Verschlüsselte Schaltung ins Gefängnis
Straflandesgericht urteilt im Videomodus

- Der Sessel für den Angeklagten bleibt leer, dafür sind alle Blicke gebannt auf den Bildschirm gerichtet.
- Foto: Jörgler
- hochgeladen von Andrea Sittinger
Lehrer chatten mit ihren Schülern in Videos, Ärzte halten ihre Sprechstunde in einem Video-Meeting ab und Richter befragen Beschuldigte mittels Videokonferenzschaltung ins Gefängnis. Seit dem 15. März läuft vieles anders, als wir es bis dahin gewohnt waren. " In den vergangenen sieben Wochen wurden am Straflandesgericht mehr als hundert Haft- und Hauptverhandlungen mithilfe einer Videoschaltung durchgeführt", berichtet der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz Hansjörg Bacher. In den meisten Fällen ging es um die Verlängerung einer Untersuchungshaft. "Diese Haftverhandlungen sind unaufschiebbar, da die U-Haft jeweils nur für eine bestimmte Frist wirksam ist, dann muss über die Haftgründe verhandelt werden", so Bacher.
Keine 08/15-Videokonferenz
Im Normalfall finden die Haftverhandlungen in der Justizanstalt Jakomini statt, wohin sich Richter, Verteidiger, Staatsanwälte und gegebenenfalls Dolmetscher begeben, um den Beschuldigten zu befragen. Zuletzt hat sich das alles allerdings per Videoschaltung direkt ins Gefängnis abgespielt. "Während wir alle im Gerichtssaal sitzen, sitzt der Beschuldigte in Begleitung eines Justizwachebeamten in einem eigenen Raum. Wie sehen ihn und er sieht uns beziehungsweise den Gerichtssaal", schildert der Staatsanwalt. "Natürlich ist das keine 08/15-Zoom-Konferenz wie wir die jetzt alle kennen, sondern eine gesicherte Datenleitung."
Zurück in Richtung Normalität
Neben diesen Haftverhandlungen haben in der Zeit des Lockdowns auch 35 dringende Hauptverhandlungen mittels Videokonferenz stattgefunden. Die WOCHE hat einen exklusiven Einblick in eine der letzten – seit dieser Woche läuft auch das Gericht fast wieder im Normalbetrieb – bekommen. Verhandelt wird der Fall einer 46-jährigen Grazerin, die eine andere Frau mit dem Tod bedroht haben soll. Der Sessel, auf dem die Täterin normalerweise sitzen würde, bleibt leer. Stattdessen ist gegenüber dem Schöffengericht mit der Vorsitzenden Catherine Bütler ein großer Bildschirm angebracht, auf dem die Betroffene zugeschaltet wird. Mit Gesichtsmasken und im Videomodus gelangen die Rechtssprecher schließlich zum Urteil: Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.
Seit Beginn dieser Woche ist auch am Straflandesgericht beinahe wieder die Prä-Corona-Routine eingekehrt. "Allein in dieser Woche sind 49 Verhandlungen anberaumt", schildert Hansjörg Bacher. Das ist quasi die Hälfte davon, was in den vergangenen sieben Wochen verhandelt wurde. Auf Vollbetrieb kann allerdings noch nicht hochgefahren werden, da nicht alle Verhandlungssäle groß genug sind, um den Mindestabstand einzuhalten.


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