Kampagnenstart
Arbeiterkammer thematisiert psychische Gesundheit der Lehrlinge
Die Arbeiterkammer Steiermark schlägt beim Thema Lehrlingsgesundheit Alarm und startet in diesem Zusammenhang gleich eine eigene Kampagne gemeinsam mit der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) Steiermark. Der Hintergrund: Ein Fünftel aller Lehrlinge hat psychische Probleme - angefangen von Mobbing am Arbeitsplatz bis hin zu sexuellen Übergriffen.
STEIERMARK. Jugendvertrauensrätin und Jugendvertrauensrat – dir ist diese Funktion ein Begriff? Vielen Lehrlingen nicht, beziehungsweise sie würden diese gern in Anspruch nehmen, haben aber nicht die Möglichkeit dazu.
Zur Erklärung: Jugendvertrauensrätinnen und -räte fungieren in ihrem Unternehmen quasi als "Betriebsrat für die Lehrlinge", wie Selina Kolland erklärt. Sie hat diese essentielle Funktion seit 2019 bei Siemens Mobility in Graz inne und weiß daher nur zu gut, wovon sie spricht: "Wir sind ein Bindeglied zwischen den Chefitäten und den Lehrlingen, denn viele haben Hemmungen sich mit ihren Sorgen, Problemen oder einfach nur Fragen an die oder den Vorgesetzten zu wenden." Diese Hemmschwelle nehmen die Jugendvertrauensrätinnen - und räte. Und: "Chefs sind auch nur Menschen", freut sich Kolland, wenn sie oftmals dabei helfen kann, Gräben zu überwinden und Probleme aus der Welt zu schaffen.
Eingerichtet werden diesen wertvollen Anlaufstellen in Betrieben ab fünf Lehrlingen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass meist nur wirklich große Unternehmen Jugendvertrauensräte haben. Außerdem: Sie können gegründet werden. Es sei aber kein Muss, sondern hänge eben viel von der Unternehmensgröße und den handelnden Personen an den entsprechenden Stellen ab. "Das ist sicher ein blinder Fleck", erklärt Josef Pesserl, Präsident der Arbeiterkammer Steiermark, die nun gemeinsam mit der steirischen Gewerkschaftsjugend für die psychische Gesundheit der steirischen Lehrlinge sensibilisieren möchte.
Mentale Gesundheit bei 20 Prozent angegriffen
Ausgangspunkt der dazu passenden Kampagne "Wie gehts dir wirklich?" ist eine Befragung des Gesundheitsministeriums, das ein alarmierendes Licht auf die Sorgen und Nöte von Lehrlingen wirft. "Österreichweit haben 3.000 Lehrlinge an der Befragung teilgenommen mit dem Resultat, dass 20 Prozent von ihnen angegeben haben, unter psychischen Problemen zu leiden", schildert Pesserl. Steirische Ergebnisse gäbe es keine. "Auch das wollen wir bei den nächsten Befragung verbessert sehen", richtet der AK-Präsident gleich eine Forderung an die Politik.
Bei dieser allein bleibt es freilich nicht, die Arbeiterkammer würde sich darüberhinaus eine vollständige Kostenübernahme durch die Krankenversicherung und flächendeckend ausreichende Kapazitäten für Psychotherapie sowie den Ausbau der psychosozialen Unterstützung an Berufsschulen wünschen. "Steiermarkweit gibt es nur drei Psychologen an Berufsschulen", zeigt Josef Pesserl auf.
Wie dringend der Bedarf wäre, schildert auch AK-Jugend- und Lehrausbildungsleiterin Barbara Huber aus ihrer täglichen Arbeit: "Die Fälle und Anfragen, die bei uns eintreffen, reichen von Ausbildungsordnungen, die nicht eingehalten werden bis hin zu tätlichen und sexuellen Übergriffen." An die 30 Gerichtsverfahren werden pro Jahr etwa zu Lehrlingsproblemen in der Steiermark abgewickelt. Huber ist aber auch wichtig zu betonen, dass viele Betriebe sehr wertschätzend mit den Lehrlingen umgingen – aber es gäbe eben überall schwarze Schafe. "Auch erzwungene Fiebermessungen sind bereits vorgekommen", so die Lehrausbildungsleiterin.
Die Kampagne im Detail
Ausgehend von dieser Situation sollen nun im Rahmen, der am Mittwoch gestarteten Kampagne "Wie gehts dir wirklich?" Prävention und Schulungen ausgebaut werden.
"Es ist unbedingt notwendig, dass Präventionsmaßnahmen zu Mobbing und Diskriminierung, wie beispielsweise kostenlose Freizeitangebote oder Unterstützungseinrichtungen, ausgebaut werden", fordert der ÖGB-Landesjugendsekretär Simon Glauninger.
Daneben solle es flächendeckende Schulungen für "Ersthelferinnen und Ersthelfer" geben. Damit sind etwa die bereits genannten Jugendvertrauensrätinnen und -räte, Betriebsrätinnen und -räte sowie Vertretungen der Berufsschulen und Lehrausbildung gemeint.
Die Kampagne läuft nun für sechs Monate, dann wird evaluiert und es werden entsprechend weitere Schritte gesetzt.
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