Junger Rietzer Radsportler mitten unter Profis
"Wie David gegen Goliath"
RIETZ. Die Tour of the Alps ist Geschichte. Und darüber erzählen, kann jetzt auch der Rietzer Emanuel Zangerle, der in den Farben des "Tirol Cycling Team" als erster Rietzer in dieser Liga mitwirkte.
Das fünftägige Etappenrennen endete am 23. April in Riva in Italien. Nicht jeder kam dort an. Zangerle schaffte es, hielt das Tempo der Weltelite fast bis zum Schluss mit.
BEZIRKSBLÄTTER baten den jungen Rietzer zum Interview:
Du hast bei der Tour of the Alps erstmals und noch dazu auf heimischem Boden in den Profiradsport schnuppern können, welche Eindrücke hast Du dabei mitnehmen können?
EMANUEL ZANGERLE: Es wirkt immer noch ein wenig wie ein Traum, doch die Schmerzen unter dem Rennen ließen mich die Wirklichkeit fühlen. Letztes Jahr war ich noch mit dem Mountainbike, oft auch mit meinem Papa unterwegs, und jetzt bestreitet man mit den größten Teams im Radsport ein Rennen. Man kommt sich ein wenig wie David gegen Goliath vor, wenn man mit Teams, die das 30 bis 40-fache an Budget haben, an der Startlinie steht. Es war aber auf jeden Fall großartige Erfahrung und toller Einstieg in den Rennradsport, welchen mir das Tirol Cycling Team ermöglicht.
Was hat Dich dabei am meisten beeindruckt?
Wie hart die Rennen schon von Beginn an sind, was man nicht im Fernseher sieht. Aber auch wie viel Arbeit das ganze Team mit Physio, Mechaniker etc. leistet. Ich hatte einen 5-Tages Crash-Kurs. Jeden Tag dachte ich schon nach den ersten 10 Minuten, dass ich das Ziel nicht sehen werde, da das Tempo sehr hoch war. Gleichzeitig wurde aber auch sehr rücksichtsvoll gefahren, und es herrschte großer Respekt im Fahrerfeld. Ein kurzer Plausch mit Radlegende Christopher Froome (4-facher Gewinner der Tour the France) wird immer in Erinnerung bleiben. Es waren wohl die härtesten Tage in meinem Leben.
Wie war das Gefühl, im Feld von Profis an Deinem Heimatort vorbei zu fahren?
Surreal! Ich muss zugeben, dass ich nicht alles wahrgenommen habe, da im Flachen oft mit 50 km/h+ im Peleton Rad an Rad gefahren wurde und da nur sehr wenig Spielraum für Fehler bleibt. Ich möchte mich aber bei jedem Einzelnen recht herzlich fürs Anfeuern bedanken! Es gab mir viel Kraft und Motivation um weiterzukämpfen. Auch in Axams oder am Piller war es unglaublich, wie viele Leute uns zuriefen (mit Abstand und Maske natürlich). Ich selbst sehe mich noch als den kleinen Mountainbiker, der die Chance bekommen hat, bei den ganz Großen mitzufahren.
Was waren die bisherigen Renneinsätze?
Da dies meine erste Saison auf dem Rennrad ist, war so gut wie alles neu. Aufgrund von Corona gab es für mich erst zwei Rennen im Vorfeld und somit war die Tour of the Alps mein 3. Rennen bzw. meine allererste Rundfahrt. Vom Tirol KTM Cycling Team gab es keine hohen Druck, dennoch war ich im Vorfeld sehr nervös. Mit vielen großen Namen dieser Szene an der Startlinie zu stehen, die man zuvor jahrelang im TV verfolgt hatte, etwas Besonderes. Mit jedem Tag oder fast jeder Minute lernte ich ein wenig mehr, wie der Rennradzirkus funktioniert und wie alles abläuft – auf dem Rad als auch abseits.
Du warst im Radsport "vorbelastet": Opa war Obmann des RSC ARBÖ Rietz, Papa Trainer beim Racing Team Haiming ...
Sport stand in unserer Familie schon immer im Mittelpunkt, aber nicht spezifisch Radfahren. Ich durfte vieles ausprobieren bis ich zum Verein „Racing Team Haiming“ kam. Spaß und das erkunden von neuen Trails mit Freunden standen im Vordergrund. Der Verein leistet spitze Nachwuchsarbeit. Als ich im Maturajahr noch immer nicht wusste, was ich nach der Schule machen sollte, entschied ich mich alles auf eine Karte zu setzten. Das ging fast schief, da ich durch den vielen Stress den Spaß am Radfahren verlor. Als ich wieder mehr Zeit hatte, trainierte ich mit den lokalen Größen im Mountainbikesport, die mir viel beibrachten, vor allem so manches lockerer zu sehen. So hatte ich mehr Spaß als je zuvor.
Ein herzliches Dankeschön an meinen Verein Racing Team Haiming für die jahrelange Unterstützung, vor allem an meinen langjährigen Trainer Gerhard Auf der Klamm, der mir immer mit Rat und Tat zur Seite stand.
Wo siehst Du bei Dir noch Entwicklungsbedarf?
Mit dem Umstieg auf das Rennrad muss ich sicher noch vieles ändern und verbessern. Vor allem an der physischen Komponente muss ich arbeiten, da die Distanzen viel länger sind. Auch taktisch muss ich noch vieles lernen, da nicht einmal der stärkste Fahrer ein Rennen gewinnt, wenn er Fehler macht. Vom Cross-Country liegen mir eher kürzere Anstiege und Kurse, wo es nicht nur um reinen „Power“ geht.
Wie sieht Dein Training aus, Winter und Sommer, die Vorbereitung für solche Rennen?
Dieses Jahr verbrachte ich den ersten Winter seit langem wieder zuhause und trainierte ausschließlich auf Skitouren und im Olympiazentrum Innsbruck. Ich versuchte in dieser Zeit nicht alles auf die Waagschale zu legen und einfach genießen, dass ich zurzeit meinen Traum leben kann. Wenn die Höhepunkte im Sommer anstehen, wird vermehrt auf dem Rad trainiert und auch spezifische Intervalle gefahren. Das Trainingspensum variiert aber im Schnitt sind es 25–30 Stunden. Vor wichtigen Wettkämpfen können es auch mal 30–40 Stunden sein. Aber am wichtigsten ist mir immer noch, dass ich Spaß habe, denn dann sehe ich das Training nicht als Training.
Welche Ziele hast Du Dir gesetzt?
Da es meine erste Saison auf dem Rennrad ist, habe ich mir keine Platzierungen als Ziel gesetzt, obwohl es natürlich schön wäre auf dem ein oder anderen Podest zu stehen. Meine persönlichen Ziele sind, dass ich mich am Ende des Jahres im Fahrerfeld wohlfühle und dem Team, welches mir diese tolle Chance gab, bei den Rennen helfen kann. Auch das ein oder andere Bikerennen würde ich gerne bestreiten. Mal schauen was sich da noch ergibt
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