WG im Wirtshaus
Gasthof Eberhard in St. Michael will Wohnstätte werden

- Tüfteln an neuen Formen des Zusammenlebens in alten Gemäuern (v.l.): Marlies Fellner, Sophia Kinger, Ilse Blachfellner-Mohri, Clara Schlögl, Daniela Posch und Gunilla Plank.
- Foto: Gunilla Plank
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Wirtin Ilse Blachfellner-Mohri betreibt den Gasthof Eberhard im Zentrum von St. Michael und möchte nun auch ein Wohnprojekt starten. So ist aus dem Kreis der Iron Women die Idee einer generationsübergreifenden Wohngemeinschaft (WG) entstanden. Wissenschaftlich begleitet wird das Pilotprojekt von Studentinnen der FH Joanneum.
ST. MICHAEL. Der Gasthof Eberhard in St. Michael ist eine Institution in der Region: Schon 1505 wurde das „Steinhaus zu St. Michael“ auf den alten Salzstraßen erbaut und war einst Labestation für Reisende und Händler, ein historischer Ort der Begegnung. 1645 wurde dem Gasthof das Tavernen-Recht verliehen und auch die Eintragung ins Gösser Register vorgenommen. Am 25. Mai 1885 hat Johann Eberhard das Haus erworben: Seit über einem Jahrhundert prägt die Familie von Ilse Blachfellner-Mohri das Leben und den Charakter des Gasthofs Eberhard.
Neue Wege beschreiten
Doch was tun mit einem großen, ehrwürdigen Wirtshaus, damit es auch in Zukunft floriert? Ilse Blachfellner-Mohri ist Wirtin aus Leidenschaft, aber ihre Kinder Lea (25), Adrian (23) und Alba (20) sind Bildhauerin, Tischlermeister und Pferdewirtin. "Sie wollen das Haus gerne halten, aber langfristig nicht als reine Gastwirtschaft betreiben. Das Haus soll eine Wohn-, Koch- und Kulturgemeinschaft für Generationen werden. Es geht um ein Zukunftskonzept für neue Zeiten, die auf uns zukommen, eine Gemeinschaft, die sich um die sozialen Bedürfnisse kümmert, Wohnraum im Altbestand, urbanes, vernetztes Leben mitten am Land", erklärt die Mitgründerin des "GenussReichs" und der "Iron Women - Frauen der Steirischen Eisenstraße" die Beweggründe.

- Damit das Projekt Wohngemeinschaft funktionieren kann, ist es wichtig, im Vorfeld gewisse Regeln festzulegen.
- Foto: Gunilla Plank
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Eine weitere Rolle in den Überlegungen der Familie spielte Ilses Wunsch, irgendwann mal in einer Wohngemeinschaft mit Gleichgesinnten zu leben. "Wir sind eine Generation von WG-Kindern, ganz viele im Freundeskreis haben zu Ausbildungszeiten in WGs gewohnt und können sich das auch im Alter wieder vorstellen", erklärt die Gastgeberin, zu deren Haus, neben einem Innenhof, Stall und Garten, auch 14 Zimmer mit Badezimmer gehören.
Nach einigen Überlegungen entstand die Idee aus dem Kreis der Iron Women, das Projekt der FH Joanneum vorzustellen. Dort müssen die Studierenden im dritten Semester ein Praktikumsprojekt machen. "Wir haben unser Projekt bei einer Präsentation im September vorgestellt und fünf junge Studentinnen der Sozialen Arbeit haben sich für uns entschieden", freut sich Gunilla Plank, die das Netzwerk der Iron Women als Projektkoordinatorin betreut.

- Hat Neues mit dem Eberhard vor: Wirtin Ilse Blachfellner-Mohri.
- Foto: der-eberhard/Freilichtmomente
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Interviews mit Experten
Bis Jänner werden die Studierenden Interviews mit solchen Frauen führen, die es sich vorstellen können, in einer generationsübergreifenden Wohngemeinschaft zu wohnen. "Wir haben gemerkt, dass Frauen dem Thema offener gegenüberstehen und es für sie eher infrage kommt, als für Männer", erklärt Plank die Vorgehensweise. Danach folgen Interviews mit Expertinnen und Experten, die solche gemeinschaftlichen Formen des Zusammenlebens bereits umgesetzt haben.
"Das ist jetzt erst mal die Recherche auf sozialer Ebene, um Bedürfnisse, Vorstellungen und Ängste abzufragen. Am Ende gibt’s noch keine fertige WG, aber eine Art Gebrauchsanweisung, was zukünftige Bewohnerinnen sich darunter vorstellen", sagt Plank. "Gerade WGs auf dem Land sind ja noch einmal eine ganz eigene Kategorie und dafür muss man die Interessentinnen sensibilisieren."

- Die Studierenden der Sozialen Arbeit begleiten das Wohnprojekt wissenschaftlich.
- Foto: Gunilla Plank
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Die ersten Ergebnisse der Interviews sind vielversprechend, erzählt Clara Schlögl, Studentin der Sozialen Arbeit an der FH Joanneum. Ihr habe das Projekt von Anfang an gut gefallen.
"Die Frauen, die wir interviewt haben, sind offen für diese Art des Zusammenlebens. Es ist wichtig, dem Wirtshaussterben im ländlichen Raum etwas entgegenzusetzen. So können alte Häuser erhalten und gleichzeitig günstiger Wohnraum geschaffen werden. Aus den Ergebnissen unserer Interviews leiten wir Handlungsempfehlungen ab, wie das Zusammenleben gestaltet werden kann."
Clara Schlögl, Studentin der Sozialen Arbeit an der FH Joanneum
Innovative Form des Wohnens
Die Generationen-WG soll ein Zusatznutzen werden, die Gastronomie als Gemeinschaftszentrum des Hauses und des Ortskerns bestehen bleiben, auch nach außen offen. "Wir wollen ja nicht im eigenen Saft dämpfen, sondern die Welt hereinholen mit unseren Gästen und Kulturveranstaltungen", sagt Ehemann Robert Blachfellner.
"Gasthöfe sind ein wichtiges Ventil für die Gesellschaft", findet auch Leader-Obmann der Steirischen Eisenstraße Mario Abl. "Es freut mich, dass solch eine innovative Form des Zusammenwohnens im alten Ortskern angestoßen wird." Der Verein Steirische Eisenstraße will das Vorhaben unterstützen.

- In der großen Küche kann gemeinsam gekocht werden, wenn es von den zukünftigen Bewohnerinnen gewünscht wird.
- Foto: Gunilla Plank
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Zusätzlich will Familie Eberhard auch in Zukunft Gästezimmer bereithalten, um Künstlerinnen und Künstlern oder anderen Reisenden jederzeit ein Zimmer anbieten zu können.
Im März sollen die ersten Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeiten auf einem Fest im Eberhard präsentiert werden. "Wir haben hier immer gerne Feste mit Familie und Freunden gefeiert. Warum nicht auch gemeinsam wohnen?", bekräftigt die Wirtin ihre Vision einer generationenübergreifenden WG. Sie ist gerade dabei, sich ähnliche Wohnprojekte anzuschauen und erfährt viel Zuspruch für ihre Idee. "Es ist die richtige Zeit dafür, das spüren wir ganz deutlich."
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