Burgenland-Legenden
Gibt es den Geheimgang von Burg Güssing zum Tobajer Kogel?

- Die Burg Güssing erhebt sich auf einem erloschenen Vulkankegel, zu dessen Füßen die Stadt gebaut wurde.
- Foto: Robert Brünner
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Die Frage beflügelt die Fantasie schon seit Jahrhunderten. Existiert tatsächlich der sagenhafte unterirdische Gang, der die Burg Güssing und den Tobajer Kogel verbindet?
GÜSSING/TOBAJ. Rein geografisch wäre es ja möglich, möchte man meinen. Die beiden erloschenen Vulkankegel liegen nur knapp vier Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Und schließlich gibt es da die alte Sage, die die Gang-Frage erst ins Rollen bringt.

- Der Tobajer Kogel liegt rund vier Kilometer von der Burg Güssing entfernt.
- Foto: Martin Wurglits
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Von Türken belagert
Demnach war die Burg Güssing während der Türkenzüge den fremden Belagerern ausgesetzt. Die Verteidiger widerstanden allen Angriffen, also verlegten sich die Belagerer darauf, die Eingeschlossenen auszuhungern. Da entdeckte der stellvertretende Befehlshaber namens Giesinger in der Burg einen unterirdischen Gang. Dieser führte, wie sich herausstellte, unter den Wäldern bei Krottendorf und Hasendorf zu einem Kloster, das auf einem kegelartigen Berg nächst dem heutigen Tobaj lag. In dem Kloster lebte ein Mönch.
Der Eremit als Nothelfer
Giesinger und einige andere Soldaten erreichten nach einer unheimlichen Wanderung den Ausgang, den eine schwere Eisentür versperrte. Der Mönch öffnete. Eindringlich schilderte Giesinger die Lage der Burg. Nach kurzer Überlegung sprach der Einsiedler: "Geht nur ruhig heim! Ich will versuchen, eurer Not ein Ende zu machen. Kommt in drei Tagen wieder her!"

- Nächtlicher Blick aus dem Burghof.
- Foto: Martin Wurglits
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Am nächsten Morgen machte sich der fromme Mann auf den Weg, er suchte Höfe und Dörfer auf, die von den Türken frei waren. Er erzählte den Leuten, wie schlimm es um die Burg stehe, und bat um Lebensmittel für die Verteidiger. Die Bauern halfen gerne. In den folgenden Nächten brachten sie Spenden korbweise ins Kloster, die dann auf dem geheimen Weg in die Burg befördert wurden. So leistete die Besatzung erfolgreich Widerstand, die Türken zogen ab.
"Keine historische Begründung"
Der ominöse Gang lebt heute zumindest gedanklich weiter. "Aber eine historische Begründung liegt und lag nie vor. Den Mythos gibt es nur in der Sagenwelt", hält der Güssinger Stadthistoriker Karl Heinz Gober unmissverständlich fest. Weder auf dem Güssinger Burgkegel noch auf dem Tobajer Kogel habe es je Indizien für den Ein- oder Ausgang eines Ganges gegeben.

- Die Burg und die Stadt Güssing um das Jahr 1900.
- Foto: Archiv Gober
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Notausgang ja, aber sonst ...
Jede Sage habe aber einen wahren Kern, sagt der Güssinger Burgmanager Gilbert Lang. "Denn eine Burg hatte Notausgänge oder Tunnel, und das wird wohl auch in Güssing so gewesen sein." Grabungen und archäologische Untersuchungen habe es zwar in früheren Jahren gegeben, aber nie Hinweise auf einen Verbindungsgang nach Tobaj oder in andere Nachbardörfer. Auch praktische Zweifel gebe es. Denn der kürzeste Weg zwischen den beiden Vulkankegeln führt entlang des Talbodens des Strembachs, also durch sumpfiges Gelände. "Ob da überhaupt ein Gang möglich wäre, ist sehr fraglich", ergänzt Lang.

- Mit dem Verlust ihrer strategischen Bedeutung gab man die Burg im 18. Jahrhundert dem Verfall preis.
- Foto: Martin Wurglits
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"Immerhin wurden bei einer Grabung im dritten Verlies unterhalb des Ujlaki-Turmes die bisher ältesten Bausteine der Burg gefunden. Sie stammen nachgewiesenermaßen aus dem 12. Jahrhundert", berichtet Lang.
Bericht aus dem Jahr 1951
In den "Burgenländischen Heimatblättern" ging Karl Semmelweis 1951 der Gang-Frage ebenfalls nach. Er schreibt: "Unterirdische Gänge soll es gegen St. Nikolaus zu und gegen Tobaj zu gegeben haben. Nördlich der Kirche von St. Nikolaus soll sich ein Schacht gefunden haben. Auch im Keller des alten Pfarrhofes in Güssing soll der Verlauf eines unterirdischen Ganges festzustellen gewesen sein, zumal er genau in der Linie Burg - St. Nikolauskirche liegt. Wo die Linie Kegel Tobaj - Burg Güssing auf den Strembach trifft, zieht sich eine Baumreihe nach Osten. Zwischen diesem und dem ein Stück stremabwärts abzweigenden Mühlbach soll ein eingebrochener Schacht ebenfalls an solch einen unterirdischen Gang erinnern, auf welchem die genannte Sage basiert."
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