Unliebsame Lösungen
Fachkräftemangel im Westen größer als im Osten

- Um den Fachkräftemangel zu nutzen, braucht es besseres Recruiting, strukturelle Änderungen, mehr Anreize für Vollzeit und eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters so TTI Group und InterConnections.
- Foto: Monika Wilfurth
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Der Fachkräftemangel wird Österreich noch viele Jahre beschäftigen. Effizienzsteigerung durch Automatisierungen, Arbeitszeitverlängerung und besserer Einsatz geeigneter Personen sind einige mögliche Lösungen, die für die Personalfirma TTI Group auf der Hand liegen. Doch auch Lohnnebenkosten müssen gesenkt und Vollzeitarbeit attraktiver gestaltet werden.
ÖSTERREICH. Seit 2021 nimmt der Fachkräftemangel zu. So kamen im ersten Halbjahr 2024 3,2 Arbeitslose auf eine offene Stelle, zeigen die Marktforschungsergebnisse von InterConnections. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede. Während in Wien und dem Burgenland ein leichter Überschuss herrscht, sieht es besonders im Westen eher karg aus. Dort gibt es deutlich mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. In den übrigen Bundesländern besteht die Gefahr eines Mangels.
Überschuss statt Mangel in der Bildung
Medial immer wieder betont, wird der Fachkräftemangel in der Bildung. Vor allem im Bereich der Elementarpädagogik und Volksschulen. Diesen Mangel relativiert Frederik Lehner von InterConnections. Den Daten zufolge bestehe gar ein Überschuss im Bildungsbereich. Vor allem bei höherer Bildung und dem Bereich der Weiterbildung, die weniger stark gefragt sind, als beispielsweise die Volksschule. Im Juli 2024 gab es außerdem einen Überschuss an Fachkräften in der Werbung und bei Sportdienstleistungen.
Einen massiven Mangel gab es im selben Monat Lehner zufolge im Bereich von Justiz, Verteidigung und öffentlicher Sicherheit, aber auch spürbar in den Krankenhäusern, der Elektrizitätsversorgung sowie in der Buchhaltung und Altenheimen. In diesen Bereichen würden teilweise so viele Kräfte fehlen, dass diese nicht im Land abgedeckt werden können.

- Der Lehrkräftemangel in der Bildung werde zwar medial oft thematisiert, allerdings gibt es in anderen Bereichen stärkere Mängel, die für die Öffentlichkeit unsichtbarer sind, so Frederik Lehner von InterConnections.
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Vollzeit statt Teilzeit
Die Lösungsvorschläge von InterConnections und TTI Group orientieren sich an den fünf Kategorien Arbeitszeit, Beschäftigung, Produktivität, Löhne und Struktur und gehen entgegen dem aktuellen Trend. Anstelle einer 30-Stunden-Woche wird empfohlen, die Teilzeit weniger und Vollzeit attraktiver zu gestalten. Auch das Pensionsantrittsalter müsse erhöht werden, damit mehr Stunden geleistet werden. Damit einher geht der Wunsch nach Förderung von sozialen Hilfsleistungen. Dazu zählt etwa der Ausbau der 24-Stunden-Pflege und Kinderbetreuungsangeboten. Damit würden Arbeitsplätze geschaffen und insbesondere Frauen zurück in den Arbeitsmarkt geholt, die aufgrund unbezahlter Pflegetätigkeiten sonst Zuhause bleiben müssten.
Zudem müssten die Potenziale für Arbeitskräfte aus dem Ausland besser genutzt werden. Aktuell gebe es kaum Arbeitsmigration aus Albanien nach Österreich. Hier sind ungenutzte Potenziale im europäischen Nicht-EU-Raum zu finden, hebt Markus Archan von der TTI Group hervor. Im Zuge dessen wünscht sich Archan politisches Handeln. Etwa müssten Arbeitsgenehmigungen vereinfacht werden und auch die Ausstellung der Rot-Weiß-Rot-Karte für Personaldienstleistende müsse von acht Wochen auf 72 Stunden verkürzt werden. Oft werden ausländische Qualifikationen in Österreich nicht anerkannt, wodurch wertvolle Fachkräfte verloren gehen – auch das müsse sich ändern. Die meisten ausländischen Arbeitskräfte stammen heuer großteils aus Deutschland und Ungarn. Bei der Arbeitsmigration gibt es ein Plus von rund fünf Prozent jährlich.

- Nicht alle Fachkräftemängel können mit Arbeitskräften im Land abgedeckt werden.
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Hohe Lohnabschlüsse als Einschränkung
Große Chancen zur Steigerung der Produktivität gibt es im Robotik- und KI-Bereich. Zwar werden aktuell noch mehr Arbeitskräfte zur Entwicklung benötigt als davon profitieren können, doch das soll sich in Zukunft ändern. Um produktiver zu werden, empfiehlt Archan verfügbare Arbeitskräfte besser mit den offenen Stellen zu verbinden und auch wirklich geeignete Leute für einen Posten auszuwählen. So könne auch eine starke Fluktuation der Mitarbeitenden vermieden werden.
Kritisiert werden aus Sicht der Arbeitgebenden hohe Lohnabschlüsse, denn diese würden die Möglichkeiten zur Personalerweiterung in den Unternehmen beschränken. Schließlich könne man nicht unbegrenzt die Löhne erhöhen und dabei wettbewerbsfähig bleiben. Mehr Weiterbildung und damit mehr Lohn sei vor allem in Bereichen mit einem Mangel sinnvoll. Allerdings seien nicht viele Menschen zu Weiterbildungen bereit, so die Archans Einschätzung.
Strukturelle Veränderungen sind im Kampf gegen Fachkräftemangel ein nützliches Mittel. Beispielsweise kann das Recruiting durch den Einsatz von Personaldienstleistungen effizienter werden. Das geschieht bei der TTI Group etwa in der Talenteschmiede, durch persönliche Gespräche oder Karriere-Coaches, die sich mit den einzelnen Personen und ihren Talenten und Interessen auseinandersetzen. So könne man auch Umschulungen und Weiterbildungen zielführender einsetzen. In Sachen Integration würden Deutschkurse helfen, um Fachkräften Anstellungen im Land auch langfristig zu ermöglichen. Ein guter Anfang sei die Zeitarbeit. Diese erweist sich immer wieder als Sprungbrett für langfristig, flexible Erwerbsarbeit.
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