Interview mit Dr. Andreas Stippler: Woran die niederösterreichischen Mediziner leiden
Am 25. März findet die Wahl der Ärztekammer statt. Der Kremser Arzt Dr. Andreas Stippler hat 2.000 niederösterreichische Mediziner befragt, wo der Schuh drückt.
Herr Dr. Stippler, Sie haben eine Befragung unter NÖ-Ärzten durchgeführt. Wo drückt die 7.000 Mediziner der Schuh?
Von rund 7.000 Medizinern haben 2.000 mitgemacht, ein Spitzenwert. Dabei haben sich drei große Problemfelder gezeigt. Erstens: Die Spitalsärzte finden die unterschiedliche Bezahlung und Überstundenentlohnung ungerecht. Zweitens: Die Situation in den Ambulanzen. Durch den Ansturm auf die Spitäler sind die diensthabenden Ärzte überlastet. Drittens: die Ausbildungsqualität. Die überwältigende Mehrheit will mehr Ausbildungszeit am Patienten und nicht die meiste Zeit am Computer sitzen und irgendwelche Zettel ausfüllen.
In vielen Regionen des Landes ist es schwierig, Hausärzte zu finden. Was ist der Grund?
Zuerst müssen die Honorare der Kassen den modernen Anforderungen angepasst werden. Ein Beispiel: Heute sind 24-Stunden-Blutdruckmessgeräte Standard. Der Arzt gibt Ihnen das Gerät mit heim, bezahlt wird aber dasselbe, als wenn er ein Mal Blutdruck gemessen hätte. Bei Lasermessungen beim Augenarzt oder beim Ultraschall beim Praktikers es ähnlich. Das zu reformieren wäre viel wichtiger, als durch Mystery-Shopper die Ärzte zu bespitzeln. Dazu kommt ein enormes rechtliches Risiko und eine überbordende Flut an Bürokratie. Ich fordere schon lange einen Ärzteanwalt als Pendant zum Patientenanwalt. Der könnte als Anlaufstelle für Patienten und Ärzte dienen.
Wenn Sie drei Punkte morgen ändern könnten, was wäre das?
Das wäre zuallererst ein Abbau der Bürokratie und ich würde Kassenverträge "sexy" machen. Ich würde die Kostenrückerstattung für Wahlarztbesuche erhalten, das war nämlich auch im Gespräch, dass es abgeschafft wird. Und drittens müssen neue rechtliche Rahmenbedingungen her. Ärzte dürfen nicht wie andere Freiberufler Gesellschaften gründen und andere Ärzte anstellen. Das wäre aber dringend notwendig, um die Versorgung aufrechtzuerhalten.
Die Ärztekammer kann sich da seit Jahren nicht durchzusetzen. Ist die Standesvertretung der Mediziner schwach?
Ja, viel zu schwach. Das belegen die Daten, das bestätigen unsere unzähligen persönlichen Gespräche, die mein Team und ich vor Ort geführt haben. Unsere Befragung zeigt aber auch: Zwei Drittel der Ärzte haben das Gefühl, die aktuelle Kammerführung kennt ihre Sorgen gar nicht – das sind alarmierende Ergebnisse.
Wie kann man das ändern?
Die Interessensvertretung muss zu uns kommen - nicht wir zu ihr. Nur wer persönlich und vor Ort mit Kollegen spricht, kann mehr für uns Ärzte erreichen. Ich bin durch alle Bezirke in NÖ gefahren und habe alle Ärzte zum Gespräch geladen. Dabei bin ich vielen begegnet, die von der heutigen Kammerführung noch nie was gehört haben und daher enttäuscht sind. Diesen und allen Ärzten sage ich: Wir Ärzte brauchen eine Interessensvertretung, die diesen Namen wieder verdient. Dafür kämpfen mein Team und ich.
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