Expertendiskussion
5G Technologie: Welche Vorteile, welche Nachteile?
Mit dem flächendeckenden Ausbau von 5G will die Regierung Österreich zum 5G-Land Nummer Eins machen. Doch Kritiker warnen unter Hinweis auf mögliche gesundheitliche Schäden und mangels unabhängiger Langzeitstudien davor, europaweit vorzupreschen. Innovation versus Gesundheit: Ist 5G denn wirklich schädlich?
Bei einer von den Regionalmedien Austria (RMA) veranstalteten Live-Diskussion prüften Experten das umstrittene Thema 5G auf Herz und Nieren. Teilnehmer bei dieser zweiten "Runde der Regionen" waren: Epidemiologe Dr. Michael Kundi (MedUni Wien), Umweltmediziner Dr. Piero Lercher (Ärztekammer für Wien), Prof. Dr. Gerald Haidinger (MedUni Wien, wissenschaftlicher Beirat Funk), Strahlenexperte Dipl.-Ing. Helmut Paulitsch (TU Graz), Gregor Wagner (Pressesprecher Forum Mobilkommunikation), Dipl.-Ing. Franz Ziegelwanger (Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Abteilung Technik – Telekom und Post). Moderation: RMA-Chefredakteurin Maria Jelenko, "Hausarzt"-Chefredakteur Emanuel Munkhambwa. (Achtung, erst ab Minute 0:20)
Teil 1
Teil 2
RMA: Was ist 5G überhaupt?
Paulitsch: "Das ist die Abkürzung für die 5. Generation des Mobilfunks und stellt eine Weiterentwicklung des bestehenden Mobilfunkstandards für höhere Datenübertrag dar. Damit wird eine energieeffizientere Übertragung für längere Betriebsdauern möglich. Dafür werden zusätzlich höhere Frequenzbänder nötig, aber auch neue technische Verfahren. Die bekannten Funksysteme, wie Rundfunk, bewegen sich im Bereich von wenigen hundert Megahertz. Mobilfunk der ersten Generation hatte 900 Megahertz. In Zukunft wird es immer höhere Frequenzen geben, um die Daten schneller übertragen zu können.
RMA: Wofür brauchen wir 5G eigentlich?
Josef Bramsteidl aus Salzburg etwa fragt: Brauchen wir 5G wirklich für den Industriestandort, brauchen wir es wirklich für den intelligenten Haushalt bzw. brauchen wir selbstfahrende Autos?
Ziegelwanger: Diese Frage haben wir uns bei der zweiten, dritten und vierten Generation auch schon gestellt. Vor zehn Jahren war es zum Beispiel undenkbar, dass jemand mit einer Smartwatch seine Körperfunktionen trackt. Auch das wird nämlich über Funk gemacht. 5G-Frequenzen mit mehr Bandbreite brauchen wir für kürzere Latenzzeiten (Zeit, welche Information vom Sender zum Empfänger braucht, Anm.) bei Echtzeitübertragung. Wir wollen die Industrie und die Vernetzung komplexerer Bereiche für mehr Wertschöpfung, aber auch für jene Regionen voranbringen, die derzeit schlechter angebunden und dadurch im Nachteil sind. Die technische Entwicklung verlangt eben höhere Bandbreiten. Vor zehn Jahren zum Beispiel hat niemand über Netflix gestreamt. Heute schon kommen Haushalte mit mehreren Kindern nicht mehr mit ihrer Internetleistung aus, wenn nicht jeder einen Streaming-Account hat. In der Landwirtschaft werden Maschinen heute präzise geführt. Über 5G-Netze wird man hier durch schnelle Echtzeitübertragung Ressourcen sparen können. Etwa beim Einsatz von Maschinen, Düngegut, Schädlingsbekämpfungsmittel, etc.
RMA: Warum können wir nicht beim Glasfasernetz bleiben? Was ist der Unterschied zwischen 5G und Glasfaser?
Leser Josef Schaffler aus Stallhofen schreibt: Warum werden Studien, die die Gefährlichkeit von 5G untermauern, von Mobilfunkbetreibern und Politik auf Kosten der Volksgesundheit ignoriert, obwohl es Alternativen, wie die Glasfasertechnologie, gibt?
Paulitsch: Mit dem Glasfasernetz ist man nicht mobil. Das drahtlose Netz habe ich überall zur Verfügung. Und es gibt im ländlichen Bereich Gebiete, wo es nicht flächendeckend Glasfaserkabel gibt. Jeder will überall möglichst viel Bandbreite zur Verfügung haben.
RMA: Nicht jeder. Warum können sich Gemeinden nicht entscheiden, auf 5G zu verzichten?
Ing. Josef Feichtinger fragt: Warum gibt es für die Bürger keine 100% freie Auswahlmöglichkeit der Anschlusstechnologie für Lichtwellenleiter (LWL) direkt ins Haus – also alles verkabelt wie in der „Breitbandstrategie 2020“ vorgesehen – vs. der LWL/5G-Sender in den Hausanschluss-Verteilern (also nur mehr reine Funk-Anbindung gemäß „Breitbandstrategie 2030“) vs. Autonomie zum KOMPLETT-VERZICHT einer z. B. Gemeinde auf Einsatz von 5G wegen bestehender und ausreichender 3G/4G/Kabel/LWL-Versorgung?
Ziegelwanger: Es gibt tatsächlich Gemeinden, die sagen, sie wollen keine Masten. Wenn man aber das Gesamtbedürfnis betrachtet, wird man nicht umhin kommen, die Netze flächendeckend auszurollen. Aber Glasfaser ist eine ergänzende Technologie.
RMA: Josef Schaffler aus Stallhofen will ebenfalls wissen:
"Es gibt unterschiedliche Rechtsauffassungen über Baugenehmigungen und die technische Aufrüstung von Antennenanlagen. Können Bürgermeister als oberste Baubehörde diese im Gemeindegebiet verhindern, obwohl die Bundesregierung den Ausbau der 5G-Technologie beschlossen hat?“
Ziegelwanger: Das Telekommunikationsgesetz verantwortet der Bund, nicht die Gemeinden. Der Bund muss die Rahmenbedingungen dafür bereitstellen. Eine Gemeinde kann Bauwerke verhindern, aber Telekommunikation, also die Bewilligung der Funkfrequenzen, ist Bundessache.
RMA: Aber es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die sich gegen 5G aussprechen, nämlich aus gesundheitlichen Gründen.
Franz Mauerhofer schreibt unter Berufung auf „zahlreiche Studien“:
„5G ist schädlich für Menschen, Tiere und Pflanzen. Es ist krebserregend, fördert Alzheimer, nimmt Einfluss auf die männliche Fruchtbarkeit, verursacht Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Depressionen, Gehirnschäden, neurologische Schäden und wirkt sich negativ aufs Immunsystem aus.“
Können Sie das bestätigen?
Lercher: Im Umgang mit Funktechnologien gibt es klinisch mehrere Beschwerdebilder: direkte und indirekte Gesundheitsfolgen. Eine direkte Folge ist bei übertriebenem Gebrauch etwa Internetsucht mit verschiedenen sozialen Auffälligkeiten, auch gibt es beim Bewegungsapparat Probleme, wie der berühmte Handynacken. Und es kommt zu Schlafstörungen und Nervosität. Bei den indirekten Folgen gibt es die Einstufung der Weltgesundheitsorganisation WHO betreffend 5G als 'möglicherweise krebserregend'. Leider gibt es keine Langzeitstudien in diesem Bereich. Und es existieren in den verschiedenen Gremien dazu unterschiedliche Meinungen, weil es eben etwas ganz Neues ist. Ein Problem ist auch, dass die verschiedenen Symptome nicht in ein Krankheitsbild zu bringen sind.
Haidinger: Beim wissenschaftlichen Beirat Funk geht es nicht um Meinungen, sondern um Evidenz. Wir sichten regelmäßig alle wissenschaftliche Analysen weltweit und beraten und unterstützen die Frau Ministerin bei diesem Thema. In diesem Gremium sitzen verschiedene Experten, neben Ärzten sind das auch Physiker. Bei 5G geht es übrigens um ein Protokoll, es ist nichts Neues, die Frequenzen verwenden wir schon seit Jahrzehnten. Es ist egal, welche Funkfrequenz verwendet wird. Aber die Verwendung hoher Frequenzen sind bisher tatsächlich nicht erprobt, hier fehlen Studien, ob gesundheitliche Schäden zu erwarten sind, oder nicht. Aber das gesamte Spektrum, das bisher erschlossen wurde, also LTE, also 1- bis 2 Gigahertz, ist bisher relativ gut abgedeckt. Es fehlen aber wirklich Langzeitstudien. Wir haben bisher nur Kontrollstudien. Solche Langzeitstudien sind jetzt im Laufen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung dieser Technologie zu gesundheitlichen Schäden im Sinne von Krebserkrankungen, Bluthochdruck, usw. führen.
Aber Herr Lercher hat eine Studie zitiert, in der darauf hingewiesen wird, dass 5G "möglicherweise krebserregend" ist.
Haidinger: Es geht aber immer um die Dosis. Bei der Studie reden wir von Tierversuchen, wo eine hundert- oder tausendfache Dosis verendet wird, und nicht darum, womit wir telefonieren.
Lercher: Bei der Einschätzung "möglicherweise krebserregend" handelt es sich nicht um mein Urteil, sondern um das der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Wagner: Die WHO stufte 5G in die Liste 2B ein. Es ist "potentiell" krebserregend! Und wenn es keine Langzeitstudien gibt, warum konnte die WHO diese Studie überhaupt durchführen? Natürlich gibt es Langzeitstudien! Die Technologie "Funk" gibt es ja schon seit über 100 Jahren. Diese Technologie ist natürlich hervorragend erforscht. Und die WHO kommt zu einem anderen Schluss, als Sie.
Lercher: Eine Einstufung auf 2B bedeutet, dass die Technologie "möglicherweise" krebserregend ist.
Wagner: Das bedeutet, dass 5G "nicht wahrscheinlich" krebserregend ist, sonst wäre 5G auf die Kategorie 2A eingestuft worden. 2B ist die schwächste Gruppe überhaupt. Die WHO klassifizierte 5G aufgrund der vorliegenden Studienlage bewusst auf diese schwache Kategorie.
Kundi: Genau diese Diskussion führten wir auch bei LTE. Damals hieß es, diese Technologie würde uns lange Zeit begleiten (Long Term Evolution). Ein paar Jahre später gibt es wieder eine neue Technologie. Da kann es nun mal keine Langzeitstudien geben!
Wagner: Es handelt sich nicht um eine Technologie, sondern um ein Protokoll. Funk bleibt Funk.
Kundi: Das Protokoll bedeutet ein unterschiedliches Expositionsszenario (Risiko der Aussetzung des Menschen auf 5G, Anm.). Die Exposition ist nicht der Träger der Hochfrequenz. Es ist nur das Signal, das die Funkfrequenz in den Körper bringt. Was relevant ist für den Organismus, ist die "niederfrequente Modulation". Hier gibt es enorme Unterschiede zwischen den Technologien. Man kann nicht das eine mit dem anderen in einen Topf schmeißen. Sie verwechseln Äpfel mit Birnen.
Wagner: Expositionen, deren Träger elektromagnetische Felder sind, bedeutet Funk. Alles, was drahtlos funktioniert, ist Funk. Dieser wird mit einem Protokoll übertragen.
Kundi: Was biologisch relevant ist, ist die "niedrig frequente Modulation". Diese unterscheidet sich bei den Technologien voneinander. Die Forschung rennt der Entwicklung der Technik immer hinten nach. Es ist nicht möglich, die entsprechenden Langzeitergebnisse auszuwerten, weil sie die Exposition nicht nachverfolgen können. Die Nutzung der Geräte ändert sich ja ständig.
Wagner: Die Exposition kann man aber messen.
Kundi: Wir können epidemiologisch, bei Tierversuchen und im Reagenzglas die Situationen nicht mehr ausreichend bewerten, die in der Realität vorkommen.
Wagner: In der ATM2-Studie steht, dass "keine der gefundenen Wirkungen einen Schluss auf direkte gesundheitliche Schädigungen zulässt. Wir führten ein Experiment durch und stellten fest, dass es zu keinen bleibenden DNA-Schäden kommt". Ich verstehe Ihren Ansatz, aber hier wird festgestellt, dass es keine Effekte gibt. 5G ist eben ein Protokoll, die Technologie sind Schallwellen.
Kundi: Wenn ich sprachlich auf chinesisch umstelle..
Wagner: ... dann werden Ihre Schallwellen auch nicht gefährlicher.
Lercher: Jetzt wird über Studien geredet. Die WHO ist die oberste Instanz. Diese hat behauptet, dass 5G "möglicherweise krebserregend" ist. "Möglicherweise" heißt nicht "nicht wahrscheinlich" oder „unwahrscheinlich“ (wie Wagner in der Diskussion davor ja behauptet hatte und auch in den FMK Aussendungen behauptet wurde). Österreich will digitalisiert werden. Ohne Komfortverlust. Und es gibt unterschiedliche Technologien. Die Herausforderung ist, dass man flexible technische Lösungen anbietet. Entweder kabelgebunden oder drahtlos. Dann reduziert man den Funk eben auf das Notwendigste.
Wagner: Über Kabel kann man Rettungswagen nicht mit Telemetrie verbinden.
RMA: Viele Leserinnen und Leser leiden aber unter 5G. Hedwig Pesti etwa schreibt: Viele Menschen leiden unter den Mikrowellenstrahlen, haben Beschwerden, wissen oft nicht den Grund und werden auf alles mögliche behandelt.“ Daniela Pichler (Selbstilfegruppe Elektrosmog) schreibt: „Wo bleibt die Vorsorgepflicht für Kranke? Ich habe ein Recht auf Unversehrtheit im Eigenheim! Ich habe ein Recht auf ein analoges Leben!“ Gibt es so etwas wie Hyper-Elektrosensibilität bzw. Elektrohypersensibilität wirklich?
Kundi: Dass diese Menschen leiden, ist real. Ob sich diese auf elektromagnetische Felder zurückführen lässt, ist nicht bewiesen. Das Problem bei der Forschung ist, dass diese Menschen im Labor untersucht werden und diese Situation die Testpersonen so erregt, dass die Ergebnisse verzerrt sein können. Ich würde mich wundern, dass es gegenüber elektromagnetischen Feldern keine Bandbreite an Sensibilität oder Sensitivität gibt. Wir sind gegenüber allen möglichen Umwelteinflüssen empfindlich. Es gibt allerdings wenige Befunde, wo Beschwerden ableitbar sind und Therapien verschrieben werden können. Es gibt verschieden internationale Ansätze, was man mit solchen Patienten tun kann, also therapeutische Ansätze.
RMA: Was kann man konkret dagegen machen?
Kundi: Erstens kann man versuchen, eine umsichtige Vermeidung zu erreichen, sodass es zu keiner Strahlung kommt, und beobachten, ob die Beschwerden sich verbessern. Wenn das nicht der Fall ist, muss man nach anderen Ursachen suchen. Oft kommt dies bei Menschen vor, die auch gegenüber anderen Umwelteinflüssen sensibel sind. Aber diese Beschwerden sind real. Ob sie durch elektromagnetische Strahlung bedingt sind oder andere Ursachen haben, ist noch immer eine offene Frage.
RMA: Warum wird dieses Phänomen von der Regierung völlig ignoriert? Was für Pläne gibt es, um diese Menschen zu schützen?
Ziegelwanger: Das wird von der Regierung sehr ernst genommen. Wir beobachten, was es an Studien gibt. Wir brauchen aber objektivierte Informationen. Und ja, es muss auch auf die Bevölkerung zugegangen werden. Es gab eine Flut an Marketing zu diesem Thema, das bei der Bevölkerung in den letzten Jahren vielleicht Angst ausgelöst hat, und sich viele vielleicht gefragt haben, was kommt da auf uns zu? Wir haben dazu mit den Gemeinde- und Städtebund und anderen Trägern der Verwaltung Gespräche laufen...
RMA: Aber was wurde konkret gemacht, um die Menschen zu schützen, die übersensibel sind?
Ziegelwanger: Wenn sich jemand durch elektromagnetische Strahlung beeinträchtigt fühlt, so kann sich jeder Bürger und jede Bürgerin an die Behörde wenden und eine Messung des Grenzwertes der Exposition anfordern. Diese kann durch die Behörde durchgeführt werden. Begleitend wird neben Mobilfunk auch die Gesamtbeeinflussung gemessen. Begleitend dazu gibt es für einzelne Bürger laufend Beratungen.
Kundi: Diese Messungen sind mehr oder weniger überflüssig. Die Grenzwerte in Österreich sind nicht gesetzlich bindend, es gelten die Ratsempfehlungen der EU. Diese Grenzwerte sind durch hochfrequente Felder an akute Wirkungen gebunden. Nur, wenn sie nahe an die Antenne herangehen, wird der Grenzwert möglicherweise überschritten. Bei normaler Entfernung von einer Antenne ist es unmöglich, dass der Grenzwert überschritten wird. Daher sind solche Messungen eine Augenauswischerei.
RMA: Wer bestimmt die Grenzwerte, Herr Wagner?
Wagner: Es gelten nicht die EU-Ratsempfehlungen, sondern im Telekommunikationsgesetz wurde festgeschrieben, dass die in Österreich entwickelte Richtlinie gilt.
RMA: Wer entwickelt diese Richtlinie?
Wagner: Ein Gremium in dem Techniker, bekannte Mediziner und Menschen, die vom Thema wirklich eine Ahnung haben, sitzen.
Ziegelwanger: Die Normen heißen Ö-Normen, mittlerweile Austrian Standards. Das sind Normengremien, die in ihrer Bewertung den Stand der Wissenschaft mit einfließen lassen.
Kundi: Es handelt sich um die Übernahmen der EU-Ratsempfehlungen in die Ö-Norm. Im Telekommunikationsgesetz wird über Umweg diese EU-Ratsempfehlung zum Gesetz gemacht. Das ist nicht ein Argument dagegen, dass diese Grenzwerte akute Wirkungen ausschließen sollen, was sie auch tun. Das ist auch wichtig. Weil der thermische Effekt solcher elektromagnetischer Felder gesundheitsschädlich ist. Stellen Sie sich vor, Sie setzen sich in den Mikrowellenherd. Sie werden es nicht überleben. Es ist ganz wichtig, dass diese Grenzwerte eingehalten werden.
Wagner: Das hat nichts damit zu tun, was in der Telekommunikation eingesetzt wird.
Kundi: Wir sprechen von Hochfrequenzen.
Wagner: Das sind völlig verschiedene Paar Schuhe.
Paulitsch: Das sind ganz andere Leistungen.
Lercher: Wir reden von thermischen Grenzwerten, also es geht um Wärmeentwicklung. Bei Bedienungsanleitungen von Handys steht immer, dass man Abstand halten muss. Es gibt aber keine Grenzwerte für die athermischen Effekte (nicht energiebezogene Effekte, Anm.). Darüber diskutieren wir.
Haidinger: Das wurde in vielen Studien analysiert. Da wurde nichts gefunden.
RMA: Wer zahlt die Messungen?
Ziegelwanger: Messungen der Fernmeldebehörde zahlt der Staat. An die Fernmeldebehörde kann sich jeder wenden. Es gibt auch andere Institute, die gegen Bezahlung messen.
RMA: Wir haben Zuschriften bekommen, wo bei Messungen die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten wurden...
Ziegelwanger: Bei den seit der Mobilfunkdiskussion angestellten Aufzeichnungen von Messungen an öffentlichen Plätzen in ganz Österreich hat sich herausgestellt, dass in diesen 15 Jahren nie mehr als ein Prozent des Grenzwertes ausgeschöpft wurde. 1 Prozent ist ein 50tel dessen, was elektromagnetische Strahlung im Körper bewirken kann.
RMA: Ing. Michael Feichtinger will wissen: Warum hat Österreich aktuell den allerhöchsten Grenzwert in ganz Europa einfach akzeptiert und übernommen und warum kann die Ärztekammer bei der Normierung der Grenzwerte nicht mitreden?
Ziegelwanger: Der Grenzwert an dem wir uns orientieren, ist die EU-Ratsempfehlung, die die Festlegung macht. Wenn wir nach dem Stand der Technik und Wissenschaft keine anderen Grenzwerte zur Verfügung haben, können wir keinen anderen festschreiben. Wir haben aber nicht den höchsten Grenzwert in Europa.
Kundi: Die Ratsempfehlung wird in vielen Ländern in Europa umgesetzt, es gibt auch Länder, die höhere Grenzwerte haben. Es gibt aber auch Länder, die auf dem ersten Blick niedrige Grenzwerte angesetzt haben, aber zwischen Immission- und Emissionsgrenzwerten unterscheiden. Wir haben nicht die höchsten, wir haben die europäisch normierten Grenzwerte. Wenn nur Energie eine Rolle spielt, ist alles sehr einfach. Dann habe ich einen Basisgrenzwert in einem bestimmten Bereich. Wenn athermische Effekte zählen, dann müssen andere Grenzwerte gelten.
Wagner: Es wurden aber keine athermischen Effekte gefunden.
Kundi: Das ist Unsinn.
Paulitsch: Es ist wissenschaftlich nicht belegt, welche Arten von athermischen Effekten es gibt, oder es ist schwer nachzuweisen.
Kundi: Von 100 Untersuchungen zum oxidativen Stress sind mehr als 90 positiv. Die Exposition gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern bewirkt eine Veränderung in den Sauerstoffzellen. Was das dann für gesundheitliche Auswirkungen hat, ist nicht geklärt. Dass es athermische Effekte gibt, ist also klar. Die langfristige Bedeutung für die Gesundheit ist eine offene Diskussion.
Paulitsch: Die Sonne ist ein natürliches elektromagnetisches Feld. Die Menschheit lebt schon seit Jahrtausenden unter ihrem Einfluss. Die Frage ist, ob technisch erzeugte elektromagnetische Felder schädlich sind, bzw. eine andere Wirkung haben.
Kundi: Es gibt einen Unterschied in vielen Aspekten: Künstliche elektromagnetische Felder sind polarisiert. Dieser Unterschied kann biologisch bedeutsam sein. Wir sind von elektromagnetischen Feldern umgeben, etwa Licht.
RMA: Wie ist der Einfluss von 5G auf die Natur?
Manfred Hofmeister aus Bad Reichenhall macht sich Sorgen um unsere Insekten und unsere Landwirtschaft, weil er in Studien gelesen hat, dass 5G sich über Wärmestrahlung auf die Insekten auswirkt. Wie sinnvoll ist ein flächendeckender Einsatz von 5G. wenn unsere Insekten gestört werden, und die Landwirtschaft darunter leidet (Stichwort Bienensterben, Bestäubung, etc.)?
Haidinger: Es geht nicht um die Wärme, sondern um die Orientierungsfähigkeit der Insekten und Vögel, nämlich, dass diese beeinträchtigt werden könnten, weil diese Tiere ja magnetische Systeme in sich tragen. In vielen Studien wurde keine Auswirkung festgestellt, bzw. gefunden, dass Bienenstöcke unter Hochspannungsleitungen sogar einen besseren Ertrag leisten. Aber ja, wir müssen alle möglichen Risiken vermeiden.
Lercher: Es wäre eine billige Ausrede, alles auf 5G zu reduzieren. Aber man kann allgemein ein Insektensterben beobachten. Aber es gibt auch andere Effekte, wie Klimaerwärmung, die Einfluss auf Insekten haben. Wir müssen generell eine bewusste Lebensweise forcieren.
Wagner: Wenn man ständig in sozialen Medien Horrormeldungen hört, dann kriegen die Menschen eben Angst.
Kundi: Es kommt für 5G auch noch das Frequenzband 2 auf uns zu, das im Bereich von 26 Gigahertz liegt. Da werden wir nicht mit ein paar Masten auskommen, sondern alle paar hundert Meter werden Antennen montiert, auch in unseren Haushalten wird es welche geben. Das wird unser Leben fundamental verändern. Es werden ständig neue Technologien entwickelt, ohne sie auf ihre Auswirkung auf die Gesundheit zu prüfen. Es braucht ein Moratorium, damit Entwicklungen gemeinsam mit Medizinern und Biologen vorangetrieben werden und die Medizin nicht vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
RMA: Kann man ausschließen, dass 5G Auswirkungen auf das Fichtensterben hat?
Ziegelwanger: Ich glaube, dass auch dieses Thema untersucht werden muss. Aber wir haben derzeit keine Evidenz für einen Zusammenhang.
Warum ist Energie bzw. Ökologie bei 5G nie ein Thema, will Manfred Hofmeister aus Reichenhall (Baubiologe) wissen. Streamen, Masten… „In allen Bereichen wird der Energiebedarf und die Gesamtenergiebilanz betrachtet. Warum wird der Energiebedarf beim Mobilfunk und Servercentern komplett übergangen und nicht an die Öffentlichkeit gegeben?“
Paulitsch: Das 5G-Protokoll wurde so angesetzt, dass möglichst wenig Energie verbraucht wird. Auch wenn man zusätzlich mehr Basisstationen braucht, wird es nicht zu einem Anstieg des Energieverbrauchs kommen.
Wagner: Es gibt eine Maßzahl, wieviel Energie für ein Terrabyte verbraucht wird. Mit den aktuellen Systemen haben wir eine Effizienz von ca. 180 Kilowattstunden pro Terrabyte, das übertragen wird. Wir haben in Österreich einen Energieverbrauch von ca. 64.000 Gigawattstunden und die Mobilfunknetze samt der Infrastruktur dahinter brauchen etwa 0,9 Prozent dieses Gesamtstromverbrauchs in Österreich. Jedes Jahr verdoppelt sich das Datenvolumen. Bis jetzt haben wir eine Steigerung von 10-15 Prozent im Jahr. Also aktuell haben wir 180 Kilowattstunden pro Terrabyte, 5G braucht 50 Kilowattstunden pro Terrabyte, das ist eine Verbesserung von 70 Prozent.
Kundi: Das sind Laborwerte.
Wagner: Nein, wir haben ja 5G schon in manchen Regionen ausgerollt.
Paulitsch: Dieses Datenvolumen kann ich bestätigen, und es besteht eine Notwendigkeit, die Netze auszubauen, wie uns die Coronakrise bewiesen hat, Stichwort Videokonferenzen. Es gibt genügend Gebiete in Österreich, die nicht ausreichend mit Kabel ausgerüstet sind.
RMA: Wäre da nicht Glasfaser ausreichend?
Lercher: Warum kann ich es mir nicht aussuchen? 5G ohne Glasfaser geht ja nicht. Wir diskutieren über die letzte Meile zum Haus, wo wir Glasfaser brauchen.
Wagner: Sie leben nicht auf einer Insel, es gibt auch andere Menschen, die drahtloses Internet brauchen. Auch in der Industrie.
Ziegelwanger: Ob künftig an jedem Ort in jedem Winkel 5G vorhanden ist, werden wir sehen. Wichtig ist, gesamtinfrastrukturell, dass der Bedarf auch gedeckt werden kann. Fokus ist der Siedlungsraum, sowie Industrie, Campusnetze, die Landwirtschaft.
Paulitsch: Es wird niemand mehr zurückgehen wollen, die Entscheidung ist längst gefallen. Glasfaser ist viel zu teuer, das ist nicht finanzierbar.
Ziegelwanger: Glasfaser gehört zu Mobilfunk dazu. Wir brauchen eine Zuleitung zu den Haushalten, das ist Glasfaser. Auch Breitband-Ausbau ist ein Thema, hier gibt es einen eigenen Fördertopf, mit dem Ziel, die Glasfaserverbreitung in die Fläche zu bringen. Aufgrund der Topologie in Österreich werden wir das nicht bis zum letzten Ort in Österreich schaffen. Auch das Absetzen eines Notrufs über Mobiltelefon muss möglich sein, wie wir im Corona-Sommer besonders bemerkt haben, als viele Menschen in entlegene Gebieten mobil waren.
RMA: Worauf können sich die Menschen einstellen, die am Land kein Internet haben?
Ziegelwanger: Unsere Agenda Breitband Austria 2030 besagt, dass es mit der 5G-Strategie einen Plan für den Ausbau gibt. Bisher haben wir zwei Frequenzauktionen für 5G durchgeführt, diese Frequenzen gab es bis jetzt schon mit anderen Funkdiensten. Da gibt es für beide konkrete Pläne für den Ausbau und Versorgung. Bei der zweiten Auktion für das 700 Megahertz-, 1,5 und 2,1-Gigahertz-Band gibt es Ausbauverpflichtungen, die die Betreiber in Kauf nehmen müssen. Es sind zwei Schritte vorgesehen: In den Jahren 2023 und 2025 muss eine gewisse Anzahl an Gemeinden mit einer gewissen Datenrate versorgt werden. Diese beträgt 30 MHz. Damit wird die Konnektivität steigen. Mit dem Ausbau wird auch ein weiterer Schritt des Glasfaserausbaus und Backboneausbaus stattfinden.
RMA: Stichwort Versicherungen:
Dieter Kurz aus Hausmannstätten, Salzburg will mit Hinweis auf die Auswirkungen auf die Gesundheit wissen: „Ist es nicht bezeichnend, dass große Versicherungsnehmer sich bisher weigern, Mobilfunkanlagen zu versichern?“
Kundi: Rückversicherer haben Mobilfunk aufgrund der Unabschätzbarkeit der Kosten, die möglicherweise auf sie zukommen, für sie ausgeschlossen.
Wagner: Es gibt Betriebshaftpflichtversicherungen. Damit sind sämtliche Risiken abgedeckt.
RMA: Warum gibt es keine Aufklärungsarbeit der Regierung, um die Angst innerhalb der Bevölkerung zu schmälern?
Kundi: Es gibt von der Akademie der Wissenschaften eine Studie, die aber unvollständig ist, weil es zu wenig Daten gibt. Einerseits verkauft die Regierung die Frequenzen, andererseits klärt sie die Bevölkerung nicht auf. Weil die Technologie immer der Wissenschaft voraneilt.
Wagner: In diesem recht umfangreichen Papier steht drinnen, dass aufgrund der Datenlage nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht von einer Gefährdung ausgegangen werden kann.
Kundi: Das stimmt nicht. Hier sind alle Funkfrequenzen abgehandelt. Zu 5G steht drinnen, dass man bedauerlicherweise nichts sagen kann.
Ziegelwanger: Vor zwei Wochen gab es eine Runde mit Gemeinde- und Städtevertretern, damit in den Gemeinden eine Plattform für mehr Aufklärung, etwa, was Aufstellung von Masten betrifft, geschaffen wird. Und um die Information in die Bevölkerung zu bringen. Viele bestehende Masten werden mit 5G ausgestattet. Neue Standorte werden nur dort entstehen, wo es notwendig ist.
Barbara Ziegler aus Wr Neustadt etwa will wissen: Warum verstecken Mobilfunkanbieter Antennen?
Wagner: Diese Anlagen müssen nur deswegen "getarnt" werden, weil in manchen Gemeinden aufgrund des bestehenden Baurechts auf das Ortsbild Rücksicht genommen werden muss. Darum werden Rauchfänge, Kirchtürme etc. für die Antennen verwendet. Diese Anlagen sind aber nicht vor der Bevölkerung "versteckt". Im Senderkataster kann man alle Standorte übrigens einsehen.
Lercher: Warum müssen wir überhaupt der Bevölkerung Angst machen? Warum können die Menschen nicht selber aussuchen, über welche Technik sie kommunizieren wollen? Da wird den Österreichern nach einem asiatischen Vorbild einfach eine Technik "aufs Auge gedrückt". Wir könnten in anderen Bereichen Weltmarktführer sein, wir müssen es nicht bei 5G werden, Stichworte Landschaft, Natur.
Wagner: Die ständige Warnung vor einer neuen Technologie erzeugt eben Angst. Dabei handelt es sich nicht um eine neue Technologie, sondern einfach nur um ein anderes "Protokoll".
Ziegelwanger: Die Information, was ausgebaut, gefördert wird, etc. ist immer verfügbar und wurde immer bekannt gegeben. Der wissenschaftliche Beirat Funk mit seinen klaren, regelmäßigen Statements zur Studienlage ist ein gutes Beispiel dafür. Abgesehen davon, handelt es sich nicht um eine neue Technologie...
RMA: Wie viele 5G-Antennen wurden bisher montiert, wie viele werden es bis Jahresende sein?
Ziegelwanger: Kurz vor dem Sommer waren bereits an die 700 5G-Standorte in Österreich in Betrieb, bis Ende des Jahres werden es an die 2.000 sein.
Wagner: Es handelt sich um den Ausbau von vorhandener Infrastruktur. 18.000 Standorte bestehen ja jetzt schon. In ganz schlecht ausgebauten Gemeinden, die schon darauf warten, werden noch neue Standorte dazu kommen. Mit diesem Widerstand bei 5G haben wir nicht gerechnet.
RMA: Ihre Abschluss-Statements?
Paulitsch: 5G ist eine logische Weiterentwicklung der bestehenden Technologie. Das wird nicht das Ende sein. Die Frequenzen werden noch höher werden. 28 Gigahertz ist nur der nächste Schritt, im Labor beschäftigen wir uns mit Frequenzen, die über 100 Gigahertz hinausgehen. Da wird sich noch vieles ändern.
Lercher: Eine Welt ohne Smartphone ist eine Illusion. Das ist auch gut so. Wichtig aber ist, dass man die Digitalisierung ohne Komfortverlust vorantreibt, und zwar mit Lösungen, die nicht die Gesundheit gefährden und die Datensicherheit berühren. Man kann ja aus einem Portfolio aus mehreren Technologien auswählen.
Haidinger: Angst macht krankt. Wir müssen uns alle an der eigenen Nase nehmen und zugeben, dass wir vielleicht die Bevölkerung nicht ausreichend und richtig informieren. Danke für diese Einladung, dass die Regionalmedien Austria diese wichtigen Informationen an die Verbraucher weitergeben. Angst kann zu Krankheiten führen, und das wollen wir nicht. Wir sind ein schönes Tourismusland, und wenn deutsche Urlauber von der Alm herunterkommen und sich beschweren, dass sie kein Netz haben, dann haben wir ein Problem. Der technische Fortschritt ist immer so schnell, dass die Medizin hinten nach ist. Im Labor entstehen Technologien, danach erst prüft man die Auswirkungen. Wir werden vorsichtig damit umgehen.
Kundi: Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Angst krank machen kann, und dass Information davor schützt. Wir können nur dann richtig informieren, wenn wir selber wissen, welche Auswirkungen die Technologie hat. Es gibt bei Entwicklungen zu wenig Kooperation zwischen Technik, Medizin und Biologie. Schön wäre es, die Funktechnologie so zu verändern, dass minimale Auswirkungen auf den Organismus entstehen. Künftig bedarf es eines Schulterschlusses.
Ziegelwanger: Diese Phase, in der wir uns derzeit befinden, zeigt uns, wie wichtig Kommunikationstechnologien sind. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit alle in der Gesellschaft vom Fortschritt profitieren, unabhängig davon, welche Einflüsse noch auf uns zukommen. Wir nehmen diese Idee eines Schulterschlusses zwischen Technik und Medizin gerne auf. Auch die Forderung nach mehr Information der Bevölkerung. Über unsere Plattform, die gemeinsam mit der Regulierungsbehörde entsteht, sollen Informationen zum Thema geliefert werden, und zu unseren geplanten, österreichweiten Informationsveranstaltungen. Mit einem gemeinsamen Schulterschluss kommen wir einen Schritt weiter.
Wagner: Angst macht krank, das stimmt. Wir stehen vor großen Herausforderungen und in der Zukunft wird es sicher auch andere Probleme geben. Telekommunikation ist aber ein Teil der Lösung, und nicht Teil des Problems. Beides, Glasfaser und drahtlose Kommunikation mit 5G wird wichtig sein, um diese Herausforderungen zu meistern.
Hinweis: Das Zitat von Hr Dr. Lercher zur WHO-Studie wurde ergänzt durch die Passage: "Möglicherweise" heißt nicht "nicht wahrscheinlich" oder „unwahrscheinlich“. Österreich will digitalisiert werden. Ohne Komfortverlust. Und es gibt unterschiedliche Technologien. Die Herausforderung ist, dass man flexible technische Lösungen anbietet. Entweder kabelgebunden oder drahtlos. Dann reduziert man den Funk eben auf das Notwendigste.
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