Frei im Theater: König Arthur
Von Liebe, Krieg und Magie

Wie es bei angehenden Machtmännern so üblich ist, matchen sich Sachsenkönig Oswald (Florian Granzner) und Britenkönig Arthur (Tommy Fischnaller-Wachtler) nicht nur um die territoriale Vorherrschaft, sie begehren auch noch beide dieselbe Frau.  | Foto: Birgit Gufler
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  • Wie es bei angehenden Machtmännern so üblich ist, matchen sich Sachsenkönig Oswald (Florian Granzner) und Britenkönig Arthur (Tommy Fischnaller-Wachtler) nicht nur um die territoriale Vorherrschaft, sie begehren auch noch beide dieselbe Frau.
  • Foto: Birgit Gufler
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Die jüngste spartenübergreifende Produktion des Tiroler Landestheaters – Purcells Semi-Oper "König Arthur" - verfolgt ein hochambitioniertes, intellektuell absolut schlüssiges Konzept, holt einen emotional aber nur bedingt ab. Trotzdem zeigt das Werk unmissverständlich auf, dass wir uns wider besseres Wissen offenbar ewig im Kreise drehen.

Liebe, Krieg und Magie – das sind die bestimmenden Ingredienzien menschlicher Kulturproduktion, an denen wir uns schon seit Urzeiten abarbeiten. In der jüngsten spartenübergreifenden Produktion des TLT „König Arthur“ stehen genau diese Wirkkräfte am ideologischen Prüfstand, wobei die Magie als die eigentliche Strippenzieherin identifiziert wird. Sowohl in ihrer amoralisch-manipulativen Ausprägung in Gestalt etwa des Zauberers Guillamar wie in jener abgeklärt humanistischen Denkungsart des weisen Sehers und Magiers Merlin. Der will seinen britischen Schützlingen zwar vermitteln, dass es kein Menschenwesen gibt, „das nicht meinesgleichen ist“, was natürlich auch für das feindliche Gegenüber gilt, und es wird ihm zuletzt sogar gelingen, einen Friedensvertrag durchzusetzen. Er wird mit diesem Ansinnen aber selbstverständlich nur kurzfristig reüssieren.

Ein Match um Frau und Vorherrschaft
Insofern ist diese ursprünglich von Henry Purcell und John Dryden verfasste Semi-Oper geradezu beklemmend aktuell. Die beiden jungen und rivalisierenden Herrscher – Britenkönig Arthur und Sachsenkönig Oswald – matchen freilich nicht nur um die Vorherrschaft auf britischem Boden, sondern auch noch um die Liebe der blinden Emmeline. Was insofern spannend ist, als sie im Laufe des Stückes mittels magischer Intervention ihre Sehkraft zurückerhalten wird. Ein Umstand, den Autor Ewald Palmetshofer, dessen 2018 für das Theater Basel geschriebene Neudichtung des „König Arthur“ nun erstmals auch in Österreich zu erleben ist, überaus sinnfällig als Emanzipierung einer jungen Frau deutet, die zuvor in multiplen Abhängigkeitsverhältnissen verstrickt war. Sie wird zudem die Einzige sein, die sich den manipulativen und sexuellen Übergriffen des gegnerischen magischen Lagers widerständig entgegenstellt und die Illusionen des Irrwaldes richtig zu deuten vermag.

Widersinniger Zweikampf
Selbst nachdem mit entsprechender Unterstützung Merlins alle wieder etwas klarer sehen, fällt den beiden jungen Königen Arthur (Tommy Fischnaller-Wachtler) und Oswald (Florian Granzner) nichts anderes ein, als sich final um was auch immer zu schlagen. Was Co-Schauspieldirektorin Bettina Bruinier in ihrer ambitionierten Inszenierung mehr als zurecht als überaus unreife und lächerliche Art und Weise der Konfliktlösung brandmarkt. Und auch Emmeline stellt zuletzt unmissverständlich klar, dass sie nicht die ausgesetzte Trophäe dieses unsinnigen Zweikampfs ist, der einen wohl nicht von ungefähr an jene zwei verhaltensauffälligen Tech-Milliardäre erinnert, die der kürzlich stattgefundenen präsidialen Inaugurations-Show erste Reihe fußfrei beiwohnen durften und sich auch schon längst mal in einem Käfig die Köpfe einschlagen wollten.

Düstere Bühne mit wenigen Farbtupfern
Die Zeiten bleiben jedenfalls auch bei „König Arthur“ düster, vertrackt und abgründig, das suggerieren nicht zuletzt die an eine Dauerbaustelle erinnernden Plateau-Konstruktionen von Volker Thieles Bühne, in der ganz vorne ein riesiges Einschlagloch klafft, das die Akteur:innen zumindest gefühlt jederzeit zu verschlingen droht. Gemäß Merlins Diktion steckt Chani Lehmann die vormals ja verbündeten Briten und Sachsen sinnigerweise in dieselben schwarzen Royal-Gard-Kostüme, verpasst ihnen jedoch grüne respektive violette Bärenfellmützen. Lediglich die Geistwesen Cupido und Philidel, beide hinreißend verkörpert von Publikumsliebling Petra Alexandra Pippan, sowie die widerständige Emmeline, die von Cansu Şîya Yıldız überzeugungsstark gespielt wird, bringen sprichwörtlich etwas mehr Farbe in die martialische Verwirrung.

Barock mit elektroakustischem Twist
Die lichten und emotional berührenden Momente entstehen primär über die Musik, insbesondere natürlich bei der wunderbaren Frostszenen-Arie „What power art thou“, die der legendäre Klaus Nomi in den 80ern sogar für die Populärkultur erschloss. Wie schon in der diesjährigen Eröffnungsproduktion „Liebesgesang“ besticht Benjamin Chamandy in seinen Auftritten als Cold Genius oder Gefolgsmann Gawain sowohl durch seine stimmliche wie darstellerische Ausdruckskraft, überaus facettenreich auch die Darbietungen von Camilla Saba Davies (u.a. als Melancholie), Tirza-Sophie Gloger (u.a. als Badende) und Andrea de Majo als Grimbald. Selbst bei den von den Schauspieler:innen interpretierten Arien hält man gerne inne, fast schon erleichtert, dass diesen getriebenen Figuren nun auch ein Moment der Reflexion gegönnt ist . Der Innsbrucker Komponist und Sounddesigner Kenneth Winkler, mit dem das Haus regelmäßig zusammenarbeitet, hat sich Purcells Werk mit großem Respekt angenähert und seine Musik mit einem erfrischend modernen elektroakustischen Twist angereichert.  Es ist tatsächlich erstaunlich, welches fein akzentuierte klangliche Volumen die nur siebenköpfige Formation mit Streicher:innen, E-Bass und Drums unter der bewährten Leitung von Hansjörg Sofka auf der Bühne entwickelt.

Abend franst an etlichen Stellen aus
Für zusätzliche Leichtigkeit im irrlichternden Hin und Her zwischen hehren und eigennützigen Einflüsterern – Merlin Marion Reiser ist hier quasi ständig gefordert, um dem mephistoähnlichen Guillamar Pasquale di Filippo Einhalt zu gebieten oder Philidel (Petra Alexandra Pippan) und Grimbald (Andrea De Majo) sprichwörtlich den Wind aus den Segeln zu nehmen – sorgen des Weiteren auch die getanzten Sequenzen mit Sasha Portyannikova, Katharina Löffler und Paulo Alberto dos Santos. Es ist also in der Tat viel los auf der Bühne, und „König Arthur“ zweifelsohne ein hochambitioniertes Projekt. Dass man für eine Produktion dieser Dimension, die noch dazu den Anspruch erhebt, alle Sparten des Hauses ebenbürtig zusammenzuführen, mehr als die am Theater übliche Proben- und Entwicklungszeit bräuchte, kann man sich leicht ausmalen. Natürlich haben auch unvollendete Werke ihre Berechtigung, tatsächlich franste der Abend an einigen Stellen etwas zu sehr aus, fiel es über weite Strecken schwer, sich mit den Figuren zu identifizieren. Wenn sich das Ensemble zuletzt bei drehender Bühne spürbar ermattet von all den Wahnsinnigkeiten, die sich Menschen so antun, ein Bier gönnt, hätte man ehrlich gesagt auch gern eines in der Hand. Dies umso mehr, als man weiß, dass der zuvor unterschriebene Friedensvertrag ohnehin nicht halten wird.

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