Inklusion Salzburg
Modellversuch "Lohn statt Taschengeld" in Planung

"Lohn statt Taschengeld" ist Brigitte Brandner, Bettina Muthwill und Daniel Krall ein Anliegen.  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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"Schüler und Schülerinnen bekommen ein Taschengeld. Ich möchte für mich, dass das Taschengeld wegkommt und Lohn und Gehalt herkommt", sagt Daniel Krall, Selbstvertreter der Lebenshilfe Salzburg. Dieser Wunsch könnte bald Wirklichkeit werden: Die Einführung von "Lohn statt Taschengeld"-Pilotprojekten ist in Planung.

SALZBURG. Gut drei Jahre ist es her, da überreichten Selbstvertreter der Lebenshilfe Salzburg Sozial-Landesrat Heinrich Schellhorn (Die Grünen) die Forderung, in Zukunft in Werkstätten statt Taschengeld Lohn zu erhalten. Durch Corona rückte die Forderung kurzzeitig in den Hintergrund. Die immer konkreter werdende Planung von Modellregionen mit "Lohn statt Taschengeld" macht die Selbstvertreter der Lebenshilfe Salzburg aber hoffnungsvoll.

"Durch Covid war kurz Stillstand"

"Durch Covid war kurz Stillstand", sagt Guido Guintert, Geschäftsführer der Lebenshilfe Salzburg auf die Frage, ob bei der Forderung "Lohn statt Taschengeld" in den letzten Jahren etwas vorangegangen sei. Im Jahr 2019 haben Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter der Lebenshilfe Salzburg Sozial-Landesrat Heinrich Schellhorn die Forderung überbracht, in Werkstätten nicht nur einen Geldbetrag von maximal hundert Euro als Anerkennung zu bekommen, sondern Lohn wie alle anderen arbeitenden Menschen zu erhalten.

"Wir kämpfen dafür, weil uns etwas daran liegt. Wir setzen uns für unsere Kolleginnen und Kollegen ein"
Brigitte Brandner, Selbstvertreterin Lebenshilfe Salzburg

Die Forderung ist zwar ins österreichische Regierungsprogramm gekommen. Überbringerin der Forderung, Brigitte Brandner aus Radstadt, zeigt sich aber enttäuscht: "Für mich persönlich hat sich bis jetzt nichts verändert."

"Im nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen sind Pilotprojekte für „Gehalt statt Taschengeld“ vorgesehen. Mein Ziel ist es, dass das Land Salzburg bei diesen Pilotprojekten dabei ist“, so Soziallandesrat Heinrich Schellhorn. | Foto: Land Salzburg / Franz Neumayr
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Sozial-Landesrat Schellhorn ist optimistisch, dass sich noch nicht der Regierungszeit der ÖVP-Grünen-Koalition im Bund etwas zum Thema "Lohn statt Taschengeld" tut: "Ich habe dieses Thema in meinem Arbeitsgespräch mit Sozialminister Rauch im Mai angesprochen, da der Bund bislang die dafür nötigen Änderungen in Sozialversicherungsgesetz noch nicht durchgeführt hat. Wir waren uns einig, dass dies noch in dieser Legislaturperiode der Bundesregierung geschehen soll", so der Soziallandesrat. 

Reallabor "Lohn statt Taschengeld" geplant

Hoffnungsvoll stimmen Lebenshilfe-Geschäftsführer Guido Güntert die Pläne zur Einführung sogenannter "Reallabore".  In einer Art Versuch könnten Menschen in Werkstätten für drei Jahre das Modell "Lohn statt Taschengeld" ausprobieren. Im Zeitraum von drei Jahren soll festgestellt werden, wie sich eine Änderung auf betroffene Menschen und deren Familie auswirkt. Gerhard Feichtner, Referent für Grundversorgung und Soziales, habe laut Güntert schon Interesse bekundet.

"Es waren jetzt auch Ausnahmekrisen von Coronakrise angefangen über die Regierungskrisen und jetzt noch in einem europäischen Land. Deswegen hatten wir die letzen zwei Jahre auch relativ viel Verständnis und haben nicht jede Woche dort angerufen."
Michael Hanl-Landa, Sozialarbeiter Lebenshilfe Salzburg

Auch Sozial-Landesrat Schellhorn zeigt Interesse an der Einführung von Modellregionen "Lohn statt Taschengeld" in Salzburg.  "Im nationalen Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen sind Pilotprojekte für „Gehalt statt Taschengeld“ vorgesehen. Mein Ziel ist es, dass das Land Salzburg bei diesen Pilotprojekten dabei ist“, so Schellhorn.

Selbstvertretung hoffnungsvoll

Mit den Selbsvertreterinnen Daniel Krall (Salzburg), Bettina Muthwill (St. Johann) Brigitte Brandner (Radstadt) und dem Sozialarbeiter Michael Hanl-Landa treffen wir uns zum Austausch über das Thema "Lohn statt Taschengeld". Die Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter der Lebenshilfe Salzburg würden Änderungen direkt betreffen, weil sie alle drei derzeit noch Taschengeld statt Lohn erhalten. Von der Einführung von Reallaboren erwarten sich die Selbstverterinnen und Selbtsvertreter viel. Sofort würden die Radstädterin Brigitte Brandner und der Salzburger Daniel Krall würden den Versuch "Reallabor" wagen. 

Am Bild: Brigitte Brandner (Radstadt), Bettina Muthwill (St. Johann), Daniel Krall (Salzburg) und Michael Hanl-Landa (Salzburg) | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Bettina Muthwill aus St. Johann sieht den Vorschlag aber noch skeptisch. Denn bei der Einführung von Lohn statt Taschengeld würden auch soziale Unterstützungsgelder wegfallen.  "Auf der einen Seite finde ich das Modell schon gut. Die negative Seite ist leider, dass die ganzen Sozialleistungen wegfallen. Es hat dann schon den Anschein, dass die Arbeit dann gemacht werden muss und auch in einem gewissen Zeitraum, und dann steigt auch der Druck", zeigt sich Muthwill besorgt. Offene Kommunikation mit  Betroffenen in leichter Sprache findet sie aus diesem Grund wichtig.

Selbstvertreterin Bettina Muthwill aus St. Johann setzt sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein.  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
  • Selbstvertreterin Bettina Muthwill aus St. Johann setzt sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein.
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"Am Ende soll niemand schlechter aussteigen", sagt Sozialarbeiter Michael Hanl-Landa von der Lebenshilfe. Das System, welche Sozialleistungen, Menschen mit Behinderung erhalten, sei jetzt schon komplex. Es gebe viele Faktoren, wie unterschiedliches Unterstützungssysteme oder  unterschiedliche Wohnsituationen (Eltern, WG), die einwirken, wie viel Geld man als Arbeiter in Werkstätten erhält. "Lohn statt Taschengeld ist wie ein Haus abreißen und ein neues hinbauen", so Hanl-Landa.


"Will nicht wie Kind behandelt werden"

Die Gründe dafür, warum die Selbstvertreterinnen uns Selbstvertreter "Lohn statt Taschengeld" fordern, sind vielfältig. Ein Hauptgrund ist aber, dass Menschen, die in Werkstätten arbeiten, so ein selbstbestimmteres Leben führen könnten. "Schüler und Schülerinnen bekommen ein Taschengeld. Ich möchte nicht wie ein Kind behandelt", sagt Selbstvertreter Daniel Krall.

"Schüler und Schülerinnen bekommen ein Taschengeld. Ich möchte nicht wie ein Kind behandelt", sagt Selbstvertreter Daniel Krall. | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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Brigitte Brandner findet es ungerecht, dass sie trotz harter Arbeit keinen Lohn bekommt. 
"Wir müssen auch so viele Stunden arbeiten wie ein normaler Arbeiter. Wir sitzen nicht nur in der Werkstätte und tun nichts. Wir arbeiten auch", so Brandner. Neben ihrer aktivistischen Tätigkeit als Selbstvertreterin an zwei Tagen die Woche arbeitet sie in einer Werkstätte an Vorhängeeinrichtungen oder gestaltet künstlerische Objekte.

Geld wird knapp

Ein weiterer Punkt, warum sich laut den Selbstvertreterinnen und -vertretern etwas in Sachen Lohn verändern sollte: Das Geld wird knapp. Zwar wird in Form von Sozialleistungen für eine Grundversorgung an Lebensmitteln aufgekommen, mit maximal 100 Euro an Taschengeld müsse man dennoch genau über jede weitere Ausgabe nachdenken.

"Wir müssen auch so viele Stunden arbeiten wie ein normaler Arbeiter. Wir sitzen nicht nur in der Werkstätte und tun nichts. Wir arbeiten auch", so Selbsvertreterin Brigitte Brandner.  | Foto: Anna-Katharina Wintersteller
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"Ich muss immer meine Erwachsenenvertretung fragen, ob ich dies und jenes tun kann", sagt Brandner frustriert  Sich auch einmal selbständig ein Kleidungsstück kaufen zu können, wäre für Daniel Krall wichtig.  "Man merkt, dass das Geld zu wenig wird, wenn man raucht", sagt Brandner.

Aufholbedarf beim Arbeitsmarkt

Ebenso im Arbeitsmarkt müsse sich etwas verändern. Laut Michael Hanl-Landa gebe viele Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich auch Berufe außerhalb der Werkstätten vorstellen könnten. Der Sonderschulabschluss versperre ihnen aber Zugang zu der Arbeit im gewünschten Arbeitsfeld. "Eine Selbstvertreterin möchte zum Beispiel gerne im Kindergarten arbeiten und findet keine Stelle, weil sie einen Sonderschulabschluss hat", erzähl Sozialarbeiter Hanl-Landa. "Es steht irgendwann immer die Frage im Raum: 'In welche Schule bist du denn gegangen?'," sagt auch Bettina Muthwill.

"Ich kenn schon viele Leute, die sich vorstellen könnten, etwas anderes zu arbeiten. Die sagen: 'Ich bin da unterfordert in der Werkstätte. Mir ist das zu langsam und zu wenig abwechslungsreich'."
 - Michael Hanl-Land, Sozialarbeiter Lebenshilfe Salzburg

Diskriminierung am Arbeitsplatz außerhalb von geschützten Werkstätten sei außerdem ein Problem. "Du gehörst in eine Behindertenwerkstätte", wurde Bettina Muthwil bei einem  Ferialpraktikum in einem Seniorenwohnheim in der zweiten Woche gesagt. "Nach dem Vorfall wollte ich eigentlich aufhören. Die Freude an dem Praktikum war weg", erzählt Muthwill mit trauriger Miene.

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