EU-Geld für Jobs und Wohnbau
Landesrat Martin Eichtinger - Wie Europa in Niederösterreich investiert (+Video)
NIEDERÖSTERREICH. Landesrat Martin Eichtinger über die wirtschaftlichen Entwicklungen in Niederösterreich sowie den "idealen" Brexit.
OSWALD HICKER: Sie sind jetzt ein gutes Jahr im Amt. Sie verantworten auch den Arbeitsmarkt in Niederösterreich: Wie ist die derzeitige Situation und wie geht’s weiter?
MARTIN EICHTINGER: Die derzeitige Situation ist sehr sehr gut. Die Jugendarbeitslosigkeit und die Langzeitarbeitslosigkeit sanken um fast 17 % gegenüber dem Vorjahr. Und wir sehen sogar bei den Über-50-Jährigen einen leichten Rückgang. Das Ganze ist einerseits der Konjunkturlage geschuldet, auf der anderen Seite aber sind es auch die Arbeitnehmerförderprogramme, die wir gemeinsam mit dem AMS Niederösterreich ausarbeiten und die unseren Landsleuten helfen.
Wie erfolgreich ist die Lehrlingsoffensive?
Wir haben mit 1. Jänner dieses Jahres die größte Lehrlingsoffensive gestartet, die Niederösterreich je gesehen hat. In Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice, aber auch mit viel europäischem Unionsgeld. Wir geben allen Jugendlichen unter 25 Jahren die Garantie, dass sie von unserer Seite eine Vermittlung in einen Lehrplatz oder eine zusätzliche Qualifikation bekommen. 2.700 Jugendliche haben dieses Angebot angenommen. Wir rechnen im heurigen Jahr mit etwa 7.000 Plätzen.
Hier das Video zum Interview:
Kommen wir zu leistbarem Wohnen. Wie ist momentan die Situation am Wohnungsmarkt?
Niederösterreich ist in Österreich ein absoluter Vorreiter. Wir haben in Österreich die höchste Anzahl an Wohneinheiten, die wir jedes Jahr bauen, wir haben sehr leistbare Mieten, die wir jetzt in Zukunft noch leistbarer anbieten können, weil wir Geld von der Europäischen Investitionsbank für unseren Wohnbau bekommen.
Wenn man eine geförderte Wohnung haben will, so empfehle ich, dass man auf die Website unseres Wohnservices geht. Dort sind derzeit knapp unter 900 Wohnungen, die in nächster Zeit verfügbar werden. Es sind Wohnungen, die nicht nur gut gebaut sind, denn wir haben in puncto Nachhaltigkeit ein großes Lob von Global 2000 bekommen, dass Niederösterreich an der Spitze der österreichischen Bundesländer ist, wenn's um nachhaltiges Bauen geht. Sondern sie sind auch wirklich leistbar, denn unsere Mieten liegen unter dem österreichischen Bundesschnitt.
Und es gibt ja besondere Förderungen, wenn man zum Beispiel in einer Region, die nicht so stark vom Wachstum betroffen ist, sich so eine Wohnung oder einen Wohnbau errichten will.
Absolut. Die „Blau-Gelbe Wohnbaustrategie“ beruht auf mehreren Säulen. Wir bieten einen Bonus für Regionen, die eine weniger starke Nachfrage haben. Also wir möchten gerne Regionen unterstützen, die in der Bevölkerungsentwicklung nicht so stark zulegen wie im Umland von Wien. Wir geben einen besonderen Bonus für Familien. Wir fördern das Eigentum. Es ist uns ganz wichtig, dass unsere Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher Eigentum an ihren Wohnungen erwerben können. Und wir sind sehr daran interessiert, moderne Wohnformen zu unterstützen und tun speziell viel für junge Leute, wir stellen „Junges Wohnen“ zur Verfügung, ein sehr attraktives Wohnmodell, aber auch für unsere Seniorinnen und Senioren und wir haben für die Regionen draußen, aber auch für das Umland von Wien einen speziellen Fokus auf den Ortskern. Weil oftmal ist es so, dass in den Ortskernen einzelne Objekte leer stehen, nicht genutzt werden und das wollen wir in Zukunft fördern, damit unsere Orte auch im Ortskern wieder schöner und lebhafter werden.
Sie haben es jetzt zwei Mal betont. Sowohl beim sozialen Wohnbau als auch am Arbeitsmarkt haben Sie Europageld abgeholt. Sie sind der Mister Europa in Niederösterreich und wenn jemand „Britenversteher“ genannt werden könnte, dann sind Sie es. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage im Brexit-Chaos ein?
Ich muss vorausschicken, dass ich ein überzeugter glühender Europäer bin. Wir werden heuer 30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs in Erinnerung rufen. Ich war damals Sekretär von Alois Mock und bin neben ihm gestanden, als er den Eisernen Vorhang durchschnitten hat. Ich bin seitdem überzeugter Europäer geworden und für mich war es erschütternd zu sehen, dass Großbritannien sich entschieden hat, unsere europäische Familie der Mitgliedsstaaten zu verlassen.
Was hat das für Auswirkungen?
Ein geregelter Ausstieg wäre für uns sehr wichtig, denn wir exportieren mehr nach Großbritannien, als wir importieren. Für uns auch wichtig, die britischen Touristen, wo es zum Beispiel letztes Jahr einen Zuwachs von 30 % gegeben hat. Und ganz besonders treffen würde es wahrscheinlich auch unsere Weinindustrie, weil Österreich im Jahr eine Million Liter Wein nach Großbritannien exportiert, und der größte Anteil dieser Million kommt aus Niederösterreich.
Wie wird es ausgehen?
Derzeit ist alles möglich. Es ist eine veritable Krise in Großbritannien, eine Krise des politischen Systems und auch eine konstitutionelle Krise. Ich habe große Hoffnungen, dass am Ende des Tages der britische Pragmatismus überwiegt.
Was heißt das konkret, der britische Pragmatismus?
Dass man mit einem Abkommen geordnet aus der Europäischen Union austritt. Natürlich sind letztlich alle Varianten noch möglich. Wir müssen für Österreich und vor allem für Niederösterreich auch hoffen, dass hier alles, all das in Großbritannien die Überhand behält, was in der Vergangenheit so bewundernswert war. Dieser Pragmatismus, diese Effizienz, die Einschätzung, dass man selbst natürlich einen Wohlstand sichern möchte, darauf müssen wir hoffen. Aber auch für einen harten Brexit ist Niederösterreich bestens gerüstet, wir haben unsere Unternehmen vorbereitet, und wir sind auch als Landesregierung auf diesen Fall vorbereitet.
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