Wo Justitia daheim ist – Graz Inside im Landesgericht für Strafsachen

- Hüterin des Rechts: Gerichtspräsidentin Caroline List führte die WOCHE durch das Straflandesgericht.
- Foto: Foto Jörgler
- hochgeladen von Martina Maros-Goller
Am Landesgericht für Strafsachen urteilen 24 Richter in rund 3.500 Akten pro Jahr "im Namen der Republik".
"Niemand kommt gerne her", sagt Gerichtspräsidentin Caroline List. Nachsatz: "Außer die, die hier arbeiten. Wir haben einen besonderen Zusammenhalt." Kein Wunder, hat man es doch regelmäßig mit Ausnahmesituationen zu tun. "Wir sind für Angeklagte zuständig, deren Taten mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht sind", erklärt List weiter. Das umfasst mitunter auch spektakuläre Fälle, an denen die Gesellschaft großes Interesse hat.

- Imposant: Der Große Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen ist Schauplatz großer und spektakulärer Prozesse.
- Foto: Foto Jörgler
- hochgeladen von Martina Maros-Goller
Große Herausforderungen
"Die Prozesse von Franz Fuchs, Jack Unterweger oder dem sogenannten Amokfahrer Alen R. fanden hier statt", führt die Präsidentin aus, während sie die WOCHE für die Serie "Graz Inside" in den Großen Schwurgerichtssaal bittet. Bevor man über den Personalzugang den größten Verhandlungssaal betritt, kommt man an den Warteräumen für die Häftlinge vorbei. "Hier warten Untersuchungshäftlinge, bis sie aufgerufen werden." Also saßen schon die oben genannten Herren in diesen Zellen. Alle Akten werden 50 Jahre lang aufbewahrt, im Keller findet sich der Akt des Bombenattentäters Franz Fuchs, der rund 180 Bände zu je 500 Seiten umfasst.
"Unsere Staatsanwaltschaft ist sehr engagiert, deswegen finden die Dschihadistenprozesse bei uns statt, auch wenn die Taten nicht immer in Graz passiert sind", so List weiter. Diese Prozesse, die auch viele Angeklagte haben, stellen das Gericht vor große Herausforderungen. So musste schon allein bei den Sesseln improvisiert werden. "Der Schwurgerichtssaal muss adaptiert werden, die Decke wurde durch das Flachdach in Mitleidenschaft gezogen und es gibt keine Klimaanlage", meint die erste weibliche Strafgerichtspräsidentin, die zudem die erste weibliche Strafrichterin in Graz war.

- Zelle: Hier warten Untersuchungshäftlinge auf ihre Verhandlungen.
- Foto: Foto Jörgler
- hochgeladen von Martina Maros-Goller
Reintegration anstoßen
"Bei uns werden alle unerträglichen Verstöße gegen das Gemeinwohl einer Überprüfung unterzogen und gegebenenfalls geahndet", sagt List. Und das zum Schutz der Bevölkerung. "Wir sind für Täter und Opfer da und stoßen eine Reintegration zumindest an." Schwere Körperverletzungen, Morde, gefährliche Drohungen, Sexualdelikte, Einbruchsdiebstähle, Betrugsfälle, staatsfeindliche Verbindungen oder Verstöße gegen das Verbotsgesetz finden sich dabei auf der Tagesordnung der 31 Staatsanwälte und 24 Richter. "Als Strafrichter muss man mutig, stressresistent und entscheidungsfreudig sein sowie gut im Team arbeiten", erklärt die Gerichtspräsidentin, die im Strafgesetzbuch "einen moralischen Mindeststandard einer Gesellschaft" sieht. Täglich geht es in den neun Verhandlungssälen des Strafgerichts um viel. "Es ist jedes Mal bewegend, wenn ich vor allem die jungen Untersuchungshäftlinge sehe und das Leid, das sie den Opfern, deren Familien, aber auch den eigenen Familien antun", hält List fest. Aber dennoch: Recht muss Recht bleiben – "denn das Gemeinwohl steht über allem."

- Historisch: Der Akt des Bombenattentäters Franz Fuchs aus 1999 befindet sich im Keller und ist 180 Bände, die je 500 Seiten umfassen, stark.
- Foto: Foto Jörgler
- hochgeladen von Martina Maros-Goller
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.