Mindestsicherung
FPÖ und ÖVP bekräftigen Misstrauen gegen Ludwig und Hacker

Auf Verlangen der FPÖ läuft am Mittwoch ein Sonderlandtag zur Causa Mindestsicherung. (Archiv) | Foto: PID/Markus Wache
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Auf Verlangen der FPÖ läuft am Mittwoch ein Sonderlandtag zur Causa Mindestsicherung. Der Fall einer Familie, die 4.600 Euro im Monat aufgrund der Wiener Regelung der Sozialhilfen erhält, erhitzt weiter die Gemüter. Schon bei der nächsten Gemeinderatssitzung soll ein Misstrauensantrag gegen Bürgermeister Ludwig sowie Sozialstadtrat Hacker von FPÖ und ÖVP eingebracht werden.

WIEN. Der Fall einer neunköpfigen syrischstämmigen Familie ist endgültig in der Bühne der Stadtpolitik angekommen. Im Sommer wurde bekannt, dass die Familie mit sieben Kindern in Summe 4.600 Euro an Sozialleistungen erhält. Die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung wird derzeit noch von den Ländern geregelt. In anderen Bundesländern würden die Familie weit weniger erhalten, als in der Hauptstadt Österreichs. Das bringt vor allem die FPÖ und die ÖVP zum Schäumen.

Auf Verlangen der FPÖ Wien findet am Mittwoch ein Sonderlandtag statt. Das Thema ist Programm für die Reden: "Landeshauptmann Ludwig zertrümmert den Sozialstaat - Mindestsicherungswahnsinn auf Kosten des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystems!". FPÖ und ÖVP fordern ein Einlenken und eine Minimierung der Mindestsicherung. Die beiden Oppositionsparteien drohten bereits im Vorfeld zum Sonderlandtag einen Misstrauensantrag gegen Sozialstadtrat Peter Hacker sowie Bürgermeister Michael Ludwig (beide SPÖ).

Sonderlandtag zur Causa Mindestsicherung am 4. September

Das Thema ist bereits politisch längst auch auf der Bühne der Bundespolitik angekommen. So fordert Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) eine einheitliche Sozialhilfe über alle Ländergrenzen hinweg. Und schlägt dabei eine sogenannt degressive Staffelung bei der Kinderanzahl vor. Bedeutet: Je mehr Kinder eine Familie hat, desto geringer wird die Beihilfe pro Kopf des Nachwuchses.

Wiens Stadtchef Ludwig hingegen konterte zuletzt scharf: In Wien sei jedes Kind gleich viel wert, Nehammer mache Politik "auf dem Rücken der Kinder", würde der Sozialplan Nehammers umgesetzt, wäre das der "größte Sozialabbau in der Geschichte Wiens". MeinBezirk berichtete:

Wien-Chef Ludwig teilt gegen Kanzler-Sozialpläne aus

FPÖ: "Habe ich noch nie gesehen"

Als wohl härtester Kritiker äußerte sich FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp beim Sonderlandtag zum Fall. Die Emotionen in der Stadt würden nach der Berichterstattung über die 4.600 Euro der neunköpfigen Familien hochkochen. "Ich bin seit vielen Jahren in der Politik, aber was sich derzeit in Wien abspielt, hat es in dieser Form noch nie gegeben", so der FPÖ-Chef, und weiter: "Viele Wienerinnen und Wiener sind fassungslos, enttäuscht und wütend - und das völlig zurecht".

FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp wählt harte Worte beim Landtag. | Foto: Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com
  • FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp wählt harte Worte beim Landtag.
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Besonderes Unverständnis habe Nepp damit, dass man der Familie 4.600 Euro vonseiten Wiens gewähren würde, obwohl gerade noch viele weitere Zuschüsse auch vonseiten des Bundes erteilt würden. Genannt wird in diesem Zusammenhang der Klimabonus, die Familienbeihilfe oder auch die Rezeptgebührenbefreiung. So kämen 6.000 Euro pro Monat schnell zusammen. "Die Wienerinnen und Wiener sind ein hilfsbereites Volk, auch wenn sie selbst oft wenig haben. Aber es geht um Gerechtigkeit", versichert Nepp, aber: "Was sagen Sie, Herr Bürgermeister, der alleinerziehenden Friseurin, die 40 Stunden arbeitet und zwei Kinder durchbringen muss? Ist das fair?"

Die höhere Sozialhilfe im Bundesländervergleich sei auch ein Faktor gerade für Menschen mit Migrationshintergrund nach Wien zu ziehen. In Niederösterreich, rechnet Nepp vor, würde "dieselbe syrische Familie nicht 4.600 Euro, sondern nur 2.450 Euro erhalten. Das zeigt, dass in Wien etwas grundlegend falsch läuft." Gefordert wird von der FPÖ daher "seit Jahren", dass Mindestsicherung nur noch an österreichische Staatsbürger ausgezahlt wird. Der FPÖ-Chef wiederholt nochmal, dass Bürgermeister Ludwig "den Sozialstaat zertrümmert, weil er das Geld für syrische Familien aufwenden. Das ist absurd und nicht gerecht". Sozialstadtrat Hacker habe obendrein in Interviews bewiesen, wie "weltfremd dieser agiert". Daher braucht es bei der nächsten Gemeinderatssitzung einen Misstrauensantrag gegen beide Politiker.

SPÖ: "Bundesregierung in der Pflicht"

Der SPÖ-Landtagsabgeordnete Kurt Wagner spielte den Ball an die FPÖ zurück. Einer bestimmten Fraktion in diesem Haus gehe es darum, die Gesellschaft zu spalten und Menschen gegeneinander auszuspielen und Neid zu schüren. Es gebe in Wien rund 10.000 Menschen, die trotz Erwerbseinkommen von ihrem Job nicht leben könnten und deshalb auch Mindestsicherung beziehen würden.

Für Kurt Wagner (SPÖ) sei das Thema Mindestsicherung nichts Neues im Landtag. Die Probleme lägen jedoch wo anders. | Foto:  Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com
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Wagner forderte die Arbeitgeber auf, bessere Löhne zu zahlen, statt sich gegen die Millionärssteuer zu sperren. Wagner erinnerte daran, dass die schwarz-blaue Novelle des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes zum Teil vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden sei. Das von der Opposition geforderte "Dänische Modell" mit Wartefristen und Diskriminierung von Ausländern sei in Österreich nicht umsetzbar.

Er forderte stattdessen eine einheitliche Regelung der Mindestsicherung in allen Bundesländern. Eine Abwicklung wäre etwa durch das AMS zentral möglich. Wien halte sich an die Maxime, jenen zu helfen, die Hilfe benötigten - insbesondere Kindern und das, ohne Unterschiede zu machen, so Wagner. Er zitierte den Wiener Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen Julius Tandler und forderte "Kindern Paläste zu bauen".

Neos sieht "Wildwuchs"

Der Idee, dass die Sozialhilfe einheitlich über das AMS abgewickelt wird, daran könne auch Neos deutlich etwas abgewinnen. Der Neos-Landtagsabgeordnete Jörg Konrad erklärte jedoch, dass eine sachliche Diskussion "mit einer auf Krawall gebürsteten FPÖ" nicht möglich sei. Vielmehr sei es der Bundesregierungsbeteiligung der FPÖ zuzuweisen, dass es keine einheitlichen Regelungen gibt: "Denn damals wurden die Grundlagen für die heutigen Probleme gelegt, mit dem Sozialhilfegrundgesetz wurde ein österreichweiter Fleckerlteppich für jedes Bundesland geschaffen".

Eine Reform der Sozialhilfe sei extrem komplex. Klar sei jedoch auch, dass die Unterschiede zwischen den Ländern weder sachlich gerechtfertigt noch human seien, was auch die Aufhebung mancher Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof gezeigt habe. Zu dieser Situation habe auch geführt, dass es in Österreich insgesamt ein Sozialsystem mit einem "Wildwuchs" an Regelungen und Ansprüchen gebe.

Konrad Jörg (Neos) sieht ebenso das AMS als mögliche zentrale Stelle, wenn es um die Mindestsicherung gehe. | Foto:  Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com
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Der grundsätzliche Fehler sei es, dass neben der Sozialhilfe auch Familientransfers ausbezahlt werden. Es benötige deswegen eine Reform, hin zu einem österreichweit einheitlichen System. Konkret brauche es eine zentrale Stelle für die Abwicklung der Auszahlungen, eben etwa durch das AMS. Dazu brachte Konrad einen Antrag ein: "Wenn man Probleme lösen möchte, braucht es ganz konkrete Konzepte wie Umstieg auf mehr Sachleistungen bei Kindern, eine Wohnsitzauflage für drei Jahre mit gleichzeitiger Stärkung von Integrationsmaßnahmen oder die Stärkung von Erwerbsanreizen", so Konrad.

Grüne: "Arme Menschen werden beschämt"

Für die Grüne Wien-Chefin Judith Pühringer hingegen sei klar, dass die Mindestsicherung dazu da ist, um ein würdevolles Leben aller Menschen und Kinder in Wien zu ermöglichen. Und das auch, in Notlage. Drei Viertel der Bezieher in der Bundeshauptstadt seien sogenannte "Aufstocker". Sie würde also über diesen Weg noch etwas dazu bekommen, da sie zu wenig verdienen oder Pension erhalten.

"Mit solchen Debatten, wie von der FPÖ geführt, werden arme Menschen noch stärker beschämt und stigmatisiert", so Pühringer. Sie will auch eine Loslösung von der Herkunft-Debatte dieser Menschen. Denn Krankheit und Armut könne jeden treffen, egal, ob hier aufgewachsen oder vor dem Krieg hierher geflüchtet. Da auch arbeitende Menschen von Armut betroffen sein können, sei die Mindestsicherung daher ein Akt der Solidarität und des sozialen Ausgleichs.

Grünen-Chefin Judith Pühringer ermahnt, dass Sozialhilfen ein solidarischer Ausgleich seien. Auch für jene, die zu wenig verdienen. | Foto: Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com
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Eine Minimierung der Pro-Kopf Zuwendungen je nach Kinderanzahl, wie es der Sozialplan von Nehammer, aber auch die FPÖ etwa vorsieht, würde eine völlig falsche Logik mit Höchst- statt Mindestsätzen geschaffen. "Das Hintreten auf die Allerschwächsten von oben herab darf nicht zum System werden", verlangt die Grüne. Es brauche vielmehr eine Loslösung der Kindersicherung von der Mindestsicherung.

ÖVP fehlt "Leistung und Fairness"

Die ÖVP-Landtagsabgeordnete Caroline Hungerländer schließt sich hingegen wiederum der Kritik an dem Sozialhilfebezug der Familie an. Ihrer Meinung nach müsse es in der Sache auch um Sicherheit, Leistung und Fairness gehen. Denn 70 Prozent aller Mindestsicherungsausgaben in Österreich würden in Wien ausbezahlt werden, und das bei einem Bevölkerungsanteil von 21 Prozent.

Der Anteil der Ausgaben habe sich in den vergangenen Jahren verdoppelt - auch aufgrund der "schieren Masse an Zuwanderung". Diese sei zu groß, denn die Zahlen in diesem Bereich würden eine "eindeutige Sprache" sprechen: Mehr als 80 Prozent aller subsidiär Schutzberechtigten in Österreich würden in Wien leben und mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher seien Drittstaatsangehörige. Auch die Logik bei der Ausgestaltung der Auszahlung fehle, so Hungerländer: "Warum wird bei den Kindern nicht gestaffelt oder bei Wohngemeinschaften der Betrag nicht reduziert, warum erhalten subsidiär Schutzberechtigte mehr Geld, als nötig ist - das ist nicht logisch, nicht fair und nicht sozial".

ÖVP-Landtagsabgeordnete Caroline Hungerländer bekrittelt, dass es bei der Mindestsicherung unter anderem auch um "Leistung und Fairness" gehen müsse. | Foto: Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com
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Die beiden Systeme Arbeitseinkommen und Sozialleistung müssten in eine vernünftige Balance gebracht werden, etwa durch Staffelungen bei Mehr-Kind-Familien, Abschaffung der Auszahlung der Mindestsicherung bei subsidiär Schutzberechtigten, Kürzungen bei Wohngemeinschaften und sofortige Umsetzung des Sozialhilfegrundsatzgesetzes, verlangte Hungerländer.

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