Auswandererin aus Ulrichsberg
Wilma, die in Kanada mit den Walen arbeitet
![An Halloween hat sie sich, passend zum "Whalewatching-Boot" als Wal verkleidet. | Foto: Fuchs](https://media04.meinbezirk.at/article/2024/06/11/5/40263245_L.jpg?1727785894)
- An Halloween hat sie sich, passend zum "Whalewatching-Boot" als Wal verkleidet.
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Im Sommer Wale beobachten, im Winter Schneeschuhtouren führen am Berg: Wilma Fuchs lebt ihren Traum in Kanada.
ULRICHSBERG, VANCOUVER. "Die Arbeitstage sind zwölf Stunden lang und anstrengend, aber ich habe meinen Job noch keinen Tag bereut", sagt Wilma Fuchs. Die gebürtige Ulrichsbergerin aus der Ortschaft Ödenkirchen lebt seit 1990 in Kanada. Dort arbeitet die 59-Jährige schon die 13. Saison auf einem Walbeobachtungsboot "Prince of Whales". "Zweimal am Tag fahren wir mit etwa 95 Leuten auf einem riesigen Katamaran auf den Ozean und suchen Tiere wie Seelöwen, Weißkopfseeadler, Schweinswale, Seehunde, Buckelwale und Schwertwale (Orcas)", erklärt Fuchs. Ziel ist es, den Touristen die Tiere sprichwörtlich näherzubringen.
![Die Arbeit auf dem Walbeobachtungs-Boot ist auch körperlich anstrengend. | Foto: Fuchs](https://media04.meinbezirk.at/article/2024/06/11/4/40263254_L.jpg?1727785826)
- Die Arbeit auf dem Walbeobachtungs-Boot ist auch körperlich anstrengend.
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In die Meeressäuger verliebt
Fuchs hat Umweltwissenschaften studiert und kennt sich mit Walen aus. Viel Wissen hat sie sich bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im Vancouver Aquarium angeeignet. Dort hat sie sich auch in Meeressäuger verliebt. Sie erzählt jetzt den Touristen Wissenswertes und katalogisiert jede Walsichtung auch wissenschaftlich. "Wir melden, welche Gruppe an Walen wir gesehen haben, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen", berichtet sie über ihre Arbeit mit den Walen. Viele Tiere kennt sie durch den Gucker schauend anhand ihrer Merkmale. Die Walsaison dauert von Anfang April bis Anfang November.
Viel Wissen zu Walen
Im April kommen die Buckelwale aus Hawaii und Mexiko zurück und die etwa 385 Orcas, die im riesigen Gebiet zwischen Alaska und Kalifornien schwimmen, kommen nahe an Vancouver. Eine gute Zeit für Sichtungen, also. "Wir fahren nicht nur hin, bleiben stehen und fahren dann weiter. Etwa 40 Minuten bis zu einer Stunde sind es, die wir mit den Walen verbringen", berichtet sie und ergänzt: "Gesetzlich wird uns eine Stunde erlaubt, aber öfters sehen wir mehrere, verschiedene Wale, dann trifft der Kapitän die Entscheidung, wie lange wir uns bei den Walen oder dem einen Wal aufhalten." Fuchs erzählt, dass sie jedes Mal Herzklopfen hat, wenn die Tiere auftauchen. "Weil dieses Erlebnis immer so besonders ist." Den Touristen erzählt sie schließlich Hintergründe, Lebensweisen und Wissenswertes über die größten Säugetiere der Welt. Es habe lange gedauert, bis sie alle Fragen beantworten konnte. Nun kann sie es meist und hat deswegen auch schon ein Handbuch für andere Walführer geschrieben. Der Job am Boot ist körperlich anstrengend, 12 Stunden dauert ihr Arbeitstag und sie ist dabei immer auf den Beinen.
Begrüßungsritual beobachtet
Auf die Frage, welche speziellen Erlebnisse sie bei den Whalewatching-Touren hatte, sagt Fuchs: "Zwei ganz außergewöhnliche Erlebnisse, werde nie vergessen, weil sie nie wieder so passieren werden. Das Erste war, als wir gesehen haben, wie sich verschiedene Walfamilien bei ihrem Wiedersehen im Frühling verhalten. Sie hatten solch eine herzliche Willkommenszeremonie: Eine Familie schwimmt in einer Linie, die zweite Familie hat sich genau gegenüber aufgestellt und sie haben zu quatschen begonnen, wie wir über das Unterwassermikrofon gehört haben. Das war unglaublich, weil 84, so viele Schwertwale wie noch nie, da waren", sagt Fuchs.
![Foto: Fuchs](https://media04.meinbezirk.at/article/2024/10/01/3/42045143_L.jpg?1727790435)
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Begegnung mit krebskranken Frauen
Das zweite Erlebnis, an das sie sich immer erinnern wird, ist eigentlich ein trauriges: "An Bord waren zwei krebskranke Frauen aus Australien. Die Ärzte haben ihnen gesagt, sie haben nur mehr ein Jahr zu leben. Auf ihrer Wunschliste stand, einmal Orcas zu sehen. Wir sind nach Viktoria rübergefahren auf Tagestour. Wir haben an diesem Tag aber leider keine Orcas gesehen. Der Kapitän meinte, er könne bedauerlicherweise auch keine herzaubern. Doch plötzlich kam via Bordradio die Meldung, dass in der Nähe Buckelwale gesichtet worden seien. Der Kapitän wollte nicht hinfahren, weil bereits viele Boote dort waren. Schließlich fuhr er doch ran und wir hatten nur fünf Minuten Zeit, dann mussten wir wegfahren: Wir sitzen dort und auf einmal kommt ein Wal genau dort aus dem Wasser, wo die zwei Frauen im Boot sitzen. Er hat den Kopf rausgestreckt, sie angeschaut und Luft aufgesprüht und ist dann unter dem Boot hin und her geschwommen. Etwa 20 Minuten lang hat er das immer wieder wiederholt", erzählt Fuchs. "Die Frauen haben geweint und gesagt, das war, als hätte er ihnen in die Seele geschaut, ein unglaubliches Erlebnis. Es waren leider keine Orcas, aber das Erlebnis war hundertmal besser", sagt Fuchs.
![Im Winter führt sie wanderfreudige Menschen auf den Grousemountain in Vancouver – mit Schneeschuhen. | Foto: Fuchs](https://media04.meinbezirk.at/article/2024/06/11/2/40263212_L.jpg?1727785579)
- Im Winter führt sie wanderfreudige Menschen auf den Grousemountain in Vancouver – mit Schneeschuhen.
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Schneeschuhtouren-Führerin im Winter
Wenn die Wale weiterziehen, weg von Vancouver, dann wechselt auch Wilma ihren Job. Im Winter – von Dezember bis März ist sie Schneeschuhtouren-Führerin in Grouse Mountain (1.350 Meter), der auch Peak of Vancouver genannt wird. Sie führt Schulklassen, Lehrer oder Touristen hinauf und referiert zu Biologie-Themen aus Fauna und Flora. Highlight ist der Besuch bei einem Ureinwohner, der oben wohnt, sowie einem Grizzlybären, der seit 21 Jahren dort wild in einem weitläufigen Gehege lebt.
Arbeiten im Paradies
Das Leben in Kanada ist teuer, deswegen arbeitet Wilma viel: Vier Tage, jeweils 12 Stunden, dann hat sie wieder vier Tage frei.
"Ich arbeite im Paradies, der Ozean ist mein Büro"
Und auch, weil sie ihre Jobs in der Natur liebt: "Ich arbeite im Paradies, der Ozean ist mein Büro", sagt sie und kommt ins Schwärmen: "Vancouver liegt wunderschön: Es gibt Berge, die Küste und das Meer. Wenn du aus der Stadt wanderst, dann bist du in der Wildnis, da ist nicht alles verbaut. Anders als in Österreich siehst du hier Bären, Wildkatzen und musst darauf vorbereitet sein."
Geblieben, der Liebe wegen
Doch warum gerade Vancouver? "1990 bin ich auf Urlaub mit zwei Freundinnen herübergefahren und habe hier meinen Mann, den Kanadier Brock Tully, kennengelernt. Er hat mich eingeladen, zurückzukommen und mit ihm zu reisen." Dann ist sie geblieben. "Wir sind immer noch glücklich verheiratet und ich habe es noch nie bereut, hiergeblieben zu sein. Aber sie fliegt jedes Jahr nach Österreich: "Das habe ich mir mit ihm ausgehandelt", lacht Fuchs. Die gemeinsame, siebenmonatige Reise damals führte das Duo mit dem Rad (ohne E-Bike, versteht sich) von der Ostküste der USA von Kalifornien entlang nach Florida und durch Kanada wieder zurück. 18.000 Kilometer weit.
Wilma vermisst Schwarzbrot
Gibt es etwas, das sie aus Österreich vermisst? "Natürlich die Familie, die gehen mir immer ab und sie sind auch der Grund, warum ich immer wieder zurückkomme. Ich verstehe mich gut mit meinen Geschwistern und Freundinnen, die ich besuche." Sie schaut auch jedes Mal im Dorf vorbei. Vermissen tue ich auch das gute Schwarzbrot im Mühlviertel. Das ist hier anders, weich, man kann es quetschen, deswegen backe ich mir mit Körndln auch mein eigenes. Das andere kann ich nicht essen", sagt Fuchs. Was ihr noch fehlt, ist das "Alte" in Österreich. "Vancouver ist eine neue Stadt, erst 150 Jahre alt. Alte Kirchen, historische Bauten und langjährige Kultur, das fehlt hier einfach. Und auch die Landschaft in Österreich mag ich immer wieder sehen und würde ich vermissen, wenn ich es nicht einmal im Jahr sehen würde", sagt die 59-Jährige, die in Kanada Englisch spricht. Überhaupt nicht fehlt ihr die Bürokratie. "Das ist schon ganz etwas Brutales und meist Ärgerliches in Österreich", sagt sie. Fuchs lobt auch die Freundlichkeit der Kanadier: "In Österreich muss man fürchten, dass man auf dem Zebrastreifen überfahren wird. Hier gibt es Leute, die stehen bleiben und geduldig warten, bis man drüber geht.
![Mit Brock Tully ist Wilma seit 1992 glücklich verheiratet. "Ich habe einen ganz lieben, besonderen Mann", sagt sie über ihn. | Foto: Fuchs](https://media04.meinbezirk.at/article/2024/06/11/0/40263230_L.jpg?1727901026)
- Mit Brock Tully ist Wilma seit 1992 glücklich verheiratet. "Ich habe einen ganz lieben, besonderen Mann", sagt sie über ihn.
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Weitere Fragen an Wilma Fuchs:
Was fasziniert dich an den Walen?
Je mehr man sie kennt, desto spannender sind sie. Sie sind so intelligent. Wir glauben als Menschen immer, wir sind die intelligentesten, aber ich habe das Gefühl, dass Wale viel intelligenter sind als wir. Sie sind schon mehrere Millionen Jahre auf dieser Erde und haben sich angepasst.Obwohl wir sie so misshandelt haben sie über viele Jahre umgebracht haben, wegen des Fettes, wirket es auf mich so, als hätten sie uns verziehen. Das fasziniert mich. Sie sind wirklich imposante Tiere: So riesig, wir sind so klein im Gegensatz und sie sind so zufrieden und spielerisch unterwegs, das könnten wir als Leute auch leben und kopieren.
Wie oft kommst du ins Mühlviertel – und was machst du dann dort?
Im November 2024 komme ich wieder. Ich schlafe in Steyr bei meiner Schwester Margit und plane Ausflüge: Das Grab der Eltern besuchen, Bruder Erwin, Wanderungen machen und eine Paragliding-Tour am Wolfgangsee. Ich möchte mehr und mehr verschiedene Teile Österreichs anschauen, mit Freundinnen wandern und essen gehen und es mit etwas Kulturellem verbinden.
Hast du noch Kontakt zu Freunden/etc. in Ulrichsberg? Kommt dich ab und zu mal jemand besuchen?
Ja, die Familie kommt zu Besuch. Es ist ein wenig schwierig, weil wir so eine kleine Wohnung haben. Im Hotel zu bleiben kostet zwischen 300 und 500 Doller pro Nacht.
Siehst du dich in 10 Jahren auch noch in Kanada?
Ja. Ich habe noch fünf Jahre bis zur Pension, möchte aber nicht ganz aufhören. Vielleicht werden dann meine Besuche in Österreich wieder länger, aber kann mir nicht vorstellen zurückzukehren. Der Ozean hier ist so ein Anziehungspunkt. Ich schaue beim Fenster raus und sehe den Ozean.
Welchen Geheimtipp hast du für jemanden, der nach Vancouver kommt?
Mit einem Wasserflugzeug zu fliegen, das ist ein Traum und ich kann das jedem empfehlen, der kommt: Es kostet einiges, aber es ist so super. Man muss sich einen schönen Tag aussuchen, damit man etwas sieht und am Ende landet man am Wasser so sanft und gleitet wie auf Butter dahin.
Würdest du in deinem Leben etwas anders machen wollen?
Ich würde vielleicht besser den Namen meines Mannes "Tully" annehmen. Das Wort "Fuchs" ist hier herüben ausgesprochen sehr nahe an dem nicht so netten Wort, was immer wieder zu witzigen Situationen führt. Aber ich kann damit leben.
Zur Sache:
Wilma Fuchs arbeitet im Sommer auf der princeofwhales.com in Vancouver. Im Winter leitet sie Schneeschuhwanderungen auf den Grousemountain.
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