Wo der „Faktenchecker“ Correctiv schlecht informiert ist

Foto: Bild: Pixabay

Die Datenlage zum Coronavirus und der dadurch ausgelösten Krankheit Covid-19 ist ziemlich unklar und im Fluß befindlich. Zu viel ist neu und anders als bei den Corona-Grippeviren, wie zum Beispiel die Infektiösität von Kindern. Und das Wissen erweitert sich mit jeder Woche, vor allem über Dunkelziffern symptomlos Infizierter, Antikörper, Immunität und richtige Behandlung von Erkrankten hat sich der Wissensstand deutlich erweitert.

Ein Beispiel dafür ist die Infektionssterblichkeit, die zu Beginn auf Basis erster Daten aus China mit 3,4 Prozent angenommen wurde, in der Zwischenzeit aber in der Gegend bei 0,1 bis 0,4 Prozent angenommen wird.

Auch bei der Behandlung hat sich einiges getan und hier ist ein Punkt wo Correctiv irrt. Unter dem Titel „Die 15 häufigsten Gerüchte und Theorien zum Coronavirus“ findet sich im Punkt 4 die Aussage: „Oft ist auch die Rede von Vitamin C oder Vitamin D. Hierbei gibt es einen schmalen Grat: Der Mensch braucht Vitamine und eine ausreichende Versorgung damit ist sicherlich gut. .. Und Versprechen, dass Vitamine eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus verhindern oder gar heilen könnten, führen in die Irre.“

Die Wirksamkeit von Vitamin C

Der Text ist vom 23. März, kann sein dass Correctiv es jetzt anders sehen würde, aber es ist der aktuellste Beitrag zum Thema. Correctiv hat dazu einen Virologen von der TU München befragt, der von keinen Wirkungen von Vitamin C in Zusammenhang mit dem Virus weiß aber „Hinweise [kennt], dass Vitamin C Immunfunktionen verbessert und dadurch Dauer und Schwere von Atemwegsinfektionen reduziert“.

Laut Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), wirkt Vitamin C antioxidativ, das heißt, dass es schädliche Verbindungen im menschlichen Körper abfängt und so die Zellen und Moleküle im Körper vor Schäden schützt. Und weiter: „Das Coronavirus ist bisher nicht ausreichend erforscht. Zu möglichen positiven Wirkungen des Vitamins auf das Coronavirus ist daher keine Aussage möglich.“

Ein Arzt schrieb, dass „zur Prophylaxe die orale Aufnahme von drei Gramm pro Tag“, „im Erkrankungsfall“ gar bis zu 30 Gramm täglich“ sinnvoll seien.

Dem hält Correcctiv entgegen:

Das geht weit über die offiziellen Empfehlungen der DGE hinaus: Demnach sind für Erwachsene zwischen 95 Milligramm (Frauen) und 110 Milligramm (Männer) Vitamin C täglich ausreichend, bei Kindern ist die empfohlene Tagesdosis geringer. Diese Dosis erreiche man schon mit einem Apfel am Tag, schreibt die Sprecherin der DGE: „Bereits ein Glas Orangensaft und eine Portion gegarter Brokkoli (150 Gramm) oder eine Portion gegarter Rosenkohl (150 Gramm), eine Kiwi und ein Apfel liefern 150 Milligramm des Vitamins.

Und das ist wirklich aufgelegter Unsinn, wenig verwunderlich bei der bekannten Aversion der DGE gegen Vitamine. Es mag sein, dass bei Bio-Produkten direkt nach der Ernte solche Konzentrationen von Vitamin C zu finden sind, aber sicher nicht bei der Ware die im Supermarkt herumliegt. Und andererseits hat der Arzt mit der höheren Dosierung durchaus recht.
Die DGE empfiehlt auch Diabetikern die Ernährung mit Vollkornprodukten wie Brot, Nudeln, Reis und Kartoffeln. Also Kohlehydrate pur, die nicht anderes sind als polymere Zucker. Zuckerkranke sollen also Zucker essen.

Spitäler in USA und China verwenden Vitamin C zur Behandlung und Prophylaxe

Die Eastern Virginia Medical School (EVM), Norfolk, Virginia hat in ihrem „CRITICAL CARE COVID-19 MANAGEMENT PROTOCOL“ in allen Stufen von der Prophylaxe, über Heimbehandlung milder Erkrankung, in der normalen und der Intensivstation sowie der Nachbehandlung im ihren Protokollen als ersten Punkt immer Vitamin C stehen. Das beginnt in der Prophylaxe mit 500 mg täglich ergänzt durch 250 – 500 mg Quercetin, wird in der Normalstation auf 500 mg alle 6 Stunden erhöht und geht in der Intensivstation auf 3 Gramm intravenös alle 6 Stunden hoch, also 12 Gramm pro Tag.

In China haben die Behörden von Schanghai schon sehr früh Dosierungen von 4 bis 16 Gramm täglich empfohlen.

Die Studien zu Vitamin C, die die EVM bei ihrem Protokoll anführt, sind unten wiedergegeben. Derzeit werden die Effekte von Vitamin-C-Infusionen bei Covid-19 intensiv weiter erforscht: Zwischen 01.02. und 01.05.2020 wurden sieben Studien zum Thema Vitamin-C-Infusion bei Covid-19 bei der „National Library of Medicine“ der USA gemeldet.

Die Rolle von Vitamin D

Der Text ist vom 27. März, kann sein dass Correctiv es jetzt anders sehen würde, aber es ist der aktuellste Beitrag zum Thema. Correctiv zitiert nur zwei Stellungnahmen:

Die Verbraucherzentrale warnt aktuell auf ihrer Webseite davor, zu hohe Dosen Vitamin D zu sich zu nehmen. „Es gibt keine Nahrungsergänzungsmittel, die eine Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) verhindern können. Nahrungsergänzungsmittel dienen auch nicht der Behandlung von Erkrankungen.“

Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät dazu, nicht mehr als 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag zu sich zu nehmen. Die Obergrenze von 100 Mikrogramm pro Tag sollte nicht überschritten werden, sonst könnten Nebenwirkungen wie die Bildung von Nierensteinen oder Nierenverkalkung auftreten.

Das ist beides Unsinn. EVM verschreibt 2000 bis 4000 IU pro Tag für alle Stationen. Vitamin D ist der Regulator des Immunsystems, unter einem Spiegel von 30 ng/ml im Blut herrscht ein ernster Mangel, insbesondere bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen. Ich benötige zB im Winter 10,000 IU, das sind 250 Mikrogramm, um mein Autoimmundefizit im Zaum zu halten. Der Vitamin D Spiegel geht dann gerade einmal auf 60 – 70 ng/ml, was deutlich innerhalb aller Grenzwerte ist. Laut Labor ist im Sommer auch noch 120 ng/ml normal.

Und selbstverständlich gibt es Studien und Empfehlung von Behörden im UK, die positive Effekte eines höheren Vitamin D Spiegels bei Covid-19 beweisen. ÄrztInnen, die viel Erfahrungen mit der Gabe von von Vitamin D zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen haben, empfehlen täglich 250 Mikrogramm (10.000 IE), ebenso tut dies eine in PubMed veröffentlichte Studie. Mehr dazu ebenfalls unten.

Wer mehr über Wirkungen und Dosierung von Vitamin D wissen möchte, sollte dich die Aufzeichnung eines Vortags von Prof. Jörg Spitz ansehen.

Weitere Empfehlungen für Mikronährstoffe

EVM empfiehlt auch die Einnahme von 75 bis 100 mg Zink täglich. Zink hat starke antivirale Wirkungen und kann prophylaktisch oder unmittelbar bei Auftreten der ersten typischen Symptome verwendet werden. Bei manchen Patienten könnte die Behandlung mit hochdosiertem Zink (100mg pro Tag) zur Stabilisierung bereits ausreichend sein. Wie eine der Studien zeigt, verhindert Zink offenbar die Vermehrung von Viren in den Wirtszellen. Die Kombination von Zink und Vitamin C ist ein Klassiker in Grippezeiten.

Das ebenfalls von EVM empfohlene Flavonoid Quercetin besitzt antivirale Eigenschaften und unterstützt die Aufnahme Zink.

Dies scheint auch auf Melatonin zuzutreffen, das von EVM ebenfalls als Bestandteil aller Protokolle empfohlen wird. Studien dazu ebenfalls hier unterhalb.

Studien und Literatur

Studien zu Vitamin C von EVM erwähnt:

1. Maggini S, Beveridge S, suter M. A combination of high-dose vitamin C plus zinc for the common cold. Journal of International Medical Research 2012; 40:28-42.

2. Colunga Biancatelli RM, Berrill M, Catravas JD et al. Quercetin and Vitamin C: experimental therapy for the prevention and treatment of SARS-CoV-2 via synergistic action. Front Immunol 2020.

3. Kyung Kim T, Lim HR, Byun JS. Vitamin C supplementaion reduces the odds of developing a common cold in Republic of Korea Army recruits: a randomised controlled trial. BMJ Mil Health 2020.

4. Colunga Biancatelli RM, Berrill M, Marik PE. The antiviral properties of vitamin C. Expert Rev Anti Infect Ther 2020; 18:99-101.

5. Khaerunnisa S. Potential inhibitor of COVID-19 main protease (Mpro) from several medicinal plant compuns by molecular docking study. MedRxiv 2020.

6. Chen L, Li J, Luo C et al. Binding interaction of quercetin-3-B-galactoside and its synthetic derivatives with SARS-CoV 3CL: structure-activity relationship reveal salient pharmacophore features. Bioorganic & Medicinal Chemistry Letters 2006; 14:8295-306.

7. Yi L, Li Z, Yuan K et al. Small molecules blocking the entry of severe respiratory syndrome coronavirus into host cells. J Virol 2020; 78:11334-39.

Weitere Studien zu Vitamin C:

  • Mar 1, 2020 News Media Attacks Vitamin C Treatment of COVID-19 Coronavirus
  • Feb 28, 2020 Vitamin C and COVID-19 Coronavirus
  • Feb 23, 2020 TONS OF VITAMIN C TO WUHAN: China Using Vitamin C against COVID
  • Feb 21, 2020 Three Intravenous Vitamin C Research Studies Approved for Treating COVID-19
  • Feb 16, 2020 Early Large Dose Intravenous Vitamin C is the Treatment of Choice for 2019-nCov Pneumonia
  • Feb 13, 2020 Coronavirus Patients in China to be Treated with High-Dose Vitamin C
  • Feb 10, 2020 VITAMIN C AND ITS APPLICATION TO THE TREATMENT OF nCoV CORONAVIRUS: How Vitamin C Reduces Severity and Deaths from Serious Viral Respiratory Diseases
  • Feb 2, 2020 Hospital-based Intravenous Vitamin C Treatment for Coronavirus and Related Illnesses
  • Jan 30, 2020 Nutritional Treatment of Coronavirus
  • Jan 26, 2020 Vitamin C Protects Against Coronavirus

Studien über Zink von EVM erwähnt:

8. te Velthuis AJ, van den Worm SH, Sims AC et al. Zn2+ inhibits Coronavirus and Arterivirus RNA polymerase activity In Vitro and Zinc ionophores block the replication of these viruses in cell culture. PLos Pathog 2010; 6:e1001176.

9. Gammoh NZ, Rink L. Zinc in Infection and Inflammation. Nutrients 2017; 9.

10. Hemila H. Zinc lozenges and the common cold: a meta-analysis comparing zinc acetate and zinc gluconate, and the role of zinc dosage. J Royal Soc Med Open 2017; 8:1-7.

11. Singh M, Das RR. Zinc for the common cold. Cochrane Database of Syst Rev 2013; 6:CD001364.12. Hoeger J, Simon TP, Beeker T et al. Persistent low serum zinc is associated with recurrent sepsis in critically ill patients – A pilot study. PloS ONE 2017

Weitere Studien zu Zink:

  • Effect of Zinc Salts on Respiratory Syncytial Virus Replication (Suara & Crowe, AAC, 2004)
  • Hydroxychloroquine and azithromycin plus zinc vs hydroxychloroquine and azithromycin alone: outcomes in hospitalized COVID-19 patients (Carlucci et al., MedRxiv, May 2020)
  • Does zinc supplementation enhance the clinical efficacy of chloroquine/ hydroxychloroquine to win today’s battle against COVID-19? (Derwand & Scholz, MH, 2020)
  • Zinc supplementation to improve treatment outcomes among children diagnosed with respiratory infections (WHO, Technical Report, 2011)
  • Can Zinc Lozenges Help with Coronavirus Infections? (McGill University, March 2020)

Studien zu Melatonin von EVM erwähnt:

12. Hoeger J, Simon TP, Beeker T et al. Persistent low serum zinc is associated with recurrent sepsis in critically ill patients – A pilot study. PloS ONE 2017; :e0176069.

13. Colunga Biancatelli RM, Berrill M, Mohammed YH et al. Melatonin for the treatment of sepsis: the scientific rationale. J Thorac Dis 2020; 12 (Suppl 1):S54-S65.

14. Reiter RJ, Abreu-Gonzalez P, Marik PE et al. Therapeutic algorithm for use of melatonin in patients with COVID-19. Front Med 2020; 7:226.

15. Reiter RJ, Sharma R, Ma Q et al. Melatonin inhibits COVID-19-induced cytokine storm by reversing aerobic glycolysis in immune cells: A mechanistic analysis. Medicine in Drug Discovery 2020; 6:100044.

16. Zhang R, Wang X, Ni L et al. COVID-19: Melatonin as a potential adjuvant treatment. Life Sci 2020; 250:117583.
Studien zu Vitamin D von EVM erwähnt:

17. Grant WB, Lahore H, McDonnell SL et al. Evidence that Vitamin D supplementation could reduce risk of influenza and COVID-19 infections and deaths. Nutrients 2020; 12:988.

18. Lau FH, Majumder R, Torabi R et al. Vitamin D insufficiency is prevalent in severe COVID-19. medRxiv 2020.

19. Marik PE, Kory P, Varon J. Does vitamin D status impact mortlality from SARS-CoV-2 infection? Medicine in Drug Discovery 2020.

20. Rhodes JM, Subramanian S, Laird E et al. Editorial: Low population mortality from COVID-19 in countries south of 35 degrees North – supports vitamin D as a factor determining severity. Alimentary Pharmacology & Therapeutics 2020; (in press).

21. Dancer RC, Parekh D, Lax S et al. Vitamin D deficiency contributes directly to the acute respiratory distress syndrome (ARDS). Thorax 2015; 70:617-24.

Weitere Studien zu Vitamin D:

  • Evidence that Vitamin D Supplementation Could Reduce Risk of Influenza and COVID-19 Infections and Deaths.

Britische Behörden empfehlen Vitamin D als Vorbeugung bei Corona

Studien: Schutz durch Vitamin D bei Covid-19

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