Podiumsdiskussion und Film
Zivilcourage gegen Diskriminierung und Verhetzung - nötiger denn je
Diskriminierung und Verhetzung begegnen uns im Alltag in verschiedensten Lebensbereichen: in der Schule, in der Arbeit, in der Familie, im gesellschaftlichen Zusammenleben. Eine ausgesprochen interessante Podiumsdiskussion mit Experten verschiedenster Institutionen im Haus der Erinnerung und Ruth Beckmanns genialer Dokufilm "Favoriten" widmeten sich im Vorfeld des achten Menschenrechtesymposiums diesem brennenden Thema
ST. GEORGEN/GUSEN, KATSDORF. Manchmal sind es schlichtweg niedrige Gesinnung und Menschenverachtung durch Stärkere und Privilegierte. Sehr oft zeigen sich die Ursachen für Diskriminierung und Hetze aber weit komplexer. Wenn unterschiedliche Kulturen, Religionen und soziale Milieus zunehmend heftiger aufeinanderprallen, sich ungelöste Dauerstress-Themen wie gesellschaftliche Spaltung, Migrationsproblematik, Klimakrise und weltweite Konflikte überlagern und die Algorithmen sozialer Medien als Brandbeschleuniger wirken, dann braucht es große Zivilcourage, um Humanität und Menschenrechte zu bewahren.
Menschenwürde unter Druck - auch vom Staat
Bei der Podiumsdiskussion "Nie wieder! ist jetzt" boten in einer spannenden, von Wolfgang Ritschl (Ö1 Kontext, ORF) moderierten Runde Tanja Krausbar (AK OÖ), Katarzyna Winiecka (UNDOK - Anlaufstelle zur gewerkschaftlichen Unterstützung UNDOKumentiert Arbeitender), Andreas Gruber (Filmemacher und stv. Vorsitzender SOS Menschenrechte OÖ) und LAbg. Erich Wahl (Bereichssprecher für Kultur, Integration, Menschenrechte und (Rechts)Extremismus) einen Blick hinter die Kulissen. Sie schilderten etwa achselzuckende "Nichtzuständigkeit" staatlicher Stellen, die Geflüchtete oder sozial Schwache in prekäre Arbeitsverhältnisse oder Schwarzarbeit treibt. Von systematischer Benachteiligung von Nicht-EU-Bürgern beim Arbeitsmarktzugang bis zum Totschweigen von Arbeitsunfällen; Opfer und Angehörige hilflos im Stich gelassen.
"Menschenwürde zu sichern wird immer öfter zum Privatvergnügen der NGOs"
(Andreas Gruber, SOS Menschenrechte)
Ähnliches gilt oft bei sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz oder tolerierter Ausbeutung in vielen Branchen. Asylwerbern den Weg zum Arbeitsmarkt zu verbauen, sie als faul und arbeitsunwillig hinzustellen, um dann populistisch eine Arbeitspflicht für 1 Euro pro Stunde zu fordern, sei der Gipfel von Diskriminierung, waren sich Podium und Plenum einig.
Ein weiteres Thema beleuchtete den sprunghaften Anstieg antisemitischer oder rassistisch motivierter Gewalt, on- und offline. "Wir haben bei der jungen Generation völlig den Anschluss zu deren Kommunikationskanälen verloren. Wenn erst in der sechsten Schulstufe digitale Bildung am Lehrplan steht, aber schon fast alle Achtjährigen ein Smartphone besitzen, dann sind vier für junge Menschen werteprägende Jahre verloren. Sie werden anstatt dessen von ungefilterten, manipulierenden Algorithmen der sozialen Medien vereinnahmt", so das ernüchternde Fazit der fast zweistündigen, gut besuchten Diskussion.
Berührende Filmdoku "Favoriten"
Eine Volksschulklasse, 25 Kinder, 15 Nationen, 5 Religionen und niemand mit deutscher Muttersprache. Dazu eine Lehrerin aus Leidenschaft, versagende Behörden und das gesamte Spektrum multikultureller Reibungsflächen: Filmemacherin Ruth Beckmann hat diese Klasse im Wiener Bezirk Favoriten drei Jahre lang begleitet und das Kunststück geschafft, aus einem emotionalen und komplexen Stoff einen wunderbaren, ungeschönten und gleichzeitig tief berührenden Film zu machen, der in acht oö. Kinos gezeigt wurde, zuletzt am Sonntagabend im Kino Katsdorf.
Stellte sich bei mehreren Terminen die porträtierte Lehrerin Ilkay Idiskut den Fragen der begeisterten Besucher, so berichteten in Katsdorf eine Volks- und eine Mittelschulpädagogin an vergleichbaren Schulen im oö. Zentralraum nach dem Film über ihre Erfahrungen. Der stigmatisierende Begriff "Brennpunktschule", gravierender Mangel an Schulärzten, -psychologen und -sozialarbeitern oder die Frage, ob nicht gruppenbildender glaubensspezifischer Religionsunterricht besser durch konfessionsübergreifenden, verbindenden Ethikunterricht ersetzt werden sollte: Die beiden Lehrerinnen und ihre im Publikum stark präsenten Berufskolleginnen und -kollegen fanden viele Anknüpfungspunkte, die auch diesen Abend zu einem gelungenen Mosaikstein des Menschenrechtesymposiums werden ließ.
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