Experten einig
"Grazer Stadtregierung muss besser kommunizieren"
Vieles ist in Graz im Umbruch, vieles auch im Positiven. Dennoch steigt der Unmut in der Bevölkerung. MeinBezirk hat bei Kommunikationsexperten nachgefragt, woran das liegt.
GRAZ. Die wachsende Unzufriedenheit mit Verkehrslösungen und schleppenden Bauverfahren ist eine subjektive, deutlicher war da schon der Wahlsonntag, an dem die beiden tragenden Regierungsparteien in Graz gemeinsam weit über 13 Prozent an Stimmen gegenüber der letzten Landtagswahl verloren haben.
Das Schwergewicht der Verluste lag dabei mit 11 Prozent zwar bei den Grünen, dennoch hörte man vor allem aus der KPÖ nachdenkliche Stimmen. KPÖ-Landeschef Robert Krotzer sprach in einem Interview etwa von einer "Achillesferse der Koalition" und ergänzte, dass man "über das Tempo der Verkehrswende" nochmals diskutieren müsse. Die angesprochene Verkehrsreferentin Judith Schwentner bleibt allerdings beharrlich stur, sie sagte noch am Wahlabend sinngemäß, dass "der Kurs stimmt".
"Es ist ein Kommunikations-Fiasko"
Woran liegt es also, dass die Grazer Rathauskoalition aus ihrer subjektiven Sicht so viel Gutes für die Stadt macht – und die Menschen in dieser Stadt immer grantiger werden? Das haben wir bei den beiden Grazer Kommuikationsexpterten Thomas Zenz (Agentur Doppelpunkt) und Martin Zechner (Strategieberatung) nachgefragt.
"Es ist der Stadtregierung bis dato nicht gelungen, den Menschen das Zielbild zu erklären", bemängelt Zenz die fehlende Gesamtkonzeption. Die Grazerinnen und Grazer würden aktuell, vor allem im Verkehr, Chaos erleben, ohne zu wissen, wohin das führt. "Die Vorab-Infos sind schlecht, laufende Kommunikation fehlt. Damit ist der erste Kontakt der Bürger mit der Veränderung eine Baustelle, also ein Negativ-Erlebnis." Das sei ein Kommunikations-Fiasko, die Politik komme ihrer Aufgabe nicht nach, die Menschen mitzunehmen.
"Politik überfordert Bevölkerung"
Zechner beschreibt das ähnlich: "Wir erleben derzeit eine völlige Überforderung der Bevölkerung. Viele Dinge sind notwendig, aber die Erklärung hinkt der Notwendigkeit immer hinterher." Daher sei es logisch, dass bei den Grazerinnen und Grazern der Widerstand steigt. Dazu komme, dass die kommunikativen Begleitmaßnahmen völlig fehlen. "Das Umfeld des Andreas-Hofer-Platz sieht aus wie ein Kriegsgebiet – aber nirgends findet sich ein Schild, auf dem die Dauer der Baustelle und ein Bild der fertigen Gestaltung zu sehen ist." Nachsatz: "Da ist jemand am Drücker, der glaubt, in fünf Jahren eine neue Stadt bauen zu müssen."
Sein dringender Rat: "Weniger Tempo, mehr Koordination." Zechner warnt außerdem vor wirtschaftlichen Folgen: "Je komplexer die Fortbewegung in einer Stadt wird, um so unattraktiver wird der Standort." Er spricht hier konkret die Gesamtverantwortung von Bürgermeisterin Elke Kahr an: "Sie agiert als oberste Sozialarbeiterin und vergisst dabei die Standort-Thematik."
Zenz erläutert die Form der notwendigen Kommunikation: "Wichtig ist außerdem, wann ich informiere und wie oft." Gerade in Veränderungsprozessen komme der ständigen Wiederholung eine besondere Bedeutung zu. "Zu sagen, man hat ja eh mit den Unternehmern in der Stadt gesprochen, hilft wenig, wenn die letzten Gespräche zwei Jahre her sind. Ein gewisser Druck seitens der Politik sei schon richtig, niemand verändere sich gern. Das große Aber: "Die Menschen müssen ins Boot geholt werden, damit sie Veränderungen mittragen." Dabei reicht es nicht, so Zenz, in der eigenen Blase zu kommunizieren. "Radfahrer brauche ich nicht von Radwegen zu überzeugen, die anderen muss ich erreichen."
"Wieder Verbindlichkeit schaffen"
Im Bereich des schwelenden Konfliktes der Bauträger mit den städtischen Behörden in Stadtplanung und Stadtbaudirektion ortet Zenz noch ein zusätzliches Problem: "Dort gibt es aktuell Gesprächsverweigerung, das führt zu einer zunehmenden Radikalisierung." Bestes Beispiel sind dafür sind die diversen anstehenden Klagen gegen die Stadt. Da sieht er den Ball klar bei den politisch Verantwortlichen. "Bei einer solchen Pattsituation, ist es Aufgabe der Politik als Führungsinstanz einzugreifen." Das erfordere Flexibilität bei allen Beteiligten, auch Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven: "Es ist in Ordnung, Projekte abzusagen oder zu reglementieren. Aber nicht miteinander zu reden, funktioniert nicht." Sein Vorschlag: "Klarheit und Verbindlichkeit schaffen. Und: Runter vom Gas. Weder Klagen noch wechselweise Angriffe ändern etwas am System." Hier schließt sich der (kommunikative) Kreis: Es braucht ein gemeinsames Zielbild und daraus folgend Ideen, wie dieses am besten erreicht werden kann. "Dazu muss man verhandeln – und das ist die ureigenste Aufgabe der Politik: den Konsens zu finden."
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