Teichtmeister-Skandal
Kaum noch Oscar-Chancen für Austro-Film "Corsage"
Die Besten der Filmbranche werden am 12. März in Hollywood mit dem Oscar prämiert - ob Österreich dabei ist, wird sich heute, Dienstag, zeigen: Um 14.30 Uhr werden die Nominierungen veröffentlicht, Marie Kreutzers Sisi-Drama "Corsage" durfte anfangs mit dem Goldbuben liebäugeln - der Skandal um Darsteller Florian Teichtmeister, der sich wegen Besitzes von Abbildungen sexuellen Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten muss, überschattet wohl jede Chance.
ÖSTERREICH/ HOLLYWOOD. Als feministisches Meisterwerk trat der Austro-Film "Corsage" an, die Welt zu erobern. Was ihm auch (fast) gelang: Das Drama der steirischen Regisseurin Marie Kreutzer über Sisis Leben (die Kaiserin wird von der Luxemburgerin Vicky Krieps gespielt) steht auf der Oscar-Shortlist mit 14 weiteren Streifen - und kann am Dienstag unter den 5 nominierten Movies für den besten, nicht englischsprachigen Film landen.
Teichtmeister-Skandal schmälert Oscar-Chance
Doch seit Wochen überschattet das Strafverfahren gegen Darsteller Florian Teichtmeister (spielt Kaiser Franz Joseph) den Erfolg. Der Wiener muss sich ab 8. Februar vor Gericht für den Besitz von über 58.000 Dateien sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen verantworten – er ist geständig und in Therapie. Der Skandal schlug weltweit hohe Wellen, eine Nominierung des Austro-Films für die 95. Oscars in Los Angeles am 12. März wäre wohl nicht nur eine Riesenüberraschung, sondern wird vor allem jede Menge Diskussionsstoff bieten.
"Ich weiß nicht mehr, was ich mir wünschen soll"
Die Regisseurin jedenfalls musste sich in den letzten Tagen rechtfertigen, warum sie "Corsage" nicht aus dem Rennen genommen habe. In "ORF III Live" meinte sie erst am Wochenende, dass zweifelsohne "ein Schatten über 'Corsage'" liegen würde, es ihr aber "nicht richtig vorkäme, den Film zurückzuziehen". Denn: "Es ist für mich der gleiche Film, der es vorher war." Ob sie sich eine Oscar-Nominierung wünscht und diese mit ihrem Gewissen vereinbaren könne? "Ich weiß nicht mehr, was ich mir wünschen soll." Bis vor einigen Tagen hätte sie wohl darauf gehofft, nach Bekanntwerden des Skandals um Teichtmeister seien nun aber "andere Dinge wichtiger".
Gegenüber der "SZ" verwies Kreutzer auf die Tatsache, dass die Gerüchte rund um Teichtmeister erst nach Abschluss der Dreharbeiten auftraten. Daraufhin habe sie den Mimen per E-Mail mit den Gerüchten konfrontiert - dieser habe diese "klar dementiert", so Kreutzer. Nachdem die Causa öffentlich wurde, stand das Entfernen der Filmszenen mit Teichtmeister im Raum. Kreutzer nahm dieser Möglichkeit in der ORF-Sendung jedoch den Wind aus den Segeln: "Wir hätten uns vertragsbrüchig gemacht."
"Corsage" kommt nicht zur Ruhe
Auch ein zweiter, nicht öffentlich genannter "Corsage"-Schauspieler wurde mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung konfrontiert und soll bereits per Anwältin die Vorwürfe zurückgewiesen haben. "Das ist eine ganz andere Geschichte, die hochproblematisch ist", so Kreutzer. "Das ist mein größtes Unglück" - so habe die Regisseurin "den beiden Männern vertraut, das war vielleicht nicht richtig", gestand sie in "ORF III Live".
Statement des Burgtheater-Ensembles
Auch die Kolleginnen und Kollegen von Teichtmeister legten Anfang der Woche mit einem offiziellen Statement nach.
"Wir, das Ensemble des Burgtheaters, empfinden es als wichtig, von unserer Seite die offiziellen Stellungnahmen des Burgtheaters zu ergänzen. Wir sind voller Trauer, Wut und Unverständnis über das Geschehene. Unser Mitgefühl gilt den Kindern und Jugendlichen, denen auf brutale Weise Gewalt angetan worden ist. Wir wünschen ihnen und den Menschen, die ihnen beistehen, alle Hilfe, die sie benötigen. Wir suchen nach Möglichkeiten, wie wir die Bewältigung dieser Erfahrungen unterstützen können, wie wir dazu beitragen können, dass das erlittene Unrecht wenigstens zur Prävention weiterer Taten und einem geschärften Bewusstsein in unserer Branche und der Gesellschaft beiträgt.
Es erschüttert uns, dass ausgerechnet unser Arbeitsplatz, das Burgtheater, für die Opfer, aber auch für zahlreiche andere Menschen in diesem Land, nun mit einem derart grässlichen Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Auch hier werden wir alles in unserer Macht stehende unternehmen, dass das Theater ein Ort der Humanität, des Respekts und der Achtung bleibt. Auch ein Ort, der Opfern eine Stimme gibt. Das betrachten wir als unseren dringlichen Auftrag.
Wir sind bereit zu lernen, wie wir uns in Zukunft besser verhalten können. Wir vertrauen dem österreichischen Rechtssystem, der Justiz und der demokratischen Grundordnung, so dass wir einer Vorverurteilung auch in der Zukunft widersprechen würden.
Wir erkennen anhand dieses Falls, in dem sich die Anschuldigungen bewahrheitet haben, wie hoch das Risiko einer solchen Haltung ist, die dem Schutz jedes und jeder unschuldig Beschuldigten dient. Wir halten sie dennoch für unverzichtbar. Einfach weiterzumachen wie zuvor scheint unmöglich. Ein Theater besteht aus vielen Menschen. Ein Einzelner kann und darf nicht für alle stehen. Nehmen wir uns ein Beispiel an jenen Menschen, die aktiv und mutig gegen sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen kämpfen. Sorgen wir dafür, dass Aufdeckungen solcher Verbrechen und Prävention dazu beitragen, Taten wie diese zukünftig zu verhindern."
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