Stalking
Machtlos? - Was kann ich gegen Stalking unternehmen?
Es ist ein ernst zu nehmendes Problem, das seine Opfer mit psychischen Schäden und auch physischen Folgen belastet: Stalking. Was kann ich als Opfer unternehmen? Darüber klärt Rechtsanwältin Pencu-Parigger von den Tiroler Rechtsanwältinnen und -anwälten auf.
TIROL. Stalking wird generell als das wiederholte, unerwünschte Verfolgen und Belästigen einer Person definiert. Diese Person fühlt sich dadurch bedroht, eingeschüchtert oder belästigt. Stalking umfasst Verhaltensweisen wie das ständige Auflauern, unerwünschte Kontaktaufnahmen durch Telefonanrufe, Nachrichten oder Briefe, Überwachung, Verbreitung von Gerüchten und Bedrohungen. Es kann sowohl offline als auch online geschehen und hat oft schwerwiegende psychische und manchmal physische Auswirkungen auf die betroffene Person.
Wie sieht die Lage in Tirol und Österreich aus?
Für Tirol gibt es Zahlen aus den Tätigkeitsberichten des Gewaltschutzzentrums Tirol. Wenn im Jahr 2022 eine Anzahl von 41 polizeilichen Meldungen u. a. Anzeigen wegen beharrlichen Verfolgungen (Stalking) oder anderen strafbaren Delikten erfolgt sind, wurden im Jahr 2023 mehr als doppelt so viele bzw. 103 Stalking-Fälle von der Polizei an das Gewaltschutzzentrum Tirol übermittelt.
In Österreich ist Stalking seit 2006 strafrechtlich im "Antistalking-Gesetz" verankert. Bei Zivilgerichten kann zudem eine einstweilige Verfügung zum "Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre" beantragt werden.
Dabei kann das Gericht folgende Verbote aussprechen:
- Verbot persönlicher Kontaktaufnahme und Verbot der Verfolgung
- Verbot brieflicher, telefonischer oder sonstiger Kontaktaufnahme
- Verbot des Aufenthalts an bestimmt zu bezeichnenden Orten
- Verbot der Weitergabe und Verbreitung der persönlichen Daten und Lichtbilder der gefährdeten Person
- Verbot, Waren oder Dienstleistungen unter Verwendung der personenbezogenen Daten der gefährdeten Person bei einem Dritten zu bestellen
- Verbot, einen Dritten zur Aufnahme von Kontakten mit der gefährdeten Person zu veranlassen
- Verbot, insbesondere im Wege der Telekommunikation oder unter Verwendung eines Computersystems, Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches oder Verletzungen der Ehre oder Privatsphäre der gefährdeten Person ohne ihre Zustimmung für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar zu machen oder zu halten
- Verbot, sich der gefährdeten Person oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern
Eine solche einstweilige Verfügung wird grundsätzlich maximal für 1 Jahr erlassen, kann aber bei Einbringung einer Klage oder im Falle eines Zuwiderhandelns durch die gefährdende Person verlängert werden. Hält sich die gefährdende Person nicht an die Anordnung des Gerichtes, kann dies mit einer Geldstrafe von bis zu 2.500 Euro (bei wiederholter Missachtung sogar mit Festnahme) verfolgt werden.
Nach einer Anzeige bei der Polizei wird das örtlich zuständige Gewaltschutzzentrum informiert.
Gewaltschutzzentren in Tirol:
Gewaltschutzzentrum Tirol
Maria-Theresien-Straße 42a, 6020 Innsbruck
Tel: +43 512 57 13 13 Mail: office.tirol@gewaltschutzzentrum.at
Regionalstelle Kitzbühel
Hornweg 28, 6370 Kitzbühel
(Telefon und Mail siehe oben)
Regionalstelle Landeck
Schulhausplatz 7, Alter Widum, 6500 Landeck
(Telefon und Mail siehe oben)
Von Stalking betroffene Personen können jederzeit direkt an Gewaltschutzeinrichtungen wenden.
Ab wann ist es Stalking?
Stalking wird im Strafgesetzbuch zum Delikt "Beharrliche Verfolgung" gezählt. "Beharrlich" wird demnach so definiert, wenn das Verhalten über einen längeren Zeitraum geht. Strafbar ist diese Beharrlichkeit, wenn es die Lebensführung des Opfers unzumutbar beeinträchtigt und unter eine der folgenden Verhaltensformen gezählt werden kann:
- Aufsuchen von räumlicher Nähe zum Opfer (zum Beispiel Verfolgung mit dem Auto oder "Auflauern")
- Kontaktherstellung im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte (zum Beispiel per SMS oder E-Mail)
- Bestellung von Waren oder Dienstleistungen für das Opfer unter Verwendung dessen personenbezogener Daten (zum Beispiel bei einem Versandhaus)
- Veranlassung von Dritten mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen, unter Verwendung der personenbezogenen Daten der Opfer (zum Beispiel durch Kontaktanzeigen im Namen des Opfers)
- Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches des Opfers ohne dessen Zustimmung (zum Beispiel durch ein Online-Posting oder durch das Anbringen eines Fotos der betroffenen Person an einer Litfaßsäule)
Die Strafdrohung beträgt bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Diese erhöht sich auf bis zu 3 Jahre, wenn die Stalking-Handlung über 1 Jahr gedauert hat oder die Tat einen Suizidversuch oder den Suizid des Opfers zur Folge hat.
Nachgefragt bei Rechtsanwältin Pencu-Parigger von den Tiroler Rechtsanwältinnen und -anwälten welche Beweise grundsätzlich nötig sind, um Stalking vor Gericht zu bringe, kam folgende Antwort:
"In Österreich liegt die Beweislast beim vermeintlich Stalkinggeschädigten, dies bedeutet, dass jener auch nachweisen muss, dass es sich beim Verhalten, das ihm widerfährt, um Stalking handelt.
Am besten wäre es, wenn das Opfer jede einzelne Aktivität (Anrufe, SMS, Briefe, Whats-App Nachrichten, Kontaktaufnahmen via Social Media, versuchte Kontaktaufnahme usw.) der Stalkerin oder des Stalkers dokumentieren würde und Zeugen anführen könnte. Das Opfer könnte von allen Handlungen ein Gedächtnisprotokoll (Stalkingtagebuch) herstellen, denn Monate nach den Vorfällen sind einem diese Handlungen nicht mehr erinnerlich. Diese Aufzeichnungen können ein wichtiges Beweismittel bei der Polizei und vor Gericht darstellen.
Ähnlich wie die NO STALK App-Die Stalking Tagebuch APP des WEISSEN RINGS in Deutschland. Diese App hilft alle Stalking-Vorfälle per Foto-, Video- sowie Sprachaufnahmen chronologisch und lückenlos mit dem Smartphone zu dokumentieren. Mit dem Hilfe-Button hat das Opfer bei Klick folgende Möglichkeiten: einen Polizei-Notruf absetzen, das Opfertelefon des WEISSEN RINGS kontaktieren oder eine Info-SMS an eine hinterlegte Telefonnummer schicken."
Laut Pencu-Parigger wäre es höchste Zeit ist, eine derartige App auch in Österreich zu verwenden. Das wäre ihrer Meinung nach eine hilfreiche Maßnahme, die die Gewaltschutzzentren und andere Schutzeinrichtungen und sogar die Polizei implementieren könnte. Die so aufgezeichneten Beweismittel wären dann nicht unbedingt eine Voraussetzung für rechtliche Schritte, sondern sie sieht so eine App als eine Hilfe zur Beschaffung von Beweismitteln.
Stalkerware und Präventiv-Stalker-Apps
In den letzten Jahren machte immer wieder sogenannte „Stalkerware“ Schlagzeilen. Mit diesen Android-Apps lassen sich Geräte heimlich ausspionieren, überwachen und verfolgen. Die Nachfrage nach sogenannten Stalker-Apps, die Android-Geräte wie Smartphones oder Tablets überwachen können, ist hoch.
Das Perfide daran: Einmal installiert, versteckt sich die Überwachungssoftware auf dem Gerät oder tarnt sich als harmlose Service- oder Spiele-App. Diese Apps haben oft weitreichende Möglichkeiten auf dem Gerät, da sie im Administratormodus arbeiten und somit die höchsten Rechte besitzen.
Wir haben bei den Tiroler Rechtsanwältinnen und -anwälten nachgefragt, was es mit Stalking Apps auf sich hat.
"Bei Cyber-Stalking haben wir das Problem der Zuordenbarkeit bzw. der Identifikation des Stalkers. Wenn persönliche Inhalte gepostet werden, ist es oft noch möglich, dass man die Person ausfindig macht. Wenn das Cyber-Stalking in die Allgemeinheit geht, ist es häufig schwer, da IP-Adressen gefälscht oder Fake-Profile angelegt werden können. Die erste Hürde ist es den Gegner zu identifizieren. Sobald dies passiert ist, ist man wieder im Anwendungsbereich des § 107a des StGB, weil dieser auch Cyber-Stalking umfasst. Zu Cyber-Stalking zählen auch Telefonanrufe, SMS, WhatsApp, Instagram, Facebook und jedes weitere soziale Medium. Sobald man weiß, wer der Gegenüber ist, hat man konkrete Handlungsmöglichkeiten."
Im Gegenzug gibt es allerdings auch Apps, die präventiv gegen Stalking helfen sollen. So etwa das Beispiel der deutschen Organisation „Weißer Ring“: die „NoStalk-App“.
„Mit der App können Betroffene von Stalking die Handlungen des Täters mit dem Smartphone beweiskräftig sichern und dokumentieren (Fotos, Videos, WhatsApp, Sprachnachrichten). Die so gesammelten Beweismittel werden wie in einem Tagebuch gesammelt - auf einem geschützten Server in Deutschland. Die lückenlose Dokumentation der Stalking-Vorfälle ist Voraussetzung für die Einleitung rechtlicher Schritte.“,
wie der "Weiße Ring" selbst definiert.
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