Hochwasserschutz
60 Millionen Euro für die Sicherheit

- Ernst Schwaiger an der Großache; die Kapelle (re. hi.) wurde im Zuge der Achenregulierung in Kirchdorf errichtet.
- Foto: Kogler
- hochgeladen von Klaus Kogler
Der langjährige Großachengenossenschafts-Obmann Ernst Schwaiger zieht umfangeiche Bilanz.
KIRCHDORF (niko). 1902 gab es einen Auftrag des Landes zur Regulierung des Talbodens, im Herbst 1905 wurde beim Hüttwirt in Kössen die Großachengenossenschaft als "Zwangsgenossenschaft für Wasserbau" gegründet. Seither ist viel geschehen, besonders in der Obmannzeit von Ernst Schwaiger, der nun Bilanz zieht. Er wurde bei der Jahreshauptversammlung der Achengenossenschaft am 9. Jänner einstimmig entlastet, am 24. Februar werden in den vier Gemeinden (Oberndorf. St. Johann, Kirchdorf, Kössen) die neuen Ausschussmitglieder (je Ort 3) gewählt. Diese wähnen dann den neuen Obmann. Der Ausschuss hat dann auch über die Zukunft zu entscheiden – Beibehaltung der Zwangsgenossenschaft oder Bildung eines Wasserverbands?
"Ich war 18 Jahre, seit 2000, Obmann. In dieser Zeit wurden 50 Millionen € in den Hochwasserschutz an der Großache investiert, seit 1996 waren es 60 Mio. €. Die Kosten tragen jeweils Bund (60 %), Land (30 %), und Genossenschaft (10 %, davon 6 % Gemeinden, 4 % Genossenschaft). Zwischen Entenloch (Landesgrenze in Kössen, Anm.) und Gemeindegrenze Kitzbühel hat die Genossenschaft 860 Kilometer Einzungsgebiet von Flüssen und Bächen (ohne Wildbäche)", erklärt Schwaiger die Eckdaten.
Entwässerung
Am Beginn, ab 1905, bis in die jüngere Gegenwart ging es um die Entwässerung und Urbarmachung des Talbodens. Felder waren damals oft überschwemmt. Erst durch diese, vielfach händischen Arbeiten, wurde landwirtschaftliche Nutzung und später die Verbauung möglich. Die Ache wurde in ein Flussbett gezwängt, quasi "kanalisiert" und mit Dämmen versehen. Diese Bauten hielten über knapp 100 Jahre.
Durch die stete Verdichtung und Bodenversiegelung durch Verbauung kam es zu erhöhtem Wasserabfluss und Überschwemmungen. Daher war nun Rückbau und Aufweitung ein Gebot der Stunde "Eine Rückführung in ursprüngliche Zustände sogzusagen", so Schwaiger.
1992 begannen Planungen dafür, ab 1996 wurde gebaut, der Fluss zum Teil von 25 auf 75 Meter Breite aufgeweitet, Dämme erhöht bzw. verstärkt und die Sole teilweise bis zu 1,50 Meter abgesenkt "Ohne die Verbauung wäre Kirchdorf mehrere Male überschwemmt worden", so der scheidende Obmann.
Unter Aufsicht des Baubezirksamts Kufstein (damals Jakob Scherer) startete 1996 der erste Bauabschnitt vom Klärwerk bis zur Kirchdorfer Dorfbrücke, Bis 2009 folgten die Abschnitte bis zur Further Brücke, dann bis zur St. Johanner Gemeindegrenze. 30 Mio. € wurden allein auf Kirchdorfer Gebiet investiert, um den Hochwasserschutz zu gewährleisten.
2011 starteten die Bauarbeiten in Kössen. Als 2013 das große Hochwasser kam, wurden Projekte in Kössen (Baustufen 2 und 3) und St. Johann von 2023 bzw. 2027 vorgezogen und sofort umgesetzt. In Kössen wurden allein 22 Mio. € verbaut. Dies wurde durch einen ministeriellen Erlass möglich (Bundes-Mitfinanzierung, MR Tschulik, Anm.).
In St. Johann waren es die Projekte im Bereich Sperten/Reither Ache und an der Fieberbrunner Ache. "Diese wurden nicht vom Baubezirksamt sondern mit freien Vergaben gebaut, dabei gab es jeweils Kostenüberschreitungen, insgeamt 2,5 Mio.€. Das Baubezirksamt hatte immer günstiger als geplant gebaut (z. B. Kössen, Oberndorf).
In Oberndorf wurde ein kleineres Projekt der Achenaufweitung realisiert und der Dorfbach reguliert, ein weiteres Vorhaben steht noch aus. Auch im Bereich Kössen wird noch an einem Projekt im Bereich der Kläranlage gearbeitet (Sache des Abwasserverbands und der Gemeinde, Anm.). In St. Johann fehlt noch ein Schutzbau im Ortszentrum (Einmündung Reither Ache bis Fieberbrunner Ache). "Hier wird wohl nur eine Dammerhöhung möglich sein", so Schwaiger. Auch im Abschnitt vom Flugplatz bis zur Gemeindegrenze stehe noch ein Projekt "in den Sternen". Die Pläne für Retentionsflächen im Hagertal siind laut Schwaiger schwer zu realisieren. Diese würden jedenfalls noch mehr Schutz für die Unterlieger (Kössen, Bayern) bringen. Eine Studie dafür haben Land und Bund finanziert.
In Gemeindehände
"Warum müssen die Zwangsmitglieder so viel Geld bzw. Beiträge zahlen? Bei Lawinenverbauungen werden auch nicht die Anrainer zur Kasse gebeten. Das Thema gehört in Hände der Gemeinden mittels Wasserverband gelegt, die Zwangsgenossenschaft ist nicht mehr zeitgemäß. Nach der Erhöhung der Beiträge – nötig geworden durch die vielen Riesen-Projekte – bekam ich sogar Drohbriefe; es gab Kritik von einigen der 3.600 Mitglieder, warum sie plötzlich viel mehr zahlen müssten. Sogar von Geschädigten in Kössen gab's Kritik. Die Leute vergessen sehr schnell, dass sie Schutz bekamen, den sie vorher nicht hatten. Dieser Schutz war und ist teuer, das muss es aber jedem Einzelnen wert sein. Aber die Beiträge werden künftig wieder sinken, da 90 % der Schutzbauten realisiert sind, die Kosten also wieder sinken. Was bleibt, sind aber die Instandhaltungen und Wartungen diverser Bauten", so Schwaiger.
Derzeit umfasst das Budget der Genossenschaft 450.000 €.
Ginge es nach ihm, würde er auch die Ober- und Unterlieger (z. B. Kitzbühel, Fieberbrunn, Schleching u. a.) in die finanzielle Pflicht nehmen. "Die einen bringen Wasser bzw. leiten es in ihren Orten durch, die anderen bekommen Schutz durch die Verbauung in unserer Region." Aktuell ist dies nicht der Fall.
"Wir haben immer ehrenamtlich gearbeitet. Alles wird aber immer komplizierter, immer mehr Gutachten von Sachverständigen sind nötig, da wäre die Thematik bei einem Gemeindeverband künftig besser aufgehoben, da gäbe es allein in den Bauämtern vorhandene Expertise und Manpower. Wir hingegen sind ja alles Laien", zeigt Schwaiger auf.
Teure Angelegenheiten
Kritik übt Schwaiger an überbordenden Auflagen – wie z. B. die teure Fischtreppe beim St. Johanner Kraftwerk (Fieberbrunner Ache). "Da ist der Aufwand nicht mehr nachvollziehbar, mit dem Geld könnte man wesentlich sinnvolleres machen. Dabei funktioniert das Werk'l nicht einmal richtig, die Treppe ist wiederholt verstopft."
Ebenfalls sauer stößt ihm die starke Erhöhung der Entschädigungssummen für betroffene Landwirte auf, etwa im St. Johanner Sperten, wo es eine Zwangseinräumung gab. "Die kräftig erhöhten Zahlungen stehen in keinem Verhältnis zur möglichen Belastung der Grundflächen im Fall eines Hochwassers. Im Fall eines nur 30-jährigen Hochwassers würden die Entschädigungen statt bisher 345.00 € dann 2,3 Mio. € ausmachen", so Schwaiger. Dies geht auf eine zivilrechtliche Klage von drei Grundbesitzern zurück. Nach einem gerichtlichen Gutachten wurden die Beiträge empfindlich erhöht. "Dabei wird hier kein hochwertiger Ackerbau, wie im Gutachten erwähnt, betrieben, sondern Mais für die Biogasgewinnung angebaut", ärgert sich Schwaiger. Neben den Ausgleichszahlungen würden überdies Ernteausfälle und Flurschäden abgegolten.
Nur ein Seitenhieb
Positiv resümiert Schwaiger die Zusammenarbeit mit dem Baubezirksamt, er Landesabteilung Wasserbau und den Gemeinden, wo er immer offene Türen vorgefunden und in gutem Einvernehmen gewesen sei. Einen Seitenhieb gibt's allerdings. "Mit St. Johann lief es nicht so rund. Bgm. Seiwald hat meinem Gefühl nach eher Pflasterungen im Ort im Auge als den Hochwasserschutz."
"Ich bin dankbar, dass in meiner Obmannzeit so viel für die Hochwassersicherheit in unserer Region geschaffen werden konnte, immer gemeinsam mit Bund, Land und Gemeinden. Andernorts hat man oftmals neidig zu uns geblickt, was wir alles realisieren konnten. Stolz war ich auch als Bürgermeister, für die eigene Bevölkerung den Hochwasserschutz herstellen zu können."





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