Blick auf die Geschichte
Steirischer Almabtrieb: Die Tiere kehren heim

- Bunt geschmückt, also fesch "bei'nand", sind die Kühe, wenn sie die steirischen Almen wieder verlassen. Der Almabtrieb ist Tradition und hat Brauch.
- Foto: Archiv
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Brauchtum erleben: Traditionell ist es dieser Tage so weit, dass sich Mensch und Tier auf den Weg machen, um die Sommerfrische zu beenden und in die Täler zurückzukehren. Der Almabtrieb wurde aufgrund der Wetterbedingungen mit teils Schnee in hohen Lagen zeitlich nach vorn verschoben – der große Empfang fällt damit aus. Dabei ist die Tradition des Almabtriebs in der Steiermark geschichtsreich.
STEIERMARK. Fesch herausgeputzt sind sie – nein, nicht die Zuschauerinnen und Zuschauer, sondern die Kühe, die von der Alm in die Täler heimkommen. Es hat Tradition, dass die Tiere einen Kopfschmuck tragen und Blumenkränze um die Hälse umgehängt bekommen. Das nennt sich aufkränzen und ist mitunter ein Zeichen dafür, dass das Vieh gesund und unversehrt ankommt. Und damit das auch jede und jeder weiß, führt eines der Tiere als sogenannter Vorgeher – die schönste Kuh – mit Glocken die Herde an. Nicht unüblich ist, dass die Hörner rote Bänder tragen. Die Sennerinnen – oder auch Bäuerinnen –, die den Blumenschmuck vorbereitet haben, bekommen wiederum als Dankeschön fürs Kümmern und Aufpassen "Kranzgulden".

- Geht es traditionell zu, so bekommen die Sennerinnen "Kranzgulden", weil sie sich um die Tiere den Sommer über gut gekümmert haben.
- Foto: Hochkönig Tourismus
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Das alles hat in der Steiermark Tradition und wurde bereits im Jahr 1765 so festgehalten. Besonders interessant: Der Almabtrieb wurde im Gegensatz zum Almauftrieb stets mit viel Brauchtum gefeiert. So kann man davon ausgehen, dass das Willkommen-Heißen der Tiere eine enorme Bedeutung im Jahreskreislauf hatte.
Regionale Bräuche und Besonderheiten
Von regionalen Besonderheiten zum Brauchtum in der gesamten Steiermark wurde mitunter das Tragen eines Spiegels. Laut Sepp Walter soll Hugo von Hofmannsthal, Lyriker, Dramatiker und Mitbegründer der Salzburger Festspiele, einem Almabtrieb in Obertressen, Bad Aussee beigewohnt haben, wo er genau diesen Ritus beobachten konnte. Im Briefwechsel mit seinem Schweizer Freund Max Rychner liefert er auch den Grund des Spiegels – Schutz vor dem Bösen:
"... man fuhr in vielen Jagdwagen, um den Alphabtrieb unzähliger mit Blumen und Flittergold bekränzter Herden zu sehen. Die Leitkuh, die vorderste, trägt einen Spiegel zwischen dem Gehörn, das ist: die Alm ist geweiht, der Stall ist geweiht, der Weg aber von der Alm zum Stall ist voll von Gefahren, denn hier hat der Böse freies Spiel; kommt er nun plötzlich hinter Steinen oder aus den Büschen hervor, so erblickt er sein eigenes Bild im Spiegel, er erschrickt, prallt zurück vor der eigenen Hässlichkeit und führt dahin[] woher er gekommen. Möchte es auch andern so ergehen."
Hugo von Hofmannsthal an Max Rychner, Briefwechsel 16. Oktober 1928; in: Sepp Walter: "Steirische Bräuche im Laufe des Jahres", Verein Scholss Trautenfels, 1997, S. 208)
Wiederum eine Besonderheit, die lange nur im Ennstal der Fall war, ist das Tragen von dünnen Ornamenten, geschnitzt aus Scheiben von der Birke; aus dem Raum der Herrschaft Pernegg – Mixnitz-Breitenau wurde der Brauch rund um einen Todesfall in der Familie der Besitzer der Alm erwähnt, wenn es heißt: "So erhaltet die Glockenkuh einen schwarzen Schleier um den Hals, und die Glocke, die sie trägt, wird gesperrt." Walter fügt an, dass diese Beschreibung aus dem Jahr 1814 einer der ältesten steirischen Berichte über die sogenannten Klagkränze ist (ebda, 208f.).

- In Liezen ist der "Stiertreiber", vor Ort auch "Almranzl" genannt, heute noch beim Almabtrieb unterwegs.
- Foto: Markus Röck
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Aus dem Raum Weißenkirchen, Murtal, wird von "Stierreitern" gesprochen, die, wie es der Name schon verrät, die Stiere begleiten und mit rußgeschwärztem Gesicht, Gewändern mit grünem Laub oder Baumflechten sowie einer hohen Spitzmütze auf dem Weg zwei Aufgaben hatten: die Buben jagen und die Mädchen mit Ruß dreckig machen. In Liezen hieß der Stierreiter auch "Sautreiber", weil er in dieser Region auch die Schweine schmückte.
Die Lipizzaner auf Sommerfrische
Nicht nur Kühe, auch Schafe, Pferde und Ziegen hatten seit jeher "Sommerferien" – und natürlich auch die weltberühmten Lipizzaner, die in Piber, Bezirk Voitsberg, zu Hause sind. Das Gestüt Piber wurde im Jahr 1798 gegründet. Vormals war es ein Kloster und diente danach und ursprünglich zur Zucht von Militärpferden für die österreichisch-ungarische Armee. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gestüt zur Heimat der Lipizzaner, die ursprünglich im Gestüt Lipica gezüchtet wurden. Seitdem ist Piber die Hauptzuchtstätte der Lipizzaner, die für die Spanische Hofreitschule in Wien ausgebildet werden.

- Die Lipizzaner werden "aufgehübscht", ehe sie den Zuschauerinnen und Zuschauern, die sich entlang der Strecke bis zum Gestüt Piber platzieren, präsentiert werden.
- Foto: Gestüt Piber - Sabrina Mallick
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Die Pferde sind seit 1920 auf Sommerfrische, die Hengste auf der Stubalm, die Stuten auf der Brendlalm. Doch auch davor, und weil die Lipizzaner eben aufgrund der Zucht zu Militärpferden schon da waren, gab es Urlaub auf der Alm. Anno dazumal war das nur zu Fuß beziehungsweise Huf möglich, heute setzt man auf den Transport. Die Alm bietet eine natürliche und weitläufige Umgebung, die sich ideal für die körperliche Entwicklung der jungen Pferde eignet. Das raue Gelände, die frische Luft, die Bewegung auf den Weiden und die frischen, nährstoffreichen Gräser stärken Muskeln, Kondition und Widerstandskraft der Lipizzaner. Es hilft ihnen, gesund aufzuwachsen und ihre Robustheit zu fördern.

- Die frische Luft auf der Brendlalm macht die Stuten kräftig.
- Foto: MeinBezirk
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Und wenn es dann heißt, ab nach Hause, ist das stets ein großes Fest. Die "Damen" kommen nicht zeitgleich mit den "Herren" an, doch alle werden mit Pauken und Trompeten empfangen: Die Tiere werden wie Prominente empfangen, geschmückt – stets von der Landjugend –, gesegnet – stets vom Pfarrer der Wallfahrtskirche Maria Lankowitz – und gefeiert.
Die Almen in Gefahr
So reich an Traditionen und so einzigartig der Brauch der steirischen Almabtriebe ist: Sie sind tatsächlich in Gefahr. Zumindest schleichend. Die Steiermark hatte zuletzt knapp 1.620 Almbetriebe auf Mittel- und Niederalmen bis zu 1.300 Metern Seehöhe. Vor gut einem Jahrzehnt waren es noch knapp 300 mehr. Vor zehn Jahren gab es auch noch rund 10.000 Rinder mehr. Das ist das Ergebnis gleich mehrerer Faktoren: unberechenbare Wetterverhältnisse, veränderte Vegetation, längere Bewirtschaftungszeiten und ein steigender Tierbedarf und Personalmangel.

- Dieses Jahr mussten vielerorts die Tiere schon früher als üblich von den Almen geholt werden – der Wetterumbruch der letzten Tage sorgte für Schnee. (Symbolfoto)
- Foto: Florian Haun
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Beunruhigt sind die Bäuerinnen und Bauern auch im Hinblick auf die Rückkehr des Wolfes. Zahlen der Nutztierrisse zeigen, dass bis Ende August 2023 insgesamt 406 Tiere von Wölfen gerissen wurden, darunter vor allem Schafe und Ziegen. Während es zuletzt Rückgänge gab, verzeichnet die Steiermark allerdings wieder mehr Wolfrisse.

Blick auf die Geschichte
Was macht die Steiermark aus und wer hat sie geprägt? Einzigartige Geschichten und außergewöhnliche Persönlichkeiten gewähren einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der "Grünen Mark".






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