Klagen
Defekte Spiralen – ungewollte Schwangerschaften und Schmerzen

Neben der Pille zählt die Spirale (Intrauterinpessar, IUP) zu den beliebtesten Mitteln zur Verhütung bei Frauen.  | Foto: Fotolia
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  • Neben der Pille zählt die Spirale (Intrauterinpessar, IUP) zu den beliebtesten Mitteln zur Verhütung bei Frauen.
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Weil tausende Frauen in Österreich durch eine Verhütungsspirale zu Schaden gekommen sind, haben sie sich beim Konsumentenschutz gemeldet. Klagen hagelt es gegen den Hersteller und den Staat Österreich.

ÖSTERREICH. Infolge fehlerhafter Materialzusammensetzung brachen bei zahlreichen Spiralen des spanischen Herstellers “Eurogine” die Seitenarme und verblieben oft bis zur operativen Entfernung im Körper der Frauen. Sorgen um mögliche gesundheitliche Folgeschäden, schmerzhafte Entfernungsversuche, kostspielige Operationen und teilweise auch ungewollte Schwangerschaften waren die Folge.

Klagen auch gegen den Staat

Der Verbraucherschutzverein (VSV) begleitet inzwischen rund 20 Schadenersatzprozesse, die bei österreichischen Gerichten gegen den Hersteller anhängig sind. Erste Urteile, die betroffenen Frauen Schadenersatz zusprechen, liegen bereits vor. Hunderte weitere Klagen sind in Vorbereitung.

Aber auch gegen den Staat wird geklagt: Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) habe es nämlich trotz eines Warnhinweises der spanischen Gesundheitsbehörde jahrelang unterlassen, österreichische Frauen über die von den “Eurogine”-Spiralen ausgehende Gefahr zu informieren, heißt es in einer Aussendung des VSV.

Daher unterstützt der VSV zusätzlich zu den Schadenersatzklagen gegen den Hersteller nun auch Amtshaftungsklagen betroffener Frauen gegen die Republik Österreich.

Klage gegen Einzelne abgewiesen

Am Donnerstag habe das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien jedoch eine dieser Klagen ohne jegliches Beweisverfahren mit dem Argument abgewiesen, das Medizinproduktegesetz würde nur die Allgemeinheit schützen, nicht aber einzelne Betroffene.

Ähnlicher Fall in Kärnten

Einer Kärntner Verbraucherin wurde am 18. Jänner 2016 eine von Eurogine hergestellte Kupferspirale zur Empfängnisverhütung eingesetzt. Drei Jahre später stellte sich bei einem Kontrolltermin heraus, dass die Spirale verrutscht war und die Kunststoffärmchen gebrochen waren. Die abgebrochenen Ärmchen befanden sich noch in der Gebärmutter und konnten von der behandelnden Gynäkologin nicht entfernt werden. Sie überwies ihre Patientin sofort an die gynäkologische-geburtshilfe Ambulanz im Landeskrankenhaus. Auch dort konnte man der Frau nicht helfen. Mit Unterstützung der Arbeiterkammer Kärnten wurde wegen der fehlerhaften Spirale und der schmerzhaften Folgen eine Klage auf Schadenersatz gegen Eurogine eingebracht.

Eurogine behauptete, dass der Klägerin kein Schaden entstanden wäre. Das Gericht gab aber der Klägerin Recht. Aufgrund eines Materialfehlers brach das Kunststoffärmchen der Spirale, weshalb die Position verrutschte und die gewünschte Wirkung der Empfängnisverhütung nicht mehr garantiert war. Eine nichtfehlerhafte Spirale würde bei einer jungen Frau in der Gebärmutter nicht verrutschen. Als einzigen Grund für das Brechen der Spirale nannte der Sachverständige einen Materialfehler, für den laut Gericht Eurogine einzustehen hat.

Die Verbraucherin wurde durch ein Produkt im Sinne des § 4 PHG (Produkthaftungsgesetz) am Körper verletzt. Eurogiene ist Herstellerin dieses Produkts nach § 3 PHG. Die Fehlerhaftigkeit des Produkts war nach § 5 PHG erwiesen. Die Tatsache, dass eine Kupferspierale in der Gebärmutter nicht brechen dürfe, was zu einem Verrutschen und dem Fehler jeglicher Verhütung führe, bedarf laut Gericht keiner besonderen Erörterung. Das Gericht erachtete ein Schmerzengeld von pauschal 500 Euro für gerechtfertigt.

Die Arbeiterkammer Kärnten war wegen der Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes in Berufung gegangen.

Erinnerungen an Ischgl

"Diese Argumentation kennen wir aus den Amtshaftungsklagen wegen der Ausbreitung des Corona-Virus in Ischgl im März 2020. Damals hatten die Behörden trotz nachweislicher Kenntnis vom Auftreten des Virus viel zu spät und viel zu zögerlich reagiert. Tausende COVID-19-Infektionen mit teils schweren Folgen, darunter auch Todesfällen, hätten verhindert werden können. Dennoch hätte das Landesgericht für ZRS Wien bis dato sämtliche Amtshaftungsklagen mit dem Argument abgewiesen, das Epidemiegesetz würde nur die Allgemeinheit schützen. Konkrete Geschädigte hätte hingegen keinen Anspruch auf Ersatz. Wenn diese Judikatur Schule macht, wäre am Ende jeglicher Anspruch auf Amtshaftung in Österreich abgeschafft," kritisiert Peter Kolba, Obmann des VSV.

“Das entspricht jedoch weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Amtshaftungsgesetzes," sagt Kolba. "Wir sind daher guter Hoffnung, dass das Berufungsgericht und der Oberste Gerichtshof dieser Vorgangsweise nicht folgen werden und diese Urteile aufgehoben werden."

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