Abspann für das alte Filmtheater
Jahrelang stand das Trofaiacher Kino leer. Jetzt wird die Ruine zu Wohnungen umgebaut.
Es ist der 17. Juli 1951: Ganz Trofaiach strömt an diesem Freitagnachmittag ins Ortszentrum, zur Eröffnung des neuen Lichtspieltheaters von Siegmund Jost. Auch der damals sechsjährige Wolfgang Seidl ist unter den eifrigen Premierenbesuchern: Auf ihn und seine jungen Freunde wartet eine Matineevorstellung von „Hans im Glück“. Am Abend, für die Erwachsenen, wird „Dr. Holl“ gespielt werden, ein Melodram mit Heidemarie Hatheyer, Dieter Borsche und Maria Schell.
Sechzig Jahre später kam das Ende der Kinozeit in Trofaiach weniger aufsehenerregend. Nur wenige haben es überhaupt bemerkt. Seit Jahren schon ist der Kinosaal in der Luchinettigasse geschlossen. Kaum leserlich mehr, verblasst von der Sonne, sind die handschriftlichen Informationen darüber in den sonst leeren Schaukästen. Gitter verschließen die Eingänge. Neu ist der große Mauerdurchbruch auf der Straßenseite: Seit kurzem wird gebaut. Wohnungen werden entstehen.
Wolfgang Seidl, als ehemaliger Leiter des Heimatmuseums ein Experte für alles Historische in Trofaiach, besucht mit der WOCHE die Baustelle. „Es war ein modernst ausgestattetes Kino in den 1950ern“, blickt er zurück, „mit zwei Vorführgeräten, damit beim Filmwechsel keine Pause entstand.“ Obwohl Trofaiach damals nur rund 2000 Einwohner hatte, hing fast bei jeder der täglich zwei Vorstellungen das Schild „ausverkauft“. „Meine Eltern hatten wie viele ihre Stammplätze, Dienstag und Sonntag, 11. Reihe, Sitz 12 und 13.“
Ausweiskontrolle
Stammgäste waren auch die beiden Gemeindepolizisten, die penibel alle Ausweise kontrollierten und vor Filmbeginn nochmals durch die Sitzreihen gingen, damit sich auch ja kein Jugendlicher in einen Streifen ab 17 einschlich. „Sie haben sogar verheiratete Frauen rausgeschickt, wenn sie keinen Ausweis dabei hatten“, lacht Seidl.
Lücken in den Bauplanen erlauben leichten Blick in die Baustelle: den Kinosaal. Mehr als 450 Besucher fanden in den Sitzreihen, den Logen und auf dem Balkon Platz. Ein veritables Lichtspieltheater mit toller Akustik. Jetzt sind die Holzempore und die Bühne abgebaut, Reste der Leinwand hängen in Fetzen von der Heraklith-Decke. „Mein Onkel war Tischler, hat seinerzeit die Einrichtung gemacht“, erinnert sich Seidl. Die alten Holzsessel wurden noch in den 1990ern gegen bequemere Polstersitze ausgetauscht. Mancher Trofaiacher kaufte das alte Gestühl als Erinnerung. Einer davon war Mario Abl.
Kann’s weitergehen?
Heute ist Mario Abl Bürgermeister und hegte wie viele die Hoffnung, die gute Infrastruktur des leeren Kinogebäudes weiter nutzen zu können, als Kultur- und Veranstaltungszentrum. „Es scheiterte aber an den Kosten.“ Das Haus selbst wäre zwar nicht so teuer gewesen, aber die Adaptierung hätte bestimmt eine halbe Million Euro verschlungen. „Und das Ambiente hätte man erhalten müssen, sonst wäre es ja sinnlos.“ Unmöglich für die Stadtgemeinde in ihrer finanziell angespannten Situation. Nun errichtet ein privater Investor elf Wohnungen, ein Büro und Garagenplätze. „Das ist vernünftig, und besser als eine Dauerruine im Stadtzentrum.“
Das Kinointeresse ist in Trofaiach über die Jahre kontinuierlich gesunken. Ende der 60er übernahm Familie Bauer, Kinobetreiber aus Vordernberg. Wenige Jahre später kam Karl Idl, ein Kinobesitzer aus Wulkaprodersdorf im Burgenland; ab dann hieß es das „Idl-Kino“. Zu einer Zeit, als die „Wirtinnen-Filme“ und Ähnliches ein kurzzeitiges Wiederaufflackern des Kinos brachten, wie sich Wolfgang Seidl erinnert.
Fernsehen als Konkurrenz
Aber die Konkurrenz durch das Fernsehen und die steigende Mobilität der Menschen ließen die Besucherzahlen stetig schrumpfen. Da half auch nicht mehr, dass Idl, Kinobetreiber mit Leib und Seele, in Eigenregie Dolby-Surround eingebaut hat. Zuletzt, schätzt Seidl, hat er mit dem Kino-Buffet wohl mehr verdient als mit dem Ticketverkauf.
Das Ende des Kinos in Trofaiach kam sang- und klanglos. „Ein Problem war sicher auch, dass es rund um das Kino kaum Parkplätze gab“, schätzt Seidl. Ein Umstand, der auch einer möglichen Weiternutzung als Veranstaltungssaal Steine in den Weg legte. Die wenigen Parkplätze hinter dem Haus gehören jetzt zum angrenzenden Fitnessstudio. Ironie: Die Abstellplätze für die jetzt neu entstehenden Wohnungen werden im Parterre des ehemaligen Kinosaals untergebracht werden.
„Es ist eine Schande, dass das Kino sterben musste“, sinniert ein Passant mit Wolfgang Seidl in der Freitagnachmittagssonne im März 2011. „Aber es ist doch niemand mehr hineingegangen“, hält Seidl entgegen. „Man muss Dinge auch in Würde sterben lassen können.“
Autorin: Mag. Karin Schönlieb
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