pilotanlage wird bei 1,25 Millionen Liter Propanol pro Jahr liegen. Dies führt zu einer jährlichen Reduktion von etwa 1.800 Tonnen CO2. Zur Herstellung von einem Liter Propanol werden 1,2 Liter Rohglycerin benötigt.

Langfristig ist eine Kommerzialisierung des Verfahrens geplant, um rund 125 Mio l Propanol pro Jahr herzustellen und die CO2-Emissionen um etwa 180 kt zu reduzieren. Die OMV geht davon aus, dass ihr Bedarf an hydrierten Biokraftstoffen sich von 2020 bis 2030 verzehnfachen wird.

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Stefan Lazar: Wir haben beim Gastroservice, wo man das Alt-Speiseöl von der Gastronomie abholt, rund 4.000 Gastro-Partner, bei denen wir die Abfallstoffe entsorgen.  | Foto: Bio Oil
Stefan Lazar: Europaweit haben wir über 20.000 Gastro-Partner. Im Bereich der Abnehmer des Endprodukts Biodiesel haben wir noch die klassische Mineralöl-Industrie, also die großen Konzerne.  | Foto: Bio Oil
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