Misstrauensantrag
Regierung gestürzt – Löger übernimmt vorübergehend Kanzler-Aufgaben – Reaktionen aus OÖ
Die Übergangsregierung unter ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wurde durch einen von der FPÖ unterstützten SPÖ-Misstrauensantrag im Nationalrat abgewählt – ein in der Zweiten Republik einmaliges Ereignis. Bundespräsident Alexander van der Bellen wird die bisherige Übergangsregierung des Amtes entheben, sie danach aber gemäß Verfassung vorübergehend wieder einsetzen. Finanzminister Hartwig Löger soll jedoch anstatt von Sebastian Kurz mit der Verwaltung des Bundeskanzleramtes betraut werden.
WIEN, LINZ. Die Verfassung sieht vor, dass immer alle Regierungsämter besetzt sein müssen. Deshalb werde laut van der Bellen, so wie es die Verfassung vorsehe, die enthobene Bundesregierung gleich wieder mit dem vorläufigen Fortführen der Regierungsgeschäfte betraut. Ein kurzfristiges Provisorium, bis eine Expertenregierung gefunden ist. Das sollte laut dem Bundespräsidenten bis Freitag passieren, längstens jedoch innerhalb einer Woche. Er werde dafür nur einen Kanzler vorschlagen, "der mit Unterstützung oder zumindest Duldung im Nationalrat rechnen kann." Van der Bellen appellierte an die Parteien, sich konstruktiv an Entscheidungsfindung zu beteiligen. Er führte bereits Montagabend Gespräche mit den Parteienvertretern.
Die Expertenregierung wird für mehrere Monate im Amt bleiben, bis sich nach den Neuwahlen im Herbst eine neue, gewählte, Regierung findet.
Stelzer: "Die Menschen wollen das nicht und sie halten nichts davon"
Nur 525 Tage war Sebastian Kurz österreichischer Bundeskanzler. Landeshauptmann Thomas Stelzer hatte nach dem Wahlerfolg am Sonntag noch gemeint: „Wenn ein so gestärkter Kanzler abgewählt wird, heißt das was für die Stimmung." Nach der Abwahl der Übergangsregierung unter Sebastian Kurz sagt Stelzer: „Diese Vorgehensweise stimmt mich nachdenklich und ist sehr bedauerlich. Ich bin mir sicher: die Menschen wollen das nicht und sie halten nichts davon. Das Wählervotum war eindeutig, und zwar für Stabilität mit einer Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz. Leider hat das gestrige Ergebnis zu keinem Umdenken geführt. Was wir jetzt brauchen ist Staatsverantwortung und Stabilität“, so Stelzer. Sein primärer Fokus liege auf einem stabilen Kurs Oberösterreich: „Wir müssen alles daran setzen, dass die Regierungskrise in Wien bleibt und Oberösterreich weiterhin ein Standort der Stabilität und Sicherheit ist.“
Haimbuchner: Kein Einfluss auf Zusammenarbeit in OÖ
„Was im Nationalrat beschlossen wurde, geht auf die freie Entscheidung der gewählten Mandatare zurück. Das freie Mandat ist die Grundsäule unserer Demokratie“, so der stellvertretende oö. Landeshauptmann und Landesparteiobmann der FPÖ Oberösterreich, Manfred Haimbuchner. Der Sturz der Übergangsregierung unter Kurz sei nachvollziehbar, habe es doch seitens der FPÖ klare Konsequenzen in Folge des Skandalvideos gegeben. „Ich stelle aber auch fest, dass heute nicht der ÖVP grundsätzlich das Misstrauen ausgesprochen wurde. In Oberösterreich ist das Vertrauen zwischen den Regierungspartnern und der Wille für das Land zu arbeiten intakt. Ich kann daher hier und heute versichern, dass es unabhängig vom heutigen Misstrauensvotum auch in Zukunft noch vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der ÖVP geben wird. Unsere Voraussetzungen dafür sind dabei nicht partei- und machtpolitischer Natur, sondern beschränken sich darauf, dass man der FPÖ mit Anstand und Respekt begegnet“, so Haimbuchner in einer Aussendung.
SPÖ-Gerstorfer: Viele in der Lage, Kanzler-Funktion zu übernehmen
Die Soziallandesrätin und Landesvorsitzende der SPÖ, Birgit Gerstorfer, hatte bereits am Sonntag in der ORF-Sendung "Oberösterreich heute" gemeint: "Ich denke, dass sehr viele Persönlichkeiten in Österreich in der Lage sind, die Funktion des Kanzlers interimistisch wahrzunehmen. In sehr kurzer Zeit wird sich das auch herausstellen." Es werde sich deswegen keine Instabilität ergeben. Sie sehe den Misstrauensantrag nicht im Gegensatz zum vorläufigen Ergebnis der EU-Wahl mit den starken Zuwächsen für die ÖVP.
„Einzig und allein Sebastian Kurz ist für das Scheitern seiner Regierung verantwortlich – und damit für die Regierungskrise. Er hat absolut keine Maßnahmen gesetzt, um Vertrauen aufzubauen. Es hat keinen Dialog gegeben. Und auch kein Miteinander. Kurz hat Brücken eingerissen und ausschließlich im Eigeninteresse gehandelt“, so Gerstorfer, nachdem der Nationalrat das Kabinett Kurz abgewählt hat.
Grüne: Franz Fischler als Experten-Kanzler
Der Grüne Landessprecher und stellvertretende Bundessprecher Landtagsabgeordneter Stefan Kaineder betonte nach dem Aus für die Übergangsregierung: „Wir Grüne bleiben bei unserem Vorschlag, Franz Fischler als Übergangskanzler zu bestellen. Er ist eine höchst integre, über die Parteigrenzen geachtete und angesehene Persönlichkeit. Er wäre ein Garant dafür, Österreich in diesen turbulenten Zeiten weitsichtig bis zu den Neuwahlen zu führen. Als ehemaliger EU-Kommissar wäre Franz Fischler auch prädestiniert, das Land nach den EU Wahlen auf europäischer Ebene bei wichtigen anstehenden Entscheidungen zu vertreten. Es wäre daher zielführend, Franz Fischer zum einen mit der Kanzlerschaft zu betrauen. Zum anderen natürlich mit der Aufgabe, ein Ministerteam bestehend aus ExpertInnen zusammenzustellen und mit den entsprechenden Aufgaben einer Übergangsregierung zu versehen.“
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