Dingender Handlungsbedarf
Österreich bei Impfrate auf dem letzten Platz

- n Österreich lassen sich immer weniger Menschen impfen. Im EU-Vergleich belegt das Land den letzten Platz, was die Durchimpfrate betrifft.
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Österreich weist mit 84 Prozent im EU-Vergleich die niedrigste Durchimpfrate auf. Das gab der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) am Dienstag in einer Pressekonferenz an. Dadurch sind Krankheiten, die durch Impfungen vermeidbar wären, wieder auf dem Vormarsch. Der Verband erklärte deshalb, wo es genau hakt und stellte selbst mögliche Lösungen vor.
ÖSTERREICH. "2025 wird ein Schlüsseljahr für die Impfstrategie in Österreich", betont Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH, "die Klimakrise, neue Infektionskrankheiten und eine zunehmende Wissenschaftsskepsis erfordern schnelles Handeln." Denn: In Österreich lassen sich immer weniger Menschen impfen.
Im EU-Vergleich belegt das Land den letzten Platz, was die Durchimpfrate betrifft. Krankheiten, die eigentlich durch Impfungen vermeidbar wären, wie etwa Keuchhusten, Masern und Influenza, nehmen wieder zu. Das belastet nach Angaben des Verbands sowohl die Gesundheit als auch die Geldbörse der Österreicherinnen und Österreicher. Der ÖVIH fordert deshalb nun dringend einen Paradigmenwechsel unter dem Motto: "Weg vom Behandeln von Krankheiten hin zu Prävention".
Keuchhusten, Masern und Influenza auf dem Vormarsch
Im Jahr 2024 wurden in Österreich 15.465 Fälle von Keuchhusten registriert – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 2.791 Fällen im Jahr 2023. Damit ist Österreich erstmals wieder auf dem Niveau der 1960er Jahre, als es noch keine Impfung gegen die Krankheit gab. Diese Entwicklung ist nicht zufällig, wie Olivier Jankowitsch, Generalsekretär des ÖVIH, betonte. Diese "gewaltige Zahl" würde nicht von ungefähr kommen, Keuchhusten sei eine vermeidbare Krankheit, aber durch die niedrige Durchimpfrate in Österreich steigt die Zahl der Erkrankungen stark an.

- Im Jahr 2024 gab es einen besorgniserregenden Anstieg an Keuchhusten-Fällen in Österreich. (Symbolbild)
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Auch Masern sind auf dem Vormarsch: Im Vorjahr wurden 527 Fälle gemeldet, 120 davon mussten im Spital stationär behandelt werden. Trotz der Verfügbarkeit eines kostenfreien Impfstoffs bleibt auch hier die Durchimpfungsrate unzureichend.
Niedrige Impfraten trotz öffentlicher Impfprogramme
Eine große Herausforderung bleibt auch die geringe Impfbereitschaft der Bevölkerung bei Influenza. Trotz eines öffentlichen Impfprogramms ließen sich laut ÖVIH nur knapp mehr als 15 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gegen die saisonale Grippe impfen. Das liegt weit unter den Empfehlungen von EU und WHO, die eine Rate von 75 Prozent bei Risikogruppen fordern.
Bei der Impfung gegen das Humane Papillomavirus (HPV) klaffen ebenfalls noch große Lücken. Nicht einmal die Hälfte der 14-Jährigen ist bereits geimpft, obwohl die Impfung in Österreich für Kinder und Jugendliche kostenlos ist. In diesem Jahr können sich außerdem auch Menschen bis 30 Jahren noch kostenfrei impfen lassen.
Selbst bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), einer Krankheit, gegen die Österreich international als Vorbild galt, sind die Durchimpfungsraten rückläufig. 2023/2024 erhielten nur noch rund 60 Prozent der befragten Personen die ersten drei Impfdosen, bei Kindern sank die Abschlussquote sogar auf nur 45 Prozent. Das sei laut ÖVIH ein besorgniserregender Rückgang der Impfraten und würde zeigen, dass die Bevölkerung in Österreich impfmüde wird.

- FSME wird vor allem durch Zeckenbisse übertragen.
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Als Gründe dafür führt Jankowitsch zum einen die Corona-Pandemie an, betont aber weiters, dass sich auch davor schon der Trend einer sinkenden Durchimpfungsrate abgezeichnet hat. Er sieht das Problem vielmehr darin, dass sich die Bevölkerung in falscher Sicherheit wiegt: Viele, besonders junge Österreicherinnen und Österreicher, kennen niemanden, der an einer der Krankheiten gelitten hat, weshalb sie keine Notwendigkeit mehr für Impfungen sehen. Sie haben eine andere Risikowahrnehmung. Gleichzeitig merkte er aber an, dass Österreich an "Wissenschaftsfeindlichkeit" leidet.
Impfungen als Investition in die Zukunft
Die Lösung dieser Impfmüdigkeit liegt laut Verband auf der Hand: ein Umdenken hin zu mehr Prävention. "Wir müssen von einem reaktiven Gesundheitssystem, das Krankheiten behandelt, hin zu einem proaktiven System, das Krankheiten durch Impfungen verhindert, kommen", erklärt Sigrid Haslinger, Vize-Präsidentin des ÖVIH.
Demnach zeigen Studien, dass Impfungen nicht nur Leben retten, sondern auch erhebliche finanzielle Vorteile bringen. Jeder Euro, der in die Gesundheitsvorsorge investiert wird, könnte 14 Euro für das Gesundheitssystem zurückbringen. Ein aktueller Bericht belegt laut ÖVIH zudem, dass Impfungen bei Erwachsenen das 19-fache der ursprünglichen Investitionen für die Gesellschaft und die Wirtschaft einbringen können. "Wir sollten Impfungen als Investment und nicht als Kosten betrachten", unterstreicht Haslinger.
6-Punkte-Plan des ÖVIH für ein besseres Impfkonzept
Um die Durchimpfrate zu erhöhen und das Gesundheitssystem dadurch langfristig zu entlasten, fordert der ÖVIH konkrete Maßnahmen. Im "Aktionsplan Impfen" präsentiert der Verband einen 6-Punkte-Plan, der darauf abzielt, die Impfquote in Österreich zu steigern:
- Konkrete Impfziele: Es müssen klare Vorgaben für die Durchimpfungsraten in allen Alters- und Risikogruppen festgelegt werden. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie das Nationale Impfgremium sollten konkrete Zielgrößen für alle Impfungen im österreichischen Impfplan definieren.
- Bessere Nutzung des e-Impfpasses: Der e-Impfpass soll besser genutzt werden, um eine vollständige und anonymisierte Erfassung der Impfungen zu gewährleisten. Dies kann helfen, Lücken bei Impfungen frühzeitig zu erkennen.
- Lebenslanges Impfen: Ein österreichweites, nach Altersgruppen gestaffeltes Impfkonzept mit einem klaren Fokus auf lebenslangem Impfen ist notwendig. Bereits bestehende Impfprogramme, etwa für Influenza oder COVID-19, müssen optimiert und ausgeweitet werden.
- Gleicher Zugang für alle: Alle Kinder und Jugendlichen müssen einen gerechten Zugang zu kostenlosen Impfungen haben. Aktuell ist dies noch nicht in allen Bereichen gewährleistet.
- Frühzeitige Einbindung der Impfstoffhersteller: Die Impfstoffhersteller müssen frühzeitig in die Planung neuer Impfstrategien einbezogen werden, um Engpässe in der Versorgung zu vermeiden.
- Mehr Impfaufklärung: Das Gesundheitsministerium sollte zielgerichtete, öffentlich unterstützte Impfaufklärungskampagnen starten, die mit Ärzten, Apothekern und anderen Institutionen zusammenarbeiten, um die Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu steigern.
Der ÖVIH hofft, dass die politischen Entscheidungsträger die Dringlichkeit dieser Probleme erkennen und gemeinsam mit dem Verband Lösungen entwickeln, um die Krankheiten in Zukunft zu vermeiden.
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