Der Sommer macht die Schwalben
Wie die Natur auf den Klimawandel reagiert
SCHWARZENAU (kuli). Schwalben sind seit Menschengedenken mit menschlichen Siedlungen verbunden und damit typische Kulturfolger. Der Beiname „Marienvogel“ rührt her vom Zugverhalten, dass sie nämlich zu Mariä Verkündigung (25. März) erscheinen und zu Mariä Geburt (8. September) wieder in den Süden von dannen ziehen. Ein anderes Sprichwort lehrt uns „eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, was die Unzuverlässigkeit von einzelnen Schwalbensichtungen in Bezug auf die Landwirtschaft so wichtige Wetterlage zum Thema hat. Inzwischen ist die Logik beinahe umgekehrt.
Schwalbenzug im Klimawandel
Wer genau hinschaut, wird festgestellt haben, dass die Marien-Regel kaum noch gilt. Heuer sind die ersten Rauchschwalben in Schlag bereits am 1. März gesichtet worden, die Mehlschwalben folgten am 7. März. Sofort wurde mit dem Brutgeschäft begonnen, jedenfalls wo es geeignete Brutplätze gab. Rauchschwalben bevorzugen Viehställe mit „horizontal“ verbauten Balken, denn sie sind auf einigermaßen ebene, höher gelegene Plätzchen angewiesen. Bei Brutplatznot werden auch andere Strukturen verwendet, wie Fotos, aufgenommen in Schwarzenau-Ort, zeigen. Anders die Mehlschwalben, die ihre Lehmnester in Überstandswinkeln außen an Hauswänden anbringen und so für sichtbare Verschmutzung sorgen, was nicht allen Leuten wirklich gefällt. Ob sie heuer tatsächlich allesamt pünktlich am 8. September gen Süden aufbrechen, dürfte fraglich sein. Klimawandelbedingt ermöglicht die erhöhte Temperatur und der damit verlängerte Sommer eine höhere Verweildauer in Mitteleuropa, was sich in einer bis mehreren Nachbruten niederschlägt, wodurch die Nachkommenzahl vervielfacht wird.
Habitat im Wandel
Das ist auch bitter nötig, denn Brut- und Nahrungshabitate werden immer seltener. Da ein Milchbauer nach dem anderen im Waldviertel aufgeben muss oder seinen Viehbestand auf den Eigenbedarf reduziert, verschwinden auch die Lebensräume für die Schwalben, die sich bekanntlich von fliegenden Insekten ernähren, welche wiederum von Insektiziden der „modernen“ Landwirtschaft und den schwindenden Misthaufen stark im Bestand dezimiert werden. Zum Glück finden Fliegen als Maden in wohltemperierten Mülltonnen einen Tertiärlebensraum und sekkieren die Mistkübelbesitzer auf‘s kaum noch erträgliche Maß, und sie dienen somit aber als Nahrungsquelle für die gefiederten Zwitscherlein, die uns die Tendenz des Luftdrucks und damit die des Wetters vor Augen führen.
Bilanz eines kleinen Dorfes
Schlag innerhalb der Marktgemeinde Schwarzenau, etwa 50 Einwohner, hat jeglichen Wandel mitgemacht. Man konnte heuer Drittbruten bei Mehlschwalben und sogar Viertbruten bei Rauchschwalben beobachten, was nicht in den Lehrbüchern von vor 30 Jahren steht. Die Viehbauernhöfe sind von acht auf vier Anwesen geschrumpft, doch der Bruterfolg beider Schwalbengattungen hat dazu geführt, dass mittlerweile über hundert Tiere über dem Dorf fliegen, vermutlich kommen bis zum Abflug in den Süden noch ein paar mehr langflugfähige Exemplare dazu. Rauchschwalben sind dabei in der Überzahl. Schließlich ist es nur noch eine Woche bis Mariä Geburt, und eine Verspätung des Massenabflugs kann aufgrund der Wetterlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Man kann daraus lernen, dass die Natur immer schnellstmöglich auf die Veränderungen an ihr selbst reagiert. Von der Verschiebung bzw. der Verarmung des Artenspektrums einmal ganz zu schweigen. Aber das ist eine andere Geschichte.
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