Frei im Theater: Das hässliche Universum, Figaro
Eine Ahnung von Anfang und Ende

- In Jelena Kovačićs Überschreibung von Horváths eher selten gespielter Komödie „Figaro lässt sich scheiden“ ist es Susanne (Daniela Bjelobradić), die den zum Opportunisten gewandelten vormaligen Revolutionär Figaro (Wojo van Brouwer) verlässt.
- Foto: Birgit Gufler
- hochgeladen von Christine Frei
Das hässliche Universum: Eine fast heitere Selbstauslöschung
Das Timing für diese zwei Theaterproduktionen, die beide am Samstag, 12. April ihre Premiere erlebten – da im Großen Haus, dort im nach Eigendefinition „kleinen & widerständigen“ Theater praesent – hätte wohl markanter wie makabrer nicht sein können. Der amtierende amerikanische Präsident treibt gerade die gesamte Weltwirtschaft mit angekündigten, dann wieder aufgeschobenen Dekreten vor sich her. Die einen sehen darin erst den Anfang, die anderen bereits das Ende eines Systems, welches Laura Naumann in ihrem Text „Das hässliche Universum“ von den Anhänger:innen einer fast als Guru verehrten Internet-Aktivistin zuletzt in Brand setzen lässt. Elke Hartmann, künstlerische Co-Leiterin des Theater praesent, inszeniert diese irgendwie beklemmend selbstvergessene Selbstauslöschung als fast schon heiter anmutenden digitalen kathartischen Akt. René Dalla Costa, Hans Danner und Marion Fuhs, die ihre Figuren mit charmant augenzwinkernder Selbstironie performen, werden im Laufe ihres Spiels nicht nur jede Menge TV-Screens auf die Bühne stellen, sondern sie auch noch gekonnt so zusammenstecken, dass man am Ende viele einzelne Feuer brennen sieht. Noch zu sehen bis 13. Mai im Theater praesent.
Figaro lässt sich scheiden: Eine ambitionierte Überschreibung
Die kroatische Regisseurin Anica Tomić wagt indes gemeinsam mit Autorin Jelena Kovačić und ihrem Leading Team im Großen Haus des TLT eine hochambitionierte feministische Überschreibung von Ödön von Horváths eher selten gespieltem Text „Figaro lässt sich scheiden“. Bei ihr fallen nicht nur überaus eindrucksvoll die letzten Bäume, sie lässt auch gezielt den gesamten Theaterraum bespielen, damit wir gar nicht erst auf die Idee kommen, dass wir nicht ebenfalls Akteur:innen wie Betroffene dieses unheilvollen Spiels sind, das man möglicherweise als eine Art Dauerrevolution beschreiben könnte. Doch der bei Beaumarchais noch so mutig aufmüpfige Figaro, der bei Horváth zum angepassten Kollaborateur und Opportunisten mutiert und statt eigener Kinder eine Generation von Kriegsmaschinen heranzieht, entschwindet auch bei ihr zuletzt in einer Art Götterdämmerung. Zurück bleibt in einer Art Endzeitstimmung mit nur einigen wenigen Überlebenden der Klimakrise einzig das unsterbliche Reich der Ideen. Eine sehr leise Hoffnung, die einen freilich nicht davor entbindet, tätig zu werden und möglicherweise genauso zu scheitern wie Danton, den Autorin Kovačić dem Figaro als gewitztes Alter ego und Mahnmal zur Seite stellt.
Vielschichtig und grandios gespielt
„Figaro lässt sich scheiden“ präsentiert sich als rasant startender, ungemein vielschichtiger Theaterabend mit einem ausnahmslos grandios spielenden Ensemble - Wojo van Brouwer gibt den Figaro als gefinkelten Überlebensstrategen, Daniela Bjelobradić ist die zusehends verzweifelter für ihre Ideale einstehende Susanne; Pasquale di Filippo krallt sich als aberwitziger Danton, der eigentlich gar nicht ins Stück gehört, die besten Sager und Pointen, Patrick Ljuboja kann sich als von den Revolutionären vertriebener Graf Almaviva nie wirklich an die neuen Lebensumstände gewöhnen, Cansu Şîya Yıldız ist selbst als früh verstorbene Gräfin für Susanna weiter präsent. In weiteren Rollen: Marion Reiser u.a. als Hebamme, Tommy Fischnaller-Wachtler als Offizier bzw. Kommissar, Philipp Rudig u.a. als Pedrillo, Florian Granzner u.a. als Cherubin. Ein Abend, der zweifelsohne viel will, dessen eindringliche Botschaft wohl nicht alle hören wollen. Das Leben ist ja schon anstrengend genug…





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