Interview mit Bgm. Anton Mattle
Lawinenkatastrophe: Stilles Gedenken in Galtür zum 20. Jahrestag

- Bgm. Anton Mattle: "Wir haben gelernt mit dem Thema umzugehen und wir sind als Gemeinschaft nicht zerbrochen."
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GALTÜR. Zum 20. Jahrestag spricht Bgm. Anton Mattle über Verarbeitung und Umgang mit der Lawinenkatastrophe.
Die Lawinenkatastrophe jährt sich am 23. Februar zum 20. Mal. Wie gedenkt man in Galtür?
ANTON MATTLE: Es braucht Platz für die Erinnerung. Der Eintritt ins Alpinarium Galtür ist wie jedes Jahr am 23. Februar frei, damit die Leute zum "Gedenkraum Memento" kommen. Das Gedenken findet im Stillen, im Rahmen eines Gottesdienstes um 17 Uhr statt. Hier gilt der Dank an den Pfarrer, der diesen speziellen Jahresgottesdienst hält. Weitere Aktivitäten sind aber nicht geplant und es gibt auch keinen weltlichen Akt.
Wie geht Galtür heute mit den damaligen Ereignissen um?
Wir haben gelernt mit dem Thema umzugehen und wir sind als Gemeinschaft nicht zerbrochen. Durch das Ereignis sind wir im Fokus der Medien gestanden. Ja, es ist passiert, aber es gibt kaum einen Ort in den Alpen, in den soviel in die Sicherheit investiert wurde.
Hat in der Bevölkerung eine Verarbeitung stattgefunden?
Die Leute haben es besser und schlechter verarbeitet. Das permanente Reden untereinander und auch mit Auswärtigen war ein wichtiger Schritt. Es hat auch sehr geholfen, dass die Dorfgemeinschaft gläubig ist. Wenn man keine Worte gefunden hat, dann hat man gebetet. Zudem haben auch die alten Galtürer den Leuten Mut gemacht. Galtür ist auch eine Ausnahme dahingehend, dass nach solch einem Großschadensereignis die Leute nicht weggezogen sind. Wenn ein Teil der Bevölkerung weggeht, dann ist eine Weiterentwicklung unmöglich.
Gibt es noch Kontakt zu den Angehörigen der Todesopfer?
Wir haben zu allen Angehörigen Kontakt aufgenommen und pflegen auch Freundschaften. Ich sende auch allen Hinterbliebenen jedes Jahr eine Karte. Zudem gibt es einige, die noch beim gleichen Gastgeber wohnen und mich jedes Jahr auf dem Gemeindeamt aufsuchen.
Nach der Lawine kam dann die Medienlawine. Wie ist man im Vergleich zu heute damit umgegangen?
Schon zu Beginn der Straßensperre hatten Gemeinde und TVB die Gäste laufend informiert und wir haben auch gelernt Interviews zu geben. Es ist zum Schaffen und man lernt den Umgang mit den Medien. Nach dem Ereignis wurde dann die Medienarbeit nach Landeck delegiert. Gerade bei der Krisenkommunikation hat sich unwahrscheinlich viel getan. Im Gegensatz zu damals würden aber heute im Zeitalter der Smartphones und sozialen Medien ganz andere Bilder hinausgehen. Heute wäre dies gänzlich anders und es bräuchte vor Ort eine professionelle Begleitung.
Wie geht man persönlich damit um, so im Fokus zu stehen? Es gab auch mediale Schuldzuweisungen.
Es tut schon weh, wenn ein Journalist zu einem sagt: "Sie sind am 23. Februar Bürgermeister gewesen und 31 Leute sind jetzt tot." Die Begrifflichkeit tut einfach weh. Es hat Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung gegeben. Die Vorerhebungen wurden aber von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Dies war eine erste Befreiung. Die Angehörigen haben aber nicht die Schuldfrage gestellt und auch bei Sammelklagen nicht mitgemacht. Wir haben dann den Kontakt zu ihnen gesucht – dieser erste Schritt war hart. Hier bin ich auch stolz auf die Dorfgemeinschaft.
Gab es Momente, wo Sie als Bürgermeister darüber nachgedacht haben alles hinzuschmeißen?
Man hat eine Verantwortung, wenn solch ein Ereignis passiert. Zusammen mit einem Team habe ich mich der Aufgabe gestellt und diese erfüllt. Wichtig war, dass die Leute wieder ein Dach über dem Kopf bekommen und Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden. Jeder hat sich brutal bemüht und bis Dezember ist dann die Schutzmauer schon gestanden. Auch von Seiten der Gäste gab es in der Karwoche, die ausgebucht war, einen tollen Akt der Solidarität und die Galtürer haben wieder ein Stück in den Alltag zurückgefunden. Das waren tolle Signale und man hat gespürt, dass uns die Leute unterstützt haben.
Gibt es zum 20. Jahrestag wieder ein verstärktes mediales Interesse?
Momentan hab ich jeden Tag fünf Anfragen von in- und ausländischen Medien. Generell fragen aber die Journalisten danach wie es uns heute geht und was aus der Dorfgemeinschaft geworden ist. Wir haben bereits im Herbst beschlossen, dass wir mit dem Thema offensiv umgehen, uns vorbereiten und dass die Leute ordentlich betreut werden, die sich aktiv melden und anfragen.
Haben die starken Schneefälle und die Medien-Berichte zum "Schneechaos" in den Alpen im Jänner Galtür wieder zum Thema gemacht?
Die Fernsehanstalten haben bereits im November angefragt und dann ist es etwas ruhiger geworden. Mit dem Starkniederschlag Mitte Jänner wurde das Thema wieder von den Medien aufgegriffen und immer im Zusammenhang mit Galtür kommentiert. Man hatte das Gefühl, dass jede Schneeflocke den Namen Galtür trägt.
Auch in Galtür wurden Straßen aus Sicherheitsgründen gesperrt.
Wir haben an einem Tag viel Schnee bekommen und es gab starke Windböen. Im Sinne der Sicherheit wurden Straßen gesperrt. Unsere Botschaft ist, dass wir sehr vorsichtig sind. Gerade als Lawinenkommission muss man den großen Mediendruck ausblenden und sich auf die Fachkompetenz konzentrieren.
Das Interview führte Othmar Kolp (otko)
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