Bildungsminister
Kürzere Sommerferien für Kinder mit schlechtem Deutsch

- Bildungsminister Christoph Wiederkehr: Je früher jedoch in Bildung investiert wird, desto größer sind die Auswirkungen auf die Bildungsbiografie der Kinder und desto höher die Chancengerechtigkeit.
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Die Maßnahmen, die Christoph Wiederkehr als neuer Bilungsminister setzen will, zeigen eine klare Richtung: eine gezielte Förderung von Kindern und Jugendlichen, die Stärkung der Schulautonomie, eine konsequente Entbürokratisierung und innovative Reformen, um das Bildungssystem zukunftsfähig zu gestalten.
ÖSTERREICH. Das Bildungsministerium am Minoritenplatz wird renoviert, daher ist das gesamte Ministerium in die Wasagasse in den Alsergrund übersiedelt. Im Gespräch mit MeinBezirk erklärt Wiederkehr, wie er die Schule wieder zu einem "lebendigen und auch freudvollen Ort" machen will.
MeinBezirk: Österreich steckt im internationalen Vergleich seit Jahren viel Budget in den Bildungssektor, die Ergebnisse in Vergleichsstudien wie dem PISA-Test sind aber immer noch trotzdem eher mittelmäßig. 120 Millionen Euro werden für Sprachförderung und moderne Pädagogik bereitgestellt. Mit welchen Maßnahmen sollen Kinder konkret besser Deutsch lernen? Sollen sie etwa verpflichtend in den Pausen Deutsch sprechen?
Christoph Wiederkehr: Wir investieren vergleichsweise wenig Geld in die elementare Bildung – im internationalen Vergleich nicht einmal die Hälfte dessen, was in anderen Ländern ausgegeben wird. Je früher jedoch in Bildung investiert wird, desto größer sind die Auswirkungen auf die Bildungsbiografie der Kinder und desto höher die Chancengerechtigkeit. Im Bereich der Schulen geben wir im OECD-Vergleich zwar relativ viel aus, doch die Ergebnisse sind nicht zufriedenstellend. Deshalb müssen wir das Schulsystem neu denken und insbesondere die Sprachförderung gezielter und intensiver gestalten.
Wir werden ein umfassendes Sprachförderpaket schnüren, um sicherzustellen, dass alle Kinder mit Förderbedarf auch die notwendige Unterstützung erhalten. Einerseits geht es um ausreichende Ressourcen für die Sprachförderung, andererseits um die Gestaltung dieser Maßnahmen. In Zukunft soll der Sommer gezielt in die Förderung einbezogen werden, etwa durch verpflichtende Sommerschulen für außerordentliche Schülerinnen und Schüler, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen. Das bedeutet eine Verkürzung der Sommerferien für diese Kinder, um ihnen bessere Bildungschancen zu ermöglichen. Deutschkenntnisse sind der Schlüssel zur Integration in unsere Gesellschaft. Da die Sprachfähigkeit insgesamt abnimmt, müssen wir gezielt gegensteuern – dabei darf es auch keine Tabus in Bezug auf die Sommerferien geben.
Was heißt das konkret?
Ob Sprachförderbedarf besteht, wird bereits durch zentrale Testungen festgestellt, die dann den außerordentlichen Status der Schülerinnen und Schüler bestimmen. Diese Gruppe soll künftig eine verbindliche Förderung erhalten, die im Rahmen der bestehenden Sommerschule für zwei Wochen dann auch verpflichtend wird.

- Christoph Wiederkehr: In Wien wurden in den letzten fünf Jahren 50 neue Ganztagsschulen errichtet – ganztägige Bildungsangebote sollen in ganz Österreich verstärkt werden.
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Eine Wiener Direktorin beklagt, dass die Bildungsdirektion es nicht gerne sieht, wenn Schulen ihre Autonomie ausreizen, um mit innovativen Mitteln Leistungen zu erzielen. Wird sich das unter Bildungsminister Wiederkehr ändern?
Ein weiteres wesentliches Anliegen ist tatsächlich die Stärkung der Schulautonomie. Schulen sollen ermutigt werden, ihre Freiräume zu nutzen, da mehr Freiheit und Autonomie bessere Lernergebnisse und mehr Freude am Lernen ermöglichen. Wir werden ein Projekt starten, um Schulen, die bereits erfolgreich autonome Konzepte umsetzen, als Vorbilder für andere Schulen zugänglich zu machen. Dadurch können Schulen voneinander lernen und ihre Konzepte weiterentwickeln.
Wie werden die Schülerinnen und Schüler bzw. auch Eltern die angekündigte „Entbürokratisierungsoffensive“ spüren?
Im Zuge der geplanten Entbürokratisierungsoffensive sollen Lehrkräfte und Schulleitungen entlastet werden, indem 80 Prozent der bestehenden Rundschreiben überprüft und reduziert werden. Dies gibt Lehrkräften mehr Zeit für den Unterricht und ermöglicht eine gezieltere Kompetenzvermittlung.
Der Plan zum Ausbau der Ganztagsschulen kommt mir von vielen Vorgänger-Regierungen bekannt vor. Was ist jetzt neu dran?
Auch der Ausbau von Ganztagsschulen wird weiter forciert. In Wien wurden in den letzten fünf Jahren 50 neue Ganztagsschulen errichtet – ganztägige Bildungsangebote sollen in ganz Österreich verstärkt werden. Ganztagsschulen helfen nicht nur Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern verbessern auch die Bildungschancen der Jugendlichen, insbesondere im Bereich der Sprachförderung. Es geht nicht um bloße Betreuung, sondern um ganztägige Bildungsangebote, die Unterricht mit spannenden Projekten und Freizeitaktivitäten verbinden.
Wofür braucht es die Einführung der Mittleren Reife?
Ein weiteres zentrales Reformvorhaben ist die Einführung der mittleren Reife. Derzeit verlassen zu viele Jugendliche die Schule ohne ausreichende Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen, was ihre Chancen am Arbeitsmarkt drastisch reduziert. Durch eine mittlere Reife soll sichergestellt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler erst dann die Schule verlassen, wenn sie grundlegende Fähigkeiten erworben haben.
Erklären Sie mir, wie ein sogenanntes Handyverbot funktionieren soll, wenn die SchülerInnen das Handy für den Unterricht brauchen?
Hinsichtlich des Handyverbots soll die Ablenkung durch Smartphones minimiert werden. Handys gelten als erheblicher Konzentrationskiller und verstärken Konflikte im Klassenzimmer. Während der Unterrichts- und Pausenzeiten sollen Handys daher verboten sein – für pädagogische Zwecke dürfen sie jedoch weiterhin eingesetzt werden.
Sind Sie für die Trennung von Religion und Staat an Schulen bzw. für das Aus von Kreuzen an Wänden? Und soll der allgemeinbildende Religionsunterricht ohne Konfessionsbindung, dafür mit Ethik bzw. Werte und Normen stattfinden?
Religion soll weiterhin an Schulen stattfinden. Die Religionsfreiheit ist ein wichtiges Gut, daher bleibt der konfessionelle Religionsunterricht bestehen. Zusätzlich soll ein verpflichtendes Fach „Demokratiebildung“ ab der ersten Klasse Mittelschule bzw. Gymnasium eingeführt werden. In diesem Fach werden demokratische Grundprinzipien, ethische Fragen und politische Bildung behandelt. Das Projekt wird nun vorbereitet und über mehrere Jahre umgesetzt.
Wann soll Demokratiebildung kommen?
Das Einführen von einem neuen Fach dauert zumindest drei Jahre. Es soll ab der ersten Klasse verpflichtend sein.
Also kein Aus für die Kreuze?
Ich bin kein Freund davon, Religion aus der Gesellschaft ganz zu verbannen. Religion gehört zu uns Menschen und die Religionsfreiheit ist ein großes Gut.
Sie wollen Eltern, die die Zusammenarbeit mit der Schule komplett verweigern, mit Geldstrafen belegen. Wie sehen solche Vergehen aus und wie hoch sollen die Strafen sein?
Bildung von Kindern und Jugendlichen kann nur dann erfolgreich sein, wenn Eltern und Bildungseinrichtungen gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Eltern haben hier eine Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder. Wenn sie sich beispielsweise weigern, Gespräche über suspendierte Kinder zu führen, soll es sozialarbeiterische Interventionen geben – in letzter Konsequenz auch finanzielle Sanktionen. Das Verweigern ist inakzeptabel, weil man Konflikte schließlich nur gemeinsam lösen kann.
Woher wollen Sie künftig Lehrpersonal holen, wenn die Babyboomer in Pension gehen?
Wir sehen jetzt schon, dass mehr junge StudienanfängerInnen Lehramt studieren. Wir sehen wieder eine größeren Nachfrage nach diesem wichtigen und sinnstiftenden Beruf. Aber auch, wenn es keinen Lehrkräftemangel mehr geben sollte, will ich weiterhin Ausbildungsmaßnahmen verstärken und auf gezielte Quereinsteigerprogramme setzen. Wenn zum Beispiel eine Personlange im Chemielabor gearbeitet hat, könnte sie auch im Chemieunterricht in der Schule tätig sein. Der Lehrerberuf soll attraktiver gestaltet werden, indem neue Karrierewege ermöglicht und multiprofessionelle Teams an Schulen etabliert werden. Dazu gehören verstärkte Schulsozialarbeit und Schulpsychologie, um Lehrkräfte bei ihren vielfältigen Aufgaben zu entlasten.
Estland gilt als Klassenbester in der EU. Maximale Klassenzahl ist dort 20 SchülerInnen. Sollen die Klassen auch bei uns auf eine bestimmte SchülerInnenzahl reduziert werden, um bessere Lern-Ziele zu ermöglichen?
Die Klassengröße ist nicht das einzige entscheidende Kriterium für den Bildungserfolg – vielmehr geht es auch darum, in die Qualität der individuellen Förderung zu investieren. Und dann gibt es in Österreich bereits Modelle wie Teamteaching, bei denen zwei Lehrkräfte eine Klasse betreuen. Die Relation von Lehrpersonen zu Schülerinnen und Schülern wird weiter optimiert, um den Bildungsstandard zu verbessern.
Sollen Kinder mit Behinderungen künftig inklusiv unterrichtet werden?
Im Bereich der Inklusion wird ein verstärkter Fokus auf die bestmögliche Förderung aller Kinder gelegt. Ein Rechtsanspruch auf ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderungen wird eingeführt. Die Expertise von Sonderschulen soll genutzt werden, um den gemeinsamen Unterricht weiterzuentwickeln und eine erfolgreiche Inklusion zu gewährleisten.
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