"Alles begann mit einem mutterlosen Kätzchen" – Tierpsychologin Denise Seidl im Interview
Wie können wir unsere Haustiere besser verstehen, was hat es mit dem "Krieg" zwischen Hund und Katze auf sich und was ist dran am "Gurken-Phänomen"? Die renommierte Tierpsychologin und Buchautorin Denise Seidl liefert Antworten.
"Gewusst wie, lassen sich Hund und Katze erziehen" – Im Interview mit den Bezirksblättern Niederösterreich erzählt die bekannte Tierpsychologin Denise Seidl über ihre Anfänge und "goldene Regeln" für Haustierhalter.
Wann und warum haben Sie sich entschieden den Weg der Tierpsychologin einzuschlagen?
Vor gut zwanzig Jahren hat ein zwei Wochen altes, mutterloses Kätzchen den Weg in unsere Familie gefunden. Da ich bei der Aufzucht des Findelkindes alles richtig machen wollte, habe ich neben Informationen über die optimale Ernährung, auch alles über das Verhalten von Katzen gesucht. So bin ich schließlich beim Studium der Tierpsychologie gelandet.
Zum "Phänomen" Katze vs. Gurke – darf man den vielen Videos im Internet Glauben schenken?
Das ist aus meiner Sicht kein "Phänomen". Die Filme sind meist ohne Ton, das heißt es ist nicht feststellbar, ob die Tiere beim Anblick der Gurke zeitgleich mit einem Geräusch erschreckt wurden. Einige Katzen erschrecken, da sie beim Verlassen des Futternapfes förmlich über die Gurke "stolpern", andere wiederum nicht und "pratzeln" nach der Gurke. Solche "viralen Trends" sollte man immer hinterfragen.
Hunde werden stets als treue Seelen bezeichnet und zeigen sich sehr gehorsam, Katzen hingegen haben den Ruf sehr eigensinnig zu sein und gelten als schwer erziehbar. Sind die haarigen Vierbeiner überhaupt erziehbar?
Der Hund hat durch seine Anpassungsfähigkeit an den menschlichen Lebensstil und die Bereitschaft, sich erziehen zu lassen, seinen Platz in unseren Herzen erobert. Die Katze hingegen zeigt punkto Erziehungsbereitschaft weniger Engagement, was ihrer Beliebtheit jedoch nicht schadet.
"Gewusst-wie" lassen sich jedoch Hund und Katze erziehen. Erziehungsmethoden, die auf dem Prinzip der Belohnung von erwünschten Verhaltensweisen basieren, versprechen den größten Erfolg. Belohnt wird abwechslungsweise mit Lob, Streicheleinheiten oder einem Leckerbissen, wenn das Tier ein Kommando richtig ausgeführt hat.
Katzen und Hunde sind nicht immer die besten Freunde. Ist es möglich diese zwei "Streithähne" einander näher zu bringen?
Das Ausdrucksverhalten ist ein vielfältiges Zusammenspiel von Körperhaltung, Mimik oder Lautsprache. Gleich aussehende Signale von Hund oder Katze können jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben und so für Sprachbarrieren zwischen den beiden Tierarten sorgen.
Mit der Geste der Rückenlage beispielsweise unterwirft sich ein Hund seinem Gegner. Die Katze hingegen hat damit vier Pfoten mit den scharfen Krallen zur Verteidigung bereit. Hund und Katze sind durchaus in der Lage, die Körper- und Lautsprache voneinander zu lernen und sie in der jeweiligen Situation richtig zu interpretieren. Doch wie beim Erlernen einer Fremdsprache benötigt dies Zeit und anfänglich kann es sehr wohl zu Missverständnissen kommen.
Der wichtigste Punkt, ist die Art und Weise, wie der erste Kontakt zwischen den beiden Tieren abläuft. Wird die Zusammenführung von Hund und Katze nicht sorgfältig geplant, hängt der Haussegen oftmals Monate schief.
Was kann man denn selbst tun, um seine Katze bzw. seinen Hund besser verstehen zu können?
Grundvoraussetzungen sind das Wissen um die Bedürfnisse von Hund und Katze, das Verstehen ihrer Körpersprache, Respekt dem Tier gegenüber und Toleranz. Viele Probleme entstehen, weil der Mensch zu hohe oder nicht artgerechte Anforderungen an das Tier stellt, Erziehungsfehler begeht oder sich nicht in der optimalen Weise mit ihm beschäftigt. Tägliche gemeinsame Aktivitäten mit dem Tier – Spaziergänge und Spieleinheiten mit dem Hund, Spielen mit der Katze – verbessern die Mensch-Tier-Beziehung maßgeblich und sorgen für eine von Vertrauen geprägte Partnerschaft.
Welche "goldenen Regeln" möchten Sie Haustierhaltern mit auf den Weg geben?
Auch wenn es scheint, dass Hund oder Katze uns immer verstehen, so sind sie keine Menschen auf vier Pfoten. Beide Tierarten zählen zu den Raubtieren und haben somit spezielle Haltungsanforderungen, welche von Rasse, Alter, Gesundheitszustand und Individualität des jeweiligen Tieres abhängig sind.
Hunde sind besonders soziale Lebewesen, die einen großen Bedarf an Zuwendung und Aufmerksamkeit benötigen. Intensiver Kontakt zum menschlichen Partner als auch regelmäßige Begegnungen mit Artgenossen sind notwendig, dass die soziale Kompetenz des Hundes in früher Jugend entsteht und erhalten bleibt. Ebenso muss für adäquate körperliche Auslastung und geistige Beschäftigung gesorgt werden, damit unser hündischer Partner nicht verkümmert.
Also sollte man regelmäßig mit seinem Haustier spielen?
Spielen ist gleichbedeutend mit Kommunikation, Sozialkontakt, Motivation, Lernen und Erziehung. Bei spielerischen Aktivitäten werden körperliche und geistige Fähigkeiten von Hund und Katze optimal trainiert und gleichzeitig die Mensch-Tier-Beziehung gefestigt. Wird das Bedürfnis nach körperlicher Betätigung und geistiger Anregung nicht befriedigt, können Probleme im Zusammenleben mit dem Tier entstehen.
Was kann man unternehmen um sein Haustier sowohl körperlich als auch geistig anzuregen?
Während Freilaufkatzen beispielsweise ihr Revier erkunden und etwa sechs bis acht Stunden mit der Jagd verbringen, sind Wohnungskatzen ohne Freilauf auf vom Menschen angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten angewiesen. Gutes Katzenspielzeug spricht die Sinne an, denn der Seh-, Hör- und Tastsinn sind bei der Jagd ausschlaggebend. Bewegte Objekte und Spielsachen, die von Herrchen oder Frauchen zum Leben erweckt werden, beispielsweise Spielangeln, finden Katzen besonders anziehend.
Über Denise Seidl
Denise Seidl ist Expertin für Hunde- und Katzenverhalten. Sie berät bei allen Fragen rund um die Tierhaltung und gibt bei unerwünschten Verhaltensweisen im Zusammenleben mit Hund oder Katze Hilfestellung. Wichtig ist ihr dabei die Zusammenarbeit mit Tierärzten, da Verhaltensänderungen auch auf Erkrankungen zurückzuführen sein können.
Ihr Tätigkeitsfeld umfasst seit gut 15 Jahren neben den Beratungen für Tierhalter, auch Experten- und Dozententätigkeit. Seidl war für die ersten fünf Staffeln der ATV-Tierserie "Hund & Katz" die Katzenexpertin vor der Kamera.
Für Institute, in Tierarztpraxen aber auch in der Weiterbildung von Lehrern und Schülern hält Seidl regelmäßig Seminare. Sie war eine der Ersten in Österreich, die die Prüfung zur Verleihung des Gütesiegels "Tierschutzqualifizierte Hundetrainerin" am Messerli-Instutitut / Veterinärmedizinische Universität Wien erfolgreich abgelegt hat.
Der größte Arbeitsbereich ihrer Tätigkeit ist zurzeit das Schreiben. Neben mehreren erfolgreichen Bücher zum Katzenverhalten (Kosmos Verlag) ist Denise Seidl seit langer Zeit auch als Journalistin tätig (UNIVERSUM Magazin, maxima, mein HAUSTIER,..).
Buchtipps
Denise Seidl, Bettina von Stockfleth
Katzenkinder
Haltung, Spiel & Spaß
Kosmos Verlag
256 Seiten, 335 Farbfotos
ISBN 978-3-440-15388-8
Denise Seidl
Katzen richtig halten und Probleme lösen
Kosmos Verlag
240 Seiten, 245 Farbfotos
ISBN 978-3-440-13086-5
Näheres zu Denise Seidl findest du unter www.tierpsychologie.at
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