Hohe Suizidrate in der Steiermark
Über Depression und Suizid sprechen

- Die Psyche leidet, die Suizidrate in der Steiermark ist nach wie vor hoch. Das Hilfsangebot ist aber umfangreich.
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Im Jahr 2022 verloren 1.276 Menschen österreichweit durch Suizid oder Todesfälle infolge von Selbstbeschädigung ihr Leben – 209 davon in der Steiermark. Die Steiermark zählt neben Kärnten zu einem von zwei Bundesländern mit der höchsten Suizidrate. Vor allem im ländlichen Raum ist das noch ein Tabuthema.
STEIERMARK. Krisen, Kriege, Inflation und unsichere Zeiten: Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen und man selbst kommt mit dem Tempo kaum noch mit. Wer sich gerade durch sämtliche Veranstaltungskalender klickt (siehe unten), wird merken, dass das GO-ON Kompetenzzentrum für Suizidprävention Steiermark mit unterschiedlichen Veranstaltungen durch die steirischen Gemeinden tourt – die Psyche leidet unter all den Umständen und der Bedarf an Beratungen scheint gegeben zu sein. Die steirische Suizidprävention hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen zu stärken und zu bilden, bevor Suizidalität überhaupt entsteht.

- Der Vortrag ist kostenfrei und für alle zugänglich.
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Anstieg und kaum Erholung
Spätestens seit Beginn der Pandemie wird wieder häufiger über die psychische Gesundheit gesprochen. Eine (weltweite) Ausnahmesituation, die die Psyche mitunter schwer belastet hat. Und seither gibt es kaum Erholung. Körperliches Unwohlsein, Angst und Niedergeschlagenheit, Stress und Kraftlosigkeit – Symptome, die auf eine Depression hinweisen können. Scheint der Ausweg hoffnungslos, muss man auch über ein Tabuthema sprechen: Suizid. 209 Steirerinnen und Steirer haben sich im Vorjahr das Leben genommen. Das sind in etwa 3,5-mal so viele Menschen, als die, die im Straßenverkehr gestorben sind. Die Suizidrate ist hoch. Und trotzdem ist das Thema noch ein Tabu.

- Ein gutes Gespräch und jemand, der zuhört, das kann schon helfen.
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"Der österreichweite Anstieg ist auf Steigerungen der vollendeten Suizide in einzelnen Bundesländern, insbesondere Wien, Tirol, zurückzuführen. Die steirischen Suizidzahlen befinden sich in der Fünf-Jahres-Schwankungsbreite, hier gab es keinen signifikanten Anstieg. Da die Steiermark nicht von einer signifikanten Steigerung betroffen ist, sollte man mit einer allgemeinen Interpretation vorsichtig sein", sagt Susanna Truschnig, Leiterin des Regionalteams Graz-Umgebung Nord von GO-ON. Doch sie fügt hinzu:
"Allerdings berichtet auch Deutschland von 2021 auf 2022 einen ähnlich hohen Anstieg der Suizide, sodass man vermuten muss, dass hier systemische Effekte am Wirken sind, die nationalen Grenzen überschreiten können – Inflation, wirtschaftliche Eintrübung, Klimakrise, Kriegsgeschehen, etc."
Susanne Truschnig
Laut Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung haben die Krankenstände durch psychische Erkrankungen in den letzten Jahren zugenommen. "Wurden 2010 6,9 Prozent aller Krankenstandstage durch psychische Erkrankungen verursacht, erhöhte sich dieser Anteil innerhalb von zehn Jahren auf 11,4 Prozent im Jahr 2021", heißt es.
Versuche werden nicht gezählt
Zahlen über Suizidversuche gibt es nicht, weil sie häufig auch gar nicht behandelt werden und somit durch das Raster von Statistiken fallen. "Außerdem gibt es eine Dunkelziffer an Todesfällen, bei denen nicht ersichtlich ist, ob eine suizidale Absicht dahinterstand oder nicht.", so Truschnig. Aber ab welchem Punkt suchen Menschen in der Regel Hilfe bei Organisationen wie GO-ON? "Menschen suchen in allen Stadien der Suizidalität nach Hilfe. Die Signale, die Menschen dafür aussenden, können deutliche – aktive Ankündigungen, aktives Ansprechen der eigenen Situation –, aber eben auch undeutliche Signale sein – sozialer Rückzug, Verlust von Freude und Interessen, deutliche Veränderungen im Erscheinungsbild etc."

- Darüber reden, ist wichtig ... sich Hilfe holen aber auch.
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Die Expertin verweist auf den österreichischen Psychiater Walter Pöldinger, der Phasen der Suizidalität ausmachte:
- Die Phase der Erwägung, die Phase der Ambivalenz und die Entschlussphase. Vor allem in der Erwägungs- und Ambivalenzphase sind Menschen gut erreichbar und können Hilfe gut annehmen.
- Mit dem Fortschreiten der suizidalen Entwicklung steigt auch die tatsächliche Suizidgefahr. Nicht jeder Mensch sucht sich aktiv selbst Hilfe und Unterstützung, weshalb es wichtig ist, Risikofaktoren und Warnhinweise für Angehörige und Menschen im Umfeld bekannter zu machen.
Wie gehen Angehörige damit um?
"Wenn man sich Sorgen um jemanden macht, sollte man das Gespräch suchen. Wichtig sind eine wertschätzende und vorurteilsfreie Atmosphäre und auch die Zeit für ein Gespräch. Gemeinsam kann dann nach Hilfsmöglichkeiten gesucht werden beziehungsweise können je nachdem, in welcher Phase sich Betroffene befinden, aktiv Hilfsangebote aufgesucht werden."

- Freundinnen und Freunde sowie Familie können unterstützen, es gilt aber die Devise: nicht urteilen.
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Personen, die sich in einer suizidalen Krise befinden, benötigen ein Gegenüber, das mit ihnen diese intensiven Gefühle auch aushält, weshalb professionelle Hilfe empfohlen wird. "Das Ziel ist offene Kommunikation über eine belastende Lebenssituation in einer bewertungsfreien Atmosphäre mit dem Ziel, Empathie zu schenken - nicht, Lösungen zu finden oder Verhaltenstipps zu geben. Für Betroffene ist es in der Regel sehr entlastend, ihre Suizidgedanken oder -pläne offen aussprechen zu können", meint Truschnig.
Kommende Termine in der Steiermark:
- Voitsberg, "Das Krankheitsbild der Depression in der Betreuung. Das kleine 1x1 für Helferinnen und Helfer", 19. März, 18.30 bis 19 Uhr, online via Teams.
- Graz, "Zehn Schritte zum psychischen Wohlbefinden", 18. März, 18 bis 19.40 Uhr, Volkshochschule Graz
- Deutschfeistritz, 14. März, "Das Leben ist es wert! Umgang mit Krisen, Depression und Suizidialität", 18.30 bis 21 Uhr, Marktgemeindeamt
Telefonische Hilfe:
- PsyNot: 0800 44 99 33
- Telefonseelsorge: 142
- Männernotruf: 0800 246 247
- Kriseninterventionsteam Land Steiermark: 130
- Ö3-Kummernummer: 116 123 (täglich, 16–24 Uhr)
- Helpline des BÖP: 01 5048000
Telefonische Hilfe für Kinder und Jugendliche
- Rat auf Draht: 147
- Tartaruga: 050 7900 3200
- Kids-Line: 0800 234 123
- Hotline der Schulpsychologie: 0800 211 320
- Ö3-Kummernummer: 116 123 (täglich, 16–24 Uhr)
Onlineberatung für Erwachsene
- www.telefonseelsorge.at
- www.kriseninterventionszentrum.at
- www.elternseite.at
- www.promentesteiermark.at
Onlineberatung für Kinder und Jugendliche
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